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07. Juli 2010, TAZ: "Kein großer Mitdenker"
RECHTE GEWALT Mit einem Faustschlag hat ein 26-Jähriger aus der rechten Szene Kiels hinterrücks die Laufbahn eines Balletttänzers beendet. Nun muss er für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis
Das Gesicht des Angeklagten schimmert rot unter seinem blond gefärbten Kurzhaarschnitt, ein Schweißfilm liegt auf seinen Nasenflügeln. Die Fragen des Gerichts versteht er nur langsam und die nach dem Warum, die kann oder will Christopher R. dem Amtsgericht Kiel nicht beantworten. Mit einem Faustschlag hat der Neonazi dem Tänzer Claudiu C. hinterrücks eine Schädelfraktur zugefügt, eine zweite kam beim Aufprall auf dem Asphalt dazu. Heute ist der 29-Jährige auf einem Ohr taub und sein Gleichgewichtssinn ist beeinträchtigt. In seinem Beruf als Profitänzer ist er nicht mehr konkurrenzfähig, eine Umschulung kann nur mit psychologischer Begleitung gelingen.
Als Christophers R.’s Befragung endet, neigt er den Kopf zur Seite und starrt die nächsten fünf Stunden mal aus dem Fenster, mal auf den Tisch. Am 18. April 2009 war er zu einer Auseinandersetzung zwischen Neonazis und linken Gegendemonstranten zu spät gekommen. Trotz Platzverweises waren die Gruppen mittags in der Nähe des Kieler Opernhauses zusammengestoßen. Die Kameraden hätten sich auf dem Vorplatz getroffen, angeblich um eine Einkaufsliste für ein Grillfest zu besprechen, sagt ein Mitglied der damaligen Gruppe vor Gericht. Als Christopher R. ankam, hatte die Polizei sie bereits umstellt.
Claudiu C., schmächtig, klein, dunkle Locken, hatte nach der Tanzprobe mit zwei Kollegen auf einer Wiese auf der anderen Straßenseite gesessen. Sie waren aufgestanden, als sich die Straßen um sie herum mit Demonstranten und Polizisten füllten und wollten gehen, sagen sie. C. ging langsam voraus und beobachtete die Szene, R. kam von hinten. Er nahm Anlauf und schlug C. mit der Faust nieder. Dann stellte er sich grinsend der Polizei.
Etwa drei Tage lag C. auf der Intensivstation, dann erhielt er Therapien. "Sie müssen sich das vorstellen, als ob ein Besoffener versuchte zu tanzen", sagt er. Ballett war sein Kindheitstraum, jetzt macht er ein Licht- und Tontechnik-Praktikum am Theater.
Christophers Motivation für die Tat? "Großartig nachgedacht hab‘ ich ja nicht", sagt er. An das Schreiben seines Anwalts, der ihm panische Gemütslage wegen angeblicher Verfolgung bei der Tat attestiert, könne er sich auch nicht erinnern. Der Anwalt gibt seinerseits zu, dass er vor Gericht ein ganz neues Bild des Falles bekommen habe. Sein Mandant sei Mitläufer, "kein großer Mitdenker", sagt er. Sein Plädoyer vor Gericht: "Das ist Dauerdummheit, seit Jahren." An anderer Stelle sagt er, R. sei einer der vier führenden Neonazis Kiels gewesen. R. selbst erklärt, er habe sich von der Szene gelöst. Bei seinem Schlusswort blickt Christopher R. sein Opfer an: Er wolle sich entschuldigen. Doch dem kommt die Entschuldigung zu spät. KRISTIANA LUDWIG
Quelle: TAZ.DE
07. Juli 2010, SHZ: Amtsgericht Kiel: 32 Monate Gefängnis für Nazi-Schläger
Ein Neonazi soll in einer Schlägerei mit Linken einen unbeteiligten Balletttänzer berufsunfähig geschlagen haben. Jetzt muss er zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis.
Von Rieke Beckwermert
Millimeterkurz geschorenes blondes Haar, rote Gesichtshaut, grob geschnittene Züge. Kariertes Hemd, Jeans, Sportschuhe. Unter der Unterlippe blitzt ein kleiner Piercingstecker auf. Christopher R. (26) wirkt zwar nicht harmlos, aber auch nicht wie ein brutaler Schläger. Er ist Maler und Lackierer mit Hauptschulabschluss. Seine Hände ruhen während der Verhandlung auf dem Tisch, manchmal verschränkt, manchmal gefaltet. Wenn er den Mund aufmacht, sind Sätze zu hören wie: "Da hab‘ ich ihm auf die Backe gehauen" und "zu diesem Zeitpunkt war mein Kopf leer."
Das ist also der Mann, der den Kieler Balletttänzer Claudiu C. (29) am 18. April vergangenen Jahres so hart mit der Faust am Kopf traf, dass dessen Schädel brach, der Tänzer stürzte, sich den Schädel ein zweites Mal brach und für immer auf dem linken Ohr taub bleibt. Sein Gleichgewichtssinn ist beschädigt, seine Karriere als Tänzer beendet (wir berichteten).
"Ich wollte mich mit ganzem Herzen entschuldigen"
Gestern verurteilte das Amtsgericht Kiel den Angeklagten Christopher R. wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft. Das Urteil entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Christian Bangert hatte auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren plädiert, sprach von einer "Riesen-Dummheit" seines Mandanten, bescheinigte ihm gar eine "Dauer-Dummheit": "Er hängt in seiner Persönlichkeitsentwicklung in hohem Maß hinterher."
Christopher R., der den Blickkontakt mit seinem Opfer während der Verhandlung in Saal 3 vermeidet, sieht Claudiu C. nur einmal offen in die Augen: Als Richter Jannis Datsogiannis ihm das letzte Wort erteilt. Er sagt: "Ich wollte mich von ganzem Herzen entschuldigen, das war nicht geplant." Claudiu C. blickt mit seinen dunklen Augen zurück, zeigt keine Regung. Er sagt später, dass er mit dem Urteil nicht zufrieden ist, sich eine härtere Strafe gewünscht hätte.
"Ein Akt roher Gewalt"
Der Fausthieb war äußerst brutal, das betonen Staatsanwaltschaft sowie der Anwalt des Opfers, Andreas Meyer. Der spricht von einem "Akt roher Gewalt mit dem Ziel, größtmöglichen Schaden anzurichten". Der Angriff sei hinterlistig gewesen, weil hinterrücks ausgeführt – und sinnlos, da Claudiu C. keinen Anlass dafür gegeben habe.
Der Tänzer des Kieler Opernhauses war an diesem Tag nur zufällig in der Innenstadt Beobachter eines gewaltsamen Aufeinandertreffens von linken und rechten Aktivisten geworden. Dabei hatte ihm Christopher R., der als einer der führenden Köpfe der rechten Szene und Mitglied der Autonomen Nationalisten gilt, den Faustschlag verpasst – am helllichten Tag und vor den Augen der Polizei.
"Ich bin kein Nazi"
Die Antwort auf die Frage nach dem Warum bleibt der Angeklagte schuldig. Erst ein Zeuge liefert am Ende der mehrstündigen Beweisaufnahme eine mögliche Antwort. Der Polizist hatte die Tat während seines Einsatzes beobachtet: "Christopher R. ging danach auf seine Leute zu, grinste mit breiter Brust. Wollte er Anerkennung? Er ließ sich widerstandslos festnehmen, ist uns freiwillig in die Arme gelaufen, als wollte er seinen Kameraden zeigen: Seht her, was ich getan habe." Von seinen rechten Gesinnungsgenossen will sich Christopher R. jetzt distanziert haben, sagt: "Ich bin kein Nazi."
Richter Jannis Datsogiannis nimmt ihm das nicht ab, genauso wenig wie das halbherzige Geständnis: "Es gab kein klares Bekenntnis zu der Tat, die von brachialer Gewalt zeugt."
Zurück bleiben zwei Menschen, deren Existenz durch die Tat am Ende ist. Die des Täters, der neben der Haftstrafe voraussichtlich Jahrzehnte für seinen Angriff wird zahlen müssen. Und die des Opfers. Claudiu C. hat seine Gesundheit und seinen Lebenstraum verloren.
Quelle: shz.de
07. Juli 2010, WELT: Neonazi prügelt Ballett-Tänzer berufsunfähig
Kiel – Wegen eines gezielten Faustschlags gegen einen Kieler Balletttänzer hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag zwei Jahre und acht Monate Haft für einen mutmaßlichen Neonazi gefordert. Vor dem Kieler Amtsgericht sagte der Staatsanwalt, der 26-jährige Angeklagte habe mit dem völlig unerwarteten Schlag die Existenz des Opfers zerstört. Der 29-jährige Tänzer erlitt Schädelfrakturen, ist seither auf einem Ohr taub und berufsunfähig. Er war mit zwei Berufskollegen unbeteiligt in die Nähe heftiger Auseinandersetzungen zwischen rechter und linker Szene geraten. Nach der überraschenden Attacke direkt vor den Augen der Polizei ließ sich der Angeklagte grinsend festnehmen, so ein Zeuge. Sein Verteidiger bezeichnete ihn als einer der vier führenden Neonazis Kiels. Er will sich aber von der Szene gelöst haben.
Quelle: Welt-Online
06. Juli 2010, KN: Tänzer berufsunfähig geschlagen – Gefängnisstrafe
Kiel – Für einen gezielten Faustschlag gegen einen Kieler Balletttänzer muss ein mutmaßlicher Neonazi zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Das Kieler Amtsgericht verurteilte den 26-Jährigen am Dienstag wegen gefährlicher Körperverletzung. Es sei erwiesen, dass der Angeklagte im April 2009 nach einer Auseinandersetzung zwischen rechter und linker Szene völlig unvermutet auf den unbeteiligten Tänzer einschlug. Die tragischen Folgen: Der 29-Jährige erlitt Schädelfrakturen, ist seither auf einem Ohr taub und kann seinen Beruf nicht mehr ausüben, möglicherweise bleibt er berufsunfähig.
Dass sich der Angeklagte von der rechten Szene distanziert habe, wie er vor Gericht behauptete, nahm ihm das Schöffengericht nicht ab. Er gehört laut seinem Verteidiger zu den vier führenden Neonazis der Stadt und kandidierte im Januar 2009 für die Kieler NPD. An einem Aussteiger-Schutzprogramm nehme er nicht teil, sagte er vor Gericht. Dabei räumte der Angeklagte mit dem kurzgeschorenen rötlichen Haar wortkarg den Schlag gegen den Tänzer ein.
Er sei auf der Flucht vor einer „Horde Linker“ gewesen, als er eine Bewegung sah und zuschlug, sagte er. Nach dem Eindruck eines Polizeizeugen dagegen wollte sich der 26-Jährige mit der Tat vor seinen Gesinnungsgenossen brüsten. Die waren nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen von der Polizei eingekesselt worden. Direkt vor ihren Augen lief der Angeklagte plötzlich von hinten auf den ahnungslosen Tänzer zu und streckte ihn nieder, so der Beamte. „Mit breitem Grinsen kam er dann zu uns und ließ sich festnehmen.“
Für das Opfer folgten nach Intensivstation und mehrwöchigem Krankenhausaufenthalt Monate der Reha und psychologische Betreuung. Laut Gutachten ist offen, ob der Geschädigte überhaupt je wieder einen Beruf ausüben kann. Er leide noch heute unter Panikattacken, könne sich wenig konzentrieren und habe oft Kopfschmerzen, schilderte der 29-Jährige. Er und seine Mutter bezeichneten das Urteil als zu milde. Sie hätten sich eine Verhandlung vor dem Landgericht und eine härtere Strafe gewünscht, sagten sie.
Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und begründete die Haftstrafe auch mit dem Satz: „Es kann nicht sein, dass man als Unbeteiligter am hellichten Tag niedergeschlagen wird“.
Laut Urteil muss der Angeklagte dem Nebenkläger „sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Faustschlag ersetzen“, soweit sie nicht von Versicherungen übernommen werden.
Elena Pieper, Sprecherin des Kieler Bündnisses gegen Nazigewalt, sagte zu dem Prozess: "In den letzten zwei Jahren gab es fast 30 Anschläge, Überfälle und schwere Angriffe mit rechtem Hintergrund in Kiel. Die Neonazis richteten hierbei mehrere 10.000 Euro Sachschäden an und verletzten viele Menschen, einige schwer. Mit einigen der Gewalttaten rühmt sich die personell eng mit der NPD verbundene Aktionsgruppe Kiel im Internet. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass nun eines ihrer Mitglieder verurteilt wurde."
Quelle: KN-Online
05. Juli 2010, SHZ: Nazi-Angriff: Claudiu C. wird nie mehr tanzen können
Tanzen war sein Leben – bis Baletttänzer Claudiu C. im Juni 2009 brutal von einem Neonazi niedergeschlagen wurde. Dienstag beginnt in Kiel der Prozess.
Sein letzter Auftritt war an dem Abend, bevor es geschah. Claudiu C. (29) tanzte auf der Bühne des Opernhauses in Kiel, er tanzte wie immer mit Leidenschaft, "Rooster" hieß die Ballettinszenierung, es war der 17. April 2009. "Tanzen ist mein Leben", sagt der junge Mann mit den sensiblen braunen Augen und den dunklen kinnlangen Locken, dann korrigiert er sich sich. "Tanzen war mein Leben."
Tanzen wird er nie mehr können, denn Claudiu C. wurde am 18. April vergangenen Jahres hinterrücks von einem Aktivisten aus der rechten Szene in Kiel angegriffen. Er erlitt dabei eine doppelte Schädelfraktur. Seit der Tat ist er auf dem linken Ohr taub – und hat seinen Gleichgewichtssinn verloren. Tödlich für die Karriere eines Balletttänzers.
"Dann gingen bei mir die Lichter aus"
Was war passiert? Der Tatverdächtige Christopher R. (26) hielt sich an dem Tag in der Kieler Innenstadt auf, dort hatte eine Kundgebung rechter Gruppierungen stattfinden sollen. Diese wurde untersagt, so dass die Teilnehmer in Richtung Asmus-Bremer-Platz marschierten. Dort, in der Nähe des Opernhauses, hatten sich Mitglieder mehrerer Organisationen zu einer friedlichen Gegendemonstration versammelt. Es kam zu Rangeleien, als Linke und Rechte aufeinander trafen.
Claudiu C. erinnert sich: "Ich kam mit Kollegen aus dem Opernhaus. Eine Gruppe von 20 Neonazis in Kampfmontur lief an uns vorbei, wir wussten nicht warum. Die Polizei wollte sie aus dem Verkehr ziehen. Einige von ihnen standen abseits. Der Täter wollte zu seinen Leuten, es gab eine Rangelei, wir wollten flüchten. Dann hat der Mann meine Kollegen überholt und mich im Laufen von hinten mit der Faust zusammengeschlagen. Ich bin zu Boden gestürzt und schlug mit dem Kopf auf dem Asphalt auf. Dann gingen bei mir die Lichter aus", sagt er. Er spricht leise. Mit beiden Händen hält Claudiu C. sich an einer Tasse Kaffee fest. "Ich kann mich an nichts erinnern, wachte auf der Intensivstation auf."
"Mit den Kollegen kann ich nicht mehr mithalten"
Ihm sei übel gewesen, er habe mit den Augen nichts richtig fixieren können, das Hörvermögen auf dem linken Ohr war zerstört, der Gleichgewichtssinn schwer beschädigt. Und damit, sagt der ehemalige Tänzer, "hat der Mann auch mein Leben zerstört."
Claudiu C. kam mit elf Jahren aus Rumänien nach Deutschland, begann das Tanzen, besuchte später die Ballettschule der Oper in Leipzig. Engagements führten ihn an das Landestheater Greifswald, an das Landestheater Coburg und das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin. Seit der Spielzeit 2006/2007 gehört er fest zur Ballettkompanie in Kiel. Er tanzte den Basil in "Dorian Gray" und den Hérold in "Orestie", wirkte auch in der "West Side Story" mit. "Doch ich kann mit den Kollegen nicht mehr mithalten", sagt er, "nach einem Jahr quälender Reha und hartem Training musste ich mir das eingestehen." Mit Praktika am Theater versucht er nun, eine neue berufliche Perspektive zu finden. Zurzeit lebt er von seinem Krankengeld.
"Die Angst wird bleiben"
Es ist nicht nur die Karriere, die zu Ende ist. "Claudiu war früher auch viel offener, selbstbewusster. Jetzt ist er in sich gekehrt", sagt seine Freundin Franziska B. (27). Claudiu C. ist in psychotherapeutischer Betreuung, sagt: "Ich habe immer noch Angst vor Überfällen, bin misstrauisch gegenüber Fremden geworden, große Menschenansammlungen wie die Kieler Woche meide ich."
Morgen muss Christopher R. sich im Kieler Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Er war noch am Tattag von der Polizei festgenommen und vernommen, aber mangels Haftgründen sofort wieder freigelassen worden. Seitdem ist er auf freiem Fuß. Der junge Mann, der nach Angaben einer Kieler Antifa-Gruppe der NPD angehört und bei der Kommunalwahl 2008 in Kiel als Kandidat für die Partei antrat, zählt offenbar auch zum Kern der "Autonomen Nationalisten" in Kiel. Warum er auf den unbeteiligten Claudiu C., der "zur falschen Zeit am falschen Ort" war, wie das Opfer selbst sagt, so unvermittelt und brutal einschlug, wird sich vielleicht vor Gericht klären. Die Tatsache, dass Claudiu C. gebürtiger Rumäne mit deutscher Staatsangehörigkeit ist, könnte eine Rolle spielen, glaubt Claudiu C. "Ich hatte damals lange Haare, passte womöglich ins Feindbild dieses Mannes."
Eines, sagt Claudiu C., werde sich auch mit einer Verhandlung und Bestrafung des Täters nicht ändern: "Die Angst wird bleiben." Rieke Beckwermert
Quelle: shz.de
02. Juli 2010, KN: Kieler demonstrierten friedlich gegen rechte Gewalt
Kiel – Am Freitagnachmittag haben 250 Kieler friedlich gegen rechte Gewalt demonstriert. Dazu aufgerufen hatte das Kieler "Bündnis gegen Nazigewalt". Die Demonstrationsteilnehmer wollten mit ihrer Veranstaltung Solidarität gegenüber Betroffenen von Gewalttätigkeiten seitens des rechtens Spektrums bekunden. Aktueller Anlass ist der kommende Woche beginnende Prozess gegen einen Mann, der im April 2009 einem Angehörigen der Kieler Oper schwere Verletzungen zugefügt hatte.
Die Polizei begleitete die Demonstration ab 16 Uhr vom Hauptbahnhof bis zur Abschlusskundgebung am Rathausplatz. Um 18.30 Uhr wurde die Demonstration seitens der Verantwortlichen für beendet erklärt. Es kam zu keinen Störungen oder Zwischenfällen.
Während des Aufzugs wurden drei Personen des rechten Spektrums von Polizeikräften am Exerzierplatz kontrolliert. Die Beamten stellten hierbei Waffen sicher, so dass die Gruppe bis zum Veranstaltungsende in Polizeigewahrsam genommen wurde. Entsprechende Anzeigen wegen Verstößen gegen das Waffen- bzw. Versammlungsgesetz wurden gefertigt, teilte die Poliziei am Freitagabend mit.
Quelle: KN-Online
01. Juli 2010, TAZ: Wie Neonazis in Kiel agieren: Übergriffe und Sachschäden
DER RECHTE RAND
Nach einem Angriff von Neonazis kann der Tänzer Claudiu C. seinen Beruf nicht mehr ausüben. Irreparable Gleichgewichtsstörungen und Taubheitsgefühle auf der einen Körperhälfte werden bleiben. Nach einem Jahr quälender Reha, so der Balletttänzer beim Kieler Opernhaus, stünde fest: Nie wieder werde er auf einer Bühne tanzen können.
Über ein Jahr ist der brutale Angriff her. Am Nachmittag des 18. April 2009 hatte nahe des Kieler Rathauses der "Runde Tisch gegen Rassismus" einen Infostand aufgebaut. Mit Holzknüppeln bewaffnet versuchten an die 30 Neonazis der "Aktionsgruppe Kiel" die Teilnehmer anzugreifen. Am Rande schlug der Neonazi Christopher R., im Jahr 2008 NPD-Kandidat bei der Kommunalwahl, den unbeteiligten Claudiu C. nieder. Mit zwei Arbeitskollegen hatte C. das Opernhaus verlassen. Der Faustschlag des Neonazis kam so unerwartet und so brutal dass C. einen doppelten Schädelbasisbruch erlitt.
"In den vergangenen zwei Jahren wurden eine Vielzahl von Menschen durch Neonazis verletzt, sie richteten Sachschäden in Höhe von mehreren 10.000 Euros an", sagt eine Sprecherin des Bündnis "Runder Tisch". Und sie erinnert daran, dass Unbekannte auf das linke Zentrum "Alte Meierei" geschossen haben. Steine flogen zuletzt am 9. Mai durch das Fenster eines Kinderzimmers in dem Wohnprojekt "Dampfziegelei". In der selben Nacht gingen auch Scheiben des Buchladens "Zapata" zu Bruch.
Warum die Nazis so auftreten glaubt Harald Mücke vom Buchladen zu wissen: "Im Rat der Stadt wird von Bandenkriegen zwischen Links und Rechts gesprochen." Am Samstag will der "Runde Tisch" mit einer Demonstration Solidarität für alle Opfer rechter Gewalt zeigen. Zu der Aktion rufen auch die Stadtpräsidentin Cathy Kietzer (SPD) und Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) auf. Die Demo beginnt um 16 Uhr am Kieler Hauptbahnhof.
Quelle: Die Tageszeitung vom 01. Juli 2010
29. Juni 2010, KN: Er wird nie mehr tanzen können
Prozess um Attacke auf Kieler Balletttänzer beginnt – Aufruf zur Demonstration
Kiel. Der brutale Angriff auf einen Kieler Balletttänzer wird am Dienstag, 6. Juli, vor dem Kieler Amtsgericht verhandelt. Claudiu C. war am 18. April 2009 als Unbeteiligter in Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Nazigegnern geraten und schwer verletzt worden.
Das Bündnis „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus – Kiel“ ruft aus diesem Anlass zu einer Demonstration gegen faschistische Gewalt am Freitag, 2. Juli, auf. Die Kundgebung soll um 16 Uhr am Kieler Hauptbahnhof beginnen. In einer gemeinsamen Erklärung appellierten auch Susanne Schöttke (ver.di Kiel-Plön), Peter Seeger (IG Metall Kiel/Neumünster), Ralph Müller-Beck (Deutscher Gewerkschaftsbund Kiel), Stadtpräsidentin Cathy Kietzer und Oberbürgermeister Torsten Albig an Solidarität gegen faschistische Gewalt in Kiel: „Lassen Sie uns eintreten für das Unterbinden von faschistischer Propaganda in der Stadt, gegen faschistische Aufmärsche und Kundgebungen und für die Unterstützung antifaschistischer Aktivitäten“, heißt es darin.
Am kommenden Dienstag ab 9 Uhr muss sich dann der mutmaßliche Schläger, den die Polizei dem rechtsextremen Lager zuordnet, in einem Strafprozess wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Wie das Theater Kiel mitteilt, bleibt der schwer verletzte Künstler Claudiu C., der damals mit zwei Kollegen das Opernhaus nach einer Probe verlassen hatte, infolge der hinterrücks geführten Faust-Attacke dauerhaft arbeitsunfähig und auf einem Ohr taub.
„Nach einem Jahr quälender Reha und einem leider gescheiterten Wiedereingliederungsversuch in die Kompanie des Balletts Kiel muss ich akzeptieren, dass die Gleichgewichtsstörungen und die einseitige Taubheit aufgrund des doppelten Schädelbasisbruchs irreparabel sind und ich nie wieder werde tanzen können“, so Claudiu. Nach Pressemitteilung der Kieler Bühnen absolviert der Künstler derzeit Praktika in verschiedenen Bereichen des Theaters, an die sich dann eine Ausbildung oder Umschulung anschließen könne.
Der „Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus – Kiel“ erinnert in diesem Zusammenhang an weitere gewalttätige Aktionen rechtsextremer Kräfte, die sich in der Vergangenheit wiederholt linke und demokratische Projekte als Zielscheibe gesucht hätten. Dazu gehörten die Alte Meierei, das Wohnprojekt „Dampfziegelei e.V.“, der Kinderladen in der Hansastraße 48 sowie der Buchladen „Zapata“. gey/mad
Quelle: KN-Online
Juni 2010, ALBRECHT: Von splitternden Scheiben und scharfen Schüssen
Der Buchladen „Zapata” – Ein Tatort rechter Gewalt in Kiel
von Feliks Todtmann
Vier Mal sei das Geschäft in den zurückliegenden zwei Jahren Ziel vandalistischer Angriffe aus dem rechten Spektrum geworden, sagt Helene Walter*. Sichtlich verunsichert berichtet die Mitarbeiterin des kleinen Buchladens „Zapata“ über den erneuten Angriff vom neunten Mai, bei dem die lediglich notdürftig verglasten Fenster – die letzte Attacke liegt gerade einmal vier Monate zurück – erneut eingeworfen wurden.
Für die kleine Buchhandlung stellen die Angriffe nicht nur eine verstärkte Bedrohung durch rechte GewalttäterInnen dar, sondern verursachen auch einen immensen wirtschaftlichen Schaden. Und die TäterInnen wüssten dies, meint Helene Walter*. So sieht sich der Besitzer nunmehr gezwungen, teure Schutzrollläden anzubringen, die vor zukünftigen Attacken schützen sollen. Zugleich berauben die Rolläden den Laden auch seiner Schaufenster. Nur dank der Spenden vieler UnterstützerInnen und KundInnen können diese jetzt angeschafft werden.
Daran, dass die TäterInnen Neonazis waren, hat sie keine Zweifel. Das Geschäft ist weithin als links-alternativer Buchladen bekannt und passt in das Feindbild der Rechten. Zudem ist das Fluchtauto der TäterInnen angeblich einem bekannten Neonazi zuzuordnen. Zeugen hatten das Kennzeichen notiert, nachdem sie um 23.30 Uhr die Scheiben des Ladens klirren gehört hatten.
Die Buchhandlung war nicht das einzige Ziel faschistischer Gewalt an diesem Abend. Am Vortag, dem Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus, hatten die Kieler Nazis versucht, eine geschichtsrevisionistische Kundgebung unter dem Motto: „8. Mai – Wir feiern nicht” am Hauptbahnhof abzuhalten. Diese verlief jedoch für die Handvoll anwesender Nazis aufgrund von breiten Gegenprotesten ernüchternd, sodass wohl der aufgestaute Frust anderweitig abgelassen werden musste. So wurde neben dem Buchladen auch das alternative Wohnprojekt „Dampfziegelei“ in Wik Opfer rechter Aggression. Hier warfen die TäterInnen gegen 23.00 Uhr die Fensterscheiben einer Wohnküche und eines Kinderzimmers ein, in dem ein vierjähriges Mädchen schlief. Verletzt wurde niemand.
Die Ereignisse dieses Maiwochenendes stellen jedoch leider keine Einzelfälle dar. Vielmehr reihen sich die Angriffe in eine Serie rechter Gewalttaten in Kiel ein, in deren Zusammenhang es seit 2008 immer wieder zu Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffen durch Neonazis gekommen war. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand diese Serie im Januar 2010. In der Nacht vom 19. zum 20. Januar hatten vermutlich Neonazis mit einer Schusswaffe in ein Fenster des bewohnten Teils des linken Wohn- und Kulturprojektes „Alte Meierei“ geschossen. Die zwei Schüsse, die in ein hell erleuchtetes Fenster abgegeben wurden, verfehlten die sich dort aufhaltende Person.
Ebenso wie der Buchladen „Zapata“ und die „Dampfziegelei“ ist die „Alte Meierei“ das, was die Neonazis als „exemplarischen Ort, der von ihnen als Feind angesehen wird“ betrachten, wie Julia Schmidt*, Bewohnerin der „Alten Meierei“, erklärt. Auch sie ist sich daher sicher, dass es rechte Gewalttäter waren, die im Januar gezeigt haben, dass sie auch vor möglichen Todesopfern nicht zurückschrecken. Die Qualität des Angriffs bereite ihr persönlich etwas Unbehagen. Angst will sie nicht sagen, doch sei ihr „Sicherheitsgefühl durch den Vorfall schon beeinträchtigt”. Sie spricht von einem „Fanal“ für eine mögliche Veränderung in der gewaltbereiten Naziszene Kiels, da Schüsse mit scharfen Waffen auf Hausprojekte ein Novum darstellten.
Von den Ermittlungsbehörden zeigten sich die Betroffenen enttäuscht. Die polizeilichen Ermittlungen seien in den Fällen eher schleppend verlaufen. Der Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft war aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens zu keiner Stellungnahme bereit. Die Verfahren zu den früheren Sachbeschädigungen am „Zapata“ und den Schüssen auf die Alte Meierei wurden eingestellt, da keine Täter ermittelt werden konnten. Dennoch hoffen die Mitarbeiter des Buchladens aufgrund der Zeugenaussagen dieses Mal auf eine Feststellung und Verurteilung der TäterInnen.
Die Kieler Ermittlungsbehörden sowie die lokale Presse sehen indes keine Eskalation der politisch motivierten Gewalt von rechts. Das Problem wird allzu oft zu einer Art „unpolitischen Bandenkrieg“ heruntergespielt, selbst wenn es der Kinderladen des Kulturprojekts „Hansastraße 48“ ist, der Opfer von Steinwürfen wird. Für die Bewohner der „Alten Meierei“ passt diese Verharmlosung von rechter Gewalt gut in die Strategie der Kieler Polizeiführung, die den Bewohnern zufolge damit versucht, den Konflikt „nicht weiter anzuheizen“.
Ein weiterer schwerer Fall rechter Gewalt fand im April letzten Jahres statt. Nach einer misslungenen Kundgebung der „Aktionsgruppe Kiel“ wurde ein Balletttänzer offensichtlich von Neonazis lebensgefährlich verletzt. Der Mann, dessen lange Haare offenbar nicht ins menschenverachtende Weltbild der Nazis passten, wurde dermaßen zusammengeschlagen, dass er einen Schädelbasisbruch erlitt. Der damals 28jährige leidet noch immer an den Spätfolgen des Angriffs und kann seinen Beruf aufgrund von Taubheit auf dem linken Ohr nicht mehr ausüben. Der Hauptverdächtige des Angriffs auf den Tänzer der Kieler Oper steht zwar ab Juni diesen Jahres vor Gericht, dennoch reißt die Serie der Gewalt nicht ab.
Die Chronologie ließe sich um zahlreiche weitere Erscheinungen erweitern, von eingeworfenen Fensterscheiben über Propagandaaktionen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen. Oft führen die Aktivitäten zurück zur AG Kiel. Die sogenannten „Aktionsgruppe Kiel“ ist eine Gruppe aktiver Rechtsradikaler, die sich auf ihrer Internetpräsenz selbst als aktive Nationalisten bezeichnen und sich den vermeintlichen Idealen eines „nationalen Sozialismus“ verschrieben haben. Der Kapitalismus wird von ihnen angeblich ebenso abgelehnt wie die „gescheiterte multikulturelle Gesellschaft“.
Diese Gruppe ist in den Horizont der „autonomen Nationalisten“ einzuordnen, die sich um das Jahr 2000 herum von den festgefahrenen Neonazistrukturen wie Parteien, Kameradschaften und Vereinen gelöst haben und vermehrt auf öffentlichkeitswirksamere Aktionsformen setzen. Der Nazi in Springerstiefeln und Bomberjacke hat für sie ebenso ausgedient wie der Nazi im Nadelstreifenanzug. Beides ist gesellschaftlich verpönt und für Jugendliche wenig attraktiv.
Um junge aktive Mitglieder in ihren Bann zu ziehen, scheuen die „autonomen Nationalisten“ nicht davor zurück, sich vormals traditioneller linker Politikfelder und Erscheinungsbilder anzunehmen. Umwelt- und Tierschutz, Konsumkritik und Geschlechterpolitik sind für sie ebenso Teil des Gesamtbildes, wie schwarze Kleidung auf Demonstrationen und politische Spontanaktionen. Es ist eine absurde Verquickung von jugendlicher Subkultur und traditionellem Stammtischnationalismus. Der Habitus und die Themen werden schlicht vom politischen Gegner übernommen und mit einem nationalen Anstrich versehen. „Autonome Nationalisten“ haben keine Berührungsängste mehr mit Anglizismen und übernehmen Graffitischriftzüge auf ihren Flyern und Aufklebern, die optisch nur bei sehr genauem Hinsehen von denen der Linken zu unterscheiden sind.
Aus welchen Neonazikreisen und -gruppen die TäterInnen in den Fällen der zerstörten Scheiben des Buchladens und der „Dampfziegelei” jedoch tatsächlich kommen, darüber lässt dich derzeit nur spekulieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Ermittlungen dies schnell klären werden.
Ob denn „etwas geklaut worden“ sei, fragen bestürzte AnwohnerInnen, die sich keinen politischen Hintergrund der Taten vorstellen können, Helene Walter mit Blick auf die zerstörten Scheiben. Nein, antwortet die Mitarbeitern des Ladens. Kurt Tucholsky sagte jedoch schon, dass die literarischen Fähigkeiten der Nazis sich wohl darauf beschränken würden, einem politischen Gegner mit einem Telefonbuch auf den Kopf zu hauen.
* alle Namen redaktionell geändert
Quelle: Der Albrecht – Unabhängige Hochschulzeitung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
19. Mai 2010, JW: Steine gegen Linke
Zunehmende Neonazigewalt in Kiel: Rechte attackieren Buchläden, Wohnpojekte und verprügeln Menschen. Antifaschistische Demo am 3. Juni geplant
Von André Lenthe
Keine vier Monate nach den Schüssen auf das linke Kultur- und Wohnprojekt »Alte Meierei« in Kiel attackierten offensichtlich Neonazis erneut zwei alternative Projekte in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt. Am späten Abend des 9.Mai wurden im Kieler Stadtteil Wik zwei Fensterscheiben eines genossenschaftlichen Wohnprojektes eingeschmissen, nur etwa dreißig Minuten später warf eine Gruppe von Neonazis zum wiederholten Mal die Schaufenster des linken Buchladens Zapata am Jungfernstieg ein.
»Der Schock sitzt den Bewohnern noch tief in den Knochen«, beschreibt Hannes, einer der Bewohner, die aktuelle Situation im Projekt Dampfziegelei am Timmerberg. Besonders entsetzt seien er und seine Mitbewohner darüber, daß die Nazis mit voller Absicht die Fensterscheibe eines Kinderzimmers eingeworfen hätten. In diesem habe ein vierjähriges Mädchen geschlafen, das Fenster des Zimmers ist von innen mit Fingerfarbe bemalt und von außen deutlich als Kinderzimmer erkennbar.
»Glücklicherweise wurde das Mädchen weder durch die Steine noch durch umher fliegende Glassplitter verletzt«, so Hannes. Weitere Steine wurden in eine hell erleuchtete Wohnküche geschleudert, auch hier kam niemand zu Schaden. Erst vor drei Jahren hatte die Genossenschaft die zuvor maroden Gebäude vollständig renoviert und bezogen. Seither leben in den drei Häusern rund zwanzig Erwachsene und vierzehn Kinder. Das Wohnen ist ganz auf ein soziales Miteinander ausgerichtet, gemeinsame Aktionen der Bewohner haben einen hohen Stellenwert. »Wir fühlen uns solidarisch mit den Opfern rechter Gewalt, sind aber kein explizit linkes Wohnprojekt«, sagt Hannes. Trotzdem wurde das Haus in der Vergangenheit bereits zweimal von Neonazis angegriffen. Vermutlich wurde das Ziel schon am Abend des 8. Mai ausspioniert. Gegen 17 Uhr zog eine Gruppe von rund 15 schwarz gekleideten Neonazis an dem Projekt vorbei und versuchte zu provozieren. Sie pirschten sich durch ein nahegelegenes Waldstück an, um dann »nationalistische Kampflieder« singend an dem Wohnhaus vorbeizumarschieren.
Auch der linke Buchladen Zapata in der Kieler Innenstadt wurde bereits mehrfach zum Ziel neofaschistischer Aggression. Sämtliche Schaufenster des kleinen Eckladens wurden erneut durch schwere Steine zerstört, zudem einige Lampen und Bücher in der Auslage beschädigt. Der Schaden ist höher als jemals zuvor. Hier konnten Zeugen die Angreifer allerdings verfolgen und schließlich ein Nummernschild notieren. »Dieses Mal wiegten sie sich zu sehr in Sicherheit« hofft Harald Mücke vom Buchladen. Die relativ frühe Uhrzeit, Zeugen die sofort die Polizei riefen und der bekannte Wagen lassen darauf schließen, so der Buchhändler, daß sie diesmal nicht ungeschoren davonkommen werden.
Polizisten vor Ort ordneten den beobachteten Wagen eindeutig der rechten Szene zu. Erst im Januar wurde der Buchladen von Neonazis vollständig entglast. Öffentlich wurde Geld gesammelt, um das Anbringen von schützenden Rolläden zu ermöglichen. »Das Geld ist jetzt da und die Rollläden werden demnächst montiert«, freut sich Harald Mücke. In den letzten Tagen habe er viel Solidarität erlebt, erklärt er.
Den Angriffen ging ein ziemlich frustrierendes Wochenende für die Neonazis voraus. Zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof unter dem Motto: »8.Mai – Wir feiern nicht« kamen lediglich 17 Neonazis, darunter NPD-Landeschef Jens Lüttke. Aufgrund des antifaschistischen Protestes ging die geschichtsverdrehende Kundgebung völlig im Lärm der Gegenaktionen unter. Nach nur einer Stunde beendeten die Nazis den Spuk an der Bahnhofsmauer und zogen in kleinen Gruppen unter anderem zum Stadion des Fußballvereins Holstein Kiel. Dort versuchten sie abermals, ihre Flugblätter zu verteilen, wurden aber schließlich von engagierten Fußballfans verjagt. Die Polizei stellte die Personalien der beteiligten Neonazis fest und verfolgte diese auf ihrem weiteren Weg durch die Stadt. Ansonsten möchte man sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht zu den Aktionen der Rechten äußern. Man führe die Ermittlungen mit Hochdruck, sagt ein Polizeisprecher auf jW-Nachfrage.
Wie genau die Projekte auf die Angriffe reagieren, wird noch diskutiert. Zunächst sind sie maßgeblich an der Vorbereitung einer Demonstration gegen Neonazigewalt beteiligt, die für den 3. Juni geplant ist. Anlaß ist der Beginn des Prozesses gegen den Nazischläger Christopher R., der im April letzten Jahres einen Menschen lebensgefährlich verletzte. Das Opfer kann aufgrund bleibender Schäden wie Taubheit auf einem Ohr seinen Beruf als Tänzer nicht weiter ausüben. Christopher R. ist Mitglied der »Aktionsgruppe Kiel«, die schon früher als extrem gewaltbereit aufgefallen ist und die im Internet zur »deutschen Intifada« aufrufen.
Quelle: jungewelt.de
14. Mai 2010, TAZ: Immer öfter beschädigen Kieler Neonazis alternative Zentren
Nazis werden mutiger
In der Nacht des 9. Mai haben Unbekannte die Fensterscheiben des Wohnprojekts Dampfziegelei in Kiel-Wiek eingeschmissen. Drei Steine flogen dabei in ein Kinderzimmer, in dem ein vierjähriges Mädchen schlief. "Glücklicherweise wurde das Mädchen durch die Steine oder Glassplitter nicht verletzt", sagt Petra Hamann von dem Wohnprojekt.
In den vergangenen Monaten wurde die Dampfziegelei immer wieder von Neonazis angegriffen. Mehrmals bedrohten sie Bewohner und Gäste, Scheiben gingen zu Bruch. Am Abend vor dem Angriff am 9. Mai zogen rund 15 schwarz gekleidete Neonazis an dem Haus vorbei. "Die sangen nationalistische Kampflieder", berichtet Hamann.
In der gleichen Nacht schmissen in Kiel Neonazis außerdem die Scheiben des Buchladens "Zapata" ein. "Die Entwicklung zeigt, dass die Nazis mit immer stärkerem Gewaltpotenzial vorgehen", sagt Harald Mücke vom Buchladen. Bereits im Januar hätten Unbekannte demnach auf das alternative Zentrum "Alte Meierei" geschossen. Für Petra Hamann ist nicht nachvollziehbar, dass "der Polizei zwar der Täterkreis gut bekannt ist, die Ermittlungen aber bislang keinen Erfolg hatten".
"Die Ermittlungen laufen", sagt hingegen ein Polizeisprecher. Auch neonazistische Schmierereien werden derzeit untersucht. So haben Beamte eine Gruppe von jungen Rechten erwischt. "Die Aktivitäten sind im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen", sagt der Sprecher. Allerdings seien sie 2009 schon sehr hoch gewesen, räumt er ein.
Der Mitarbeiter des beschädigten Buchladens, Harald Mücke, wünscht sich hingegen mehr Engagement. "Im Rat der Stadt wird immer noch von Bandenkriegen zwischen Links und Rechts gesprochen", sagt er. Weil der Polizei allerdings das Kennzeichen eines Täterwagens mitgeteilt werden konnte, hofft Mücke diesmal auf einen Ermittlungserfolg.
Quelle: TAZ Nord
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12. Mai 2010, KN: Steine flogen gegen Dampfziegelei
Kiel – Bislang unbekannte Täter haben am Sonntag Steine auf das Wohnprojekt Dampfziegelei in Kiel-Wik geworfen. Dabei seien fünf Scheiben zersplittert, bestätigte die Polizei am Mittwoch eine Mitteilung des Projekts.
Nach Angaben der Bewohner seien gegen 23 Uhr drei Steine in das Fenster eines Kinderzimmers geworfen worden und drei weitere in die hellerleuchteten Scheiben einer Wohnküche. Während die Bewohner "die Vorfälle im direkten Zusammenhang mit wachsenden Übergriffen und Provokationen durch Neonazis" sehen, gibt sich die Polizei zurückhaltender. Aus welcher politischen Richtung der Anschlag komme, müssten die Ermittlungen zeigen. Eine Strafanzeige liege vor.
Quelle: KN-Online
15. März 2010, LANDESZEITUNG: 1300 Menschen demonstrieren gegen rechte Gewalt
KIEL Rund 1300 Menschen beteiligten sich am Sonnabend an einer demonstration durch die Kieler Innenstadt, um gegen die Zunahme rechter Gewalt zu protestieren. Anlass waren scharfe Schüsse auf das linke Kultur- und Wohnprojekt "Alte Meierei" am 20.Januar sowie zahlreiche Angriffe von Neonazis auf linke und alternative Einrichtungen in Kiel. So wurden mehrfach die Schaufensterscheiben des alternativen Buchladens Zapata im Jungfernstieg eingeworfen und 36 Bewohnereines genossenschaftlichen Wohnprojektes in Kiel-Wik durch Bedrohungen von teilweise bewaffneten Rechten unter Druck gesetzt. Kiel gilt neben Neumünster als eine der Hochburgen der Naziszene in Schleswig-Holstein. Im Umfeld der Demonstration wurden fünf Personen des rechten Spektrums festgenommen. Zwei Personen des linken Lagers wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. sh:z
Quelle: Schleswig-Holsteinische Landeszeitung vom 15.3.2010
15. März 2010, TAZ: 1.300 bei Demo gegen Rechts
Zufrieden haben sich die VeranstalterInnen mit der Demonstration "You’ll never walk alone!" in Kiel gezeigt: Gut 1.300 TeilnehmerInnen waren nach übereinstimmenden Angaben des Vorbereitungskreises sowie der Polizei am Samstagnachmittag durch die Landeshauptstadt gezogen. RednerInnen erklärten sich solidarisch mit mehreren linken Projekten, die in den vergangenen Monaten Ziele mutmaßlich neonazistischer Übergriffe geworden waren. Die Polizei sprach von einem friedlichen Verlauf der Demo. Am Rande seien fünf Angehörige "des rechten Spektrums" sowie zwei des "linken Lagers" zeitweise in Gewahrsam genommen worden. (taz)
Quelle: TAZ Nord
14. März 2010, KN: 1300 Menschen demonstrierten gegen rechtsextreme Gewalt
1300 vorwiegend junge Menschen zogen durch die Innenstadt.
Kiel – Fünf Personen aus dem rechten Spektrum haben Polizisten am Sonnabend im Umfeld der Demonstration „You’ll never walk alone! Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt. Nazistrukturen in Kiel und anderenorts zerschlagen“ festgenommen. Damit wollten die Beamten jegliche Provokation bzw. ein Aufeinandertreffen der ungleich großen Gruppen unterbinden.
Etwa 1300 Menschen aus Kiel, Hamburg sowie anderen Städten Schleswig-Holsteins hatten sich gegen 14 Uhr am Bahnhof getroffen und waren durch die Innenstadt gezogen. Anlass der Demonstration waren scharfe Schüsse auf das linke Kultur- und Wohnprojekt Alte Meierei am 20. Januar, die nach Veranstalterangaben von den „Rechten“ abgefeuert worden waren. Weiter heißt es in einer Pressemitteilung der Alten Meierei, dass es in den vergangenen Jahren gehäuft zu faschistischen Angriffen gekommen sei. So unter anderem auch vor wenigen Wochen auf den Buchladen Zapata am Jungfernstieg. Bei verschiedenen Kundgebungen wurde in Redebeiträgen immer wieder die Notwendigkeit breiter antifaschistischer Gegenwehr betont und zur Verteidigung und Schaffung grenzenloser linker Gegenkultur wie in der Alten Meierei aufgerufen.
Etwa 300 Polizisten hatten die Veranstaltung gesichert. Neben den „Rechten“ nahmen die Beamten zwei Personen des linken Lagers „aus gefahrenabwehrenden Gründen vorübergehen in Gewahrsam“, sagte ein Polizeisprecher. Ohne weitere nennenswerte Störungen endete die Veranstaltung gegen 17.30 Uhr.
Quelle: KN-Online
13. März 2010, POLIZEIPRESSE: Kiel: Demonstration verläuft ohne große Vorkommnisse
Kiel (ots) – Samstagnachmittag fand in der Landeshauptstadt eine Versammlung unter freien Himmel mit rund 1.300 Personen statt. Die teilnehmenden Bürger, unter anderem aus der Antifa-Bewegung, verhielten sich während der Versammlung und den Zwischenkundgebungen friedlich. Die Polizei stellte auch im Umfeld der Versammlung keine nennenswerten Störungen fest, sieben Personen nahmen die Einsatzkräfte in Gewahrsam.
Gegen 14.30 Uhr setzte sich der Aufzug vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Asmus-Bremer-Platz in Bewegung. Die dort durchgeführte Zwischenkundgebung sowie die weiteren Kundgebungen im Jungfernstieg und in der Ringstraße verliefen ohne Störungen. Gegen 17.30 Uhr löste sich die Versammlung auf. Im Umfeld nahmen die Polizeieinsatzkräfte fünf Personen des rechten Spektrums in Gewahrsam. Sie wurden dem Bereitschaftsrichter zugeführt, der die weitere Gewahrsamnahme derzeit überprüft.Zwei Personen des linken Lagers sind aus gefahrenabwehrenden Gründen vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. Jürgen Börner
Quelle: Polizeipresse
13. März 2010, TAZ: Ein Zeichen gegen die Bedrohung
PROTEST Linke Organisationen rufen in Kiel zur Demonstration gegen rechte Übergriffe auf
Menschen werden angegriffen, Fenster eingeschmissen, auf linke Wohnprojekte Schüsse abgegeben: Offene Gewalt in Kiel, hinter der die örtliche rechtsextreme Szene stecken dürfte. "You’ll never walk alone!" haben sich gut 100 politische und kulturelle Organisationen auf ihre Fahnen geschrieben, wenn sie an diesem Samstag in der Landeshauptstadt demonstrieren: "Wir wollen deutlich machen, dass wir als Betroffene der Naziangriffe und als solidarische Antifaschisten zusammen stehen", sagt Mark Schröder vom Vorbereitungskreis.
Der jüngste Übergriff ereignete sich am 18. Februar: Nicht zum ersten Mal gingen die Schaufensterscheiben des Buchladens "Zapata" zu Bruch, sie wurden "mit Betonplatten eingeworfen", wie die Betreiber selbst erklären. Am 20. Januar hatten Unbekannte auf ein erleuchtetes Fenster des Wohnprojektes "Alte Meierei" geschossen. Ein Bewohner sagte danach der taz, der Angriff markiere eine "neue Qualität": "Wir gehen davon aus dass Nazis die Tat verübten." Solche schlugen im April 2009 ein Mitglied der örtlichen Ballett-Kompanie zusammen und verletzten ihn schwer. Er war zufällig auf die Gruppe gestoßen, die eine Antifa-Aktion angreifen wollte.
Neben der NPD hat sich in den vergangen zwei Jahren eine "Aktionsgruppe Kiel" etabliert. Diese hatte das vergangene Jahr zum "Kampfjahr" erklärt und rühmt sich nun im "Weltnetz" der eigenen Aktionen: "Unmittelbar in der Nähe der ,Alten Meierei‘ wollten wohl einige Kameraden ,mitfeiern‘ und somit wurde mit einer größeren Gruppe der Alertas (Antifa) ordentlich angestoßen, woraufhin es auf Seiten der Roten wohl zu einigen ,blackouts‘ kam." Mehr schreibe man nicht, um den Behörden nicht "in die Hände" zu spielen.
Die VeranstalterInnen der Demo (Samstag, 14 Uhr, Hauptbahnhof) wenden sich auch gegen das Kleinreden der rechten Bedrohung durch Behörden und Medien: Was in Kiel laufe, so Mark Schröder, sei eben kein "unpolitischer Bandenkrieg". AS
Quelle: TAZ.DE
12. März 2010, BJÖRN THOROE, Landtagsabgeordneter der Partei DIE LINKE: Erklärung zur morgigen Demonstration gegen Nazigewalt in Kiel: DIE LINKE ruft zur Demonstration gegen Nazigewalt morgen um 14 Uhr am Hauptbahnhof auf!
Neofaschistische Umtriebe in Schleswig-Holstein sind eine traurige Realität und haben mit zwei Schüssen, die am 20. Januar auf ein beleuchtetes Fenster im alternativen Wohnprojekt „Alte Meierei“ abgefeuert wurden, einen neuen Höhepunkt erreicht. Diese Aktion zeigt, dass die militante Neonaziszene selbst vor gezielten Mordanschlägen nicht zurückschreckt. Andere Treffpunkte linker Menschen, wie die T-Stube in Rendsburg auf die im letzten Jahr ein Brandanschlag verübt wurde, das alternative Jugendzentrum (AJZ) in
Neumünster, das soziale Zentrum in Norderstedt, die Arbeitslosen-Initiative, die Hansastraße 48 und der Buchladen Zapata (alle Kiel) sind immer wieder mit Angriffen von Neonazis konfrontiert. Auch Büros der LINKEN gehören zu den Zielen von Faschist_innen; zuletzt das Büro in Schleswig, in dem in der Nacht nach der blockierten Neonazidemo in Dresden am 13.2. die Fensterscheiben zerstört wurden.
Unsere Solidarität gehört allen, die Opfer rechter Gewalttaten wurden! Wir sind aufgefordert durch Aufmerksamkeit und Zivilcourage im Alltag den Faschist_innen, der Politik und der gesamten Bevölkerung zu zeigen, dass wir die vom Hass gegen Andersdenkende oder Andersaussehende geprägte Ideologie des Faschismus niemals und nirgendwo akzeptieren werden. Wichtig ist, deutlich zu machen, dass uns alle Menschen gleich viel wert sind. Sammelunterkünfte für Flüchtlinge, die hier Schutz suchen oder der Abschiebe-
knast in Rendsburg werden von der LINKEN abgelehnt. Die deutsche Sozialgesetzgebung, die zwischen AsylbewerberInnen und anderen Menschen unterscheidet, ist von einem Alltagsrassismus geprägt, den wir nicht akzeptieren dürfen. Er ist einer der Nährböden für faschistische Ideologie.
In die politische Debatte um „Extremismus“ geht DIE LINKE mit einem klaren Standpunkt und weist alle unsäglichen Versuche Rechtsextremismus mit Linksradikalismus gleichsetzen zu wollen, scharf zurück. Die von schwarz-gelb auf Bundes- und Landesebene angestrebten Kürzungen bei Programmen gegen Rechtsextremismus und die gleichzeitige Ankündigung Programme gegen Linksradikalismus stärker zu finanzieren sind eine Verhöhnung der 139 Menschen, die von Neonazis seit 1990 ermordet worden sind.
Unsere Forderungen im Kampf gegen den Faschismus sind u.a.:
– Das Verbot von allen neofaschistischen Organisationen und Aufmärschen!
– Programme gegen Rechtsextremismus ausbauen!
– Finanzielle Hilfen für Opfer rechter Gewalt!
– Alle verharmlosenden Gleichsetzungsversuche von links und rechts einstellen!
– Alle Menschen gleichwertig behandeln!
Quelle: Presseticker SH Landtag
12. März 2010, LUISE AMTSBERG, Landtagsabgeordnete der Partei Bündnis 90/Die Grünen: Zur Demonstration gegen rechte Gewalt am 13.03.2010: Was muss noch alles passieren, Herr Schlie?
Zur morgigen Demo gegen Rechtsextremismus und für die Solidarität gegen über der „Alten Meierei“ in Kiel erklärt die Sprecherin gegen Rechtsextremismus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Luise Amtsberg:
In den vergangenen Monaten mehren sich in Schleswig-Holstein rechten Übergriffe auf alternative und antifaschistische Einrichtungen, wie zum Beispiel auf das alternative Jugendzentrum in Neumünster, die „T-Stube“ in Rendsburg, „Hansa 48“ oder den Buchladen „Zapata“ in Kiel.
Die in der Nacht vom 20. Januar auf das Wohn- und Kulturprojekt des linken Zentrums „Alte Meierei“ abgefeuerten Schüsse zeigen, dass dem Grad an Gewalt noch keine Grenzen gesetzt sind!
Das Gleichsetzen und das gegeneinander Ausspielen von linkem und rechtem Extremismus durch Innenminister Schlie ist vor diesem Hintergrund einfach unerträglich und führt zu keiner Lösung. Statt alles in einen Topf zu werfen und ideologisierte Debatten zu führen, sollte Minister Schlie seine Zeit lieber auf vernünftige und wirkungsstarke Handlungskonzepte verwenden. Im Bereich der Bekämpfung von rechter Gewalt dürfen keine Gelder eingespart oder auf andere Formen des Extremismus umverteilt werden.
Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere Demokratie.
Die Grüne Landtagsfraktion würdigt das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts und ruft dazu auf, sich der morgigen Demonstration in Kiel anzuschließen.
Quelle: Presseticker SH Landtag
11. März 2010, HOLSTEIN-BLOCK: Spielausfall Dresden – Kiel gegen rechte Gewalt
Dann eben demonstrieren …!
Ärgerlich: Auch das Heimspiel gegen Dresden wurde – für manche überraschend – wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt. Die Polizei wird es indes wohl eher freuen, muss man sich dann nicht um zwei zeitgleiche Großveranstaltungen im Umfeld der Kieler City kümmern. Denn die Terminwahl der Veranstalter und Veranstalterinnen der Demo gegen rechte Gewalt, die zeitgleich angesetzt wurde, hätte wohl nicht bekloppter sein können. Oder war etwa der Spielplan von Pauli relevanter (Sonntag gegen Oberhausen)?
Sei es drum: Dann also nicht Lokalpatriotismus leben in Form eines Fußballspiels des Local Teams, sondern mittels Teilnahme an einer Anti-Nazi-Demo. Anlass sind Anschläge auf Kieler Kulturzentren, Wohnprojekte und einen alteingessenen Buchladen im Jungfernstieg, derer sich die örtliche Naziszene teils unverhohlen brüstet. Zuletzt auch scharfe Schüsse auf die Alte Meierei. Da eine angemessene Berichterstattung über diese Vorfälle praktisch nicht stattgefunden hat (die KN sollten sich schämen!!!), ist es umso wichtiger, dass möglichst viele Kielerinnen und Kieler zeigen, dass die Opfer rechter Gewalt ihre Solidarität genießen. Und bitte nicht nur die "üblichen Verdächtigen"!
holstein-block.de unterstützt den Demo-Aufruf diverser Uni-Gruppen:
Solidarität mit den Betroffenen von Nazigewalt Demonstration am 13.03.2010, 14 Kiel HBF.
Quelle: holstein-block.de
10. März 2010, JW: Rechte außer Kontrolle
Nach Angriff auf linkes Zentrum in Kiel: Antifademo am Samstag
Von André Lenthe
Im Visier der Neonazis: die alte Meierei in Kiel
Unter dem Motto »You’ll never walk alone!« ruft die Antifaschistische Koordination Kiel für das kommende Wochenende in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins zu einer antifaschistischen Demonstration auf. »Es geht uns darum, Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt zu demonstrieren«, sagt ein Sprecher der Antifa Kiel im Gespräch mit jW. Das Veranstaltungszentrum habe einen hohen symbolischen und politischen Wert für die Linke in Kiel. Dort vernetzen und treffen sich politische Aktivisten und hätten unkonventionelle Subkulturen ein Zuhause.
Wie berichtet, hatten Unbekannte in der Nacht zum 20. Januar mit einer scharfen Waffe zweimal auf das einzig beleuchtete Zimmer des Wohnprojekts geschossen. Nur dem Zufall sei es zu verdanken, daß niemand verletzt oder ernstlich zu Schaden gekommen ist. Knapp drei Wochen später wurden beim linken Buchladen Zapata die Schaufenster mit Betonplatten eingeworfen. Neofaschistische Übergriffe sind in Kiel nichts Neues. Erst im September des vergangenen Jahres überfielen Neonazis eine Gruppe von Antifaschisten und schlugen sie teilweise krankenhausreif. »Die Alte Meierei wird dabei stellvertretend angegriffen für eine linke Politik, die sich mit den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen ebenso wenig abfinden will, wie mit der Existenz einer menschenverachtenden Politikinhalte propagierenden Naziszene in Kiel und andernorts«, heißt es im Demoaufruf.
Den Schüssen auf die Alte Meierei sei eine Vielzahl von Versuchen vorausgegangen, die Bewohner und Nutzer des Veranstaltungszentrums einzuschüchtern, sie zu bedrohen und zu gefährden. Lange habe man überlegt, wie der faschistischen Gewalt auf Kiels Straßen entgegenzutreten sei, und schließlich habe man sich zur einer großen Demonstration entschlossen, so ein Sprecher der Antifa. »Es geht darum, Öffentlichkeit über die Szene hinaus herzustellen, nur so gibt es einen dauerhaften Schutz vor faschistischen Angriffen«, sagt eine Bewohnerin des Wohnprojektes. Mittlerweile unterstützen mehr als 80 Gruppen aus ganz Europa den Aufruf der Kieler Antifaschisten.
Auf die Unterstützung der örtlichen Medien, der kommunalen Politik und der lokalen Polizei will man sich dabei nicht verlassen. Sie verharmlosten in der Vergangenheit immer wieder die Aktivitäten der Neonazis oder verschwiegen diese einfach. Da wird schnell mal der Neonaziangriff auf den Kinderladen eines alternativen Wohnprojekts, bei dem abermals Scheiben zu Bruch gingen, zum Teil eines »unpolitischen Bandenkrieges.«
Eine Tatsache, die den Neonazis in die Hände spielt. In den vergangenen zwei Jahren konnte sich neben der NPD noch eine weitere Gruppierung in Kiel etablieren. Anfang 2008 gründete sich im Fahrwasser des bundesweiten Trends der »Autonomen Nationalisten« die sogenannte Aktionsgruppe Kiel. Diese Truppe versucht seither, durch Aktionen eine lebhafte neonazistische Bewegung in Kiel zu inszenieren. Mitglieder der Gruppe nahmen an verschiedenen Neonaziaufmärschen in Norddeutschland teil und sind auch immer wieder an den Angriffen auf vermeintliche oder tatsächliche Antifaschisten in Kiel und Neumünster beteiligt. Man wolle Kiel zur Frontstadt machen, tönt die Gruppe auf Ihrer »Weltnetzseite«, eigene politische Akzente sucht man bei der »AG Kiel« allerdings vergeblich. Diese überläßt man lieber den alten Kräften aus der NPD zu der offensichtlich enge personelle Kontakte bestehen. Im Wahlkampf 2008 und 2009 unterstützten Mitglieder der »AG Kiel« die örtliche NPD beim Wahlkampf, indem sie Flugblätter verteilten und Plakate aufhängten.
Demonstration: Samstag, den 13.März 2010 um 14 Uhr am Hauptbahnhof Kiel. Weiter Informationen: www.antifa-kiel.org
Quelle: jungewelt.de
27. Januar 2010, JW: Linkes Zentrum unter Beschuß
Kiel. In der Nacht zum 20. Januar feuerten bislang unbekannte Täter zwei Schüsse auf das Wohnprojekt des linken Zentrums »Alte Meierei« in Kiel ab. Die Kugeln einer scharfen Schußwaffe durchschlugen die Scheibe des hell erleuchteten Gemeinschaftszimmers und blieben in der Decke stecken.
»Eine Person, die sich im Raum befand, wurde glücklicherweise nicht verletzt«, heißt es in einer Erklärung der Bewohner. Die Polizei ermittelt. Die »Alte Meierei« sei als linkes Wohn- und Kulturprojekt ein zentraler und bekannter Ort für antifaschistische und emanzipatorische Politik in der Landeshauptstadt.
In Kiel kam es in den vergangenen zwei Jahren immer wieder zu Attacken gegen Migranten und Linke durch Neonazis. Das auch dieser Anschlag auf das Konto der Rechten geht, ist sehr wahrscheinlich. »Der jüngste Angriff ist ein weiteres Beispiel dafür, daß antifaschistische Arbeit und Solidarität mit den Betroffenen eine Notwendigkeit bleibt«, schließt die Erklärung der Bewohner. (al)
Quelle: jungewelt.de
23. Januar 2010, TAZ: Schüsse in der Nacht
ALTE MEIEREI Nach Anschlag auf alternatives Zentrum ermittelt die Polizei. Bewohner haben keine Angst
Die Projektile schlugen in die Decke des Gemeinschaftszimmers ein: Mindestens zwei Schüsse sind in der Nacht zu Mittwoch auf das alternative Wohn- und Kulturprojekt "Alte Meierei" in Kiel abgegeben worden. Verletzt wurde niemand. Ein Bewohner sprach am Freitag von einer "neuen Qualität von Angriffen auf linke Projekte in der Stadt". Die Polizei ermittelt.
Die gut zehn Bewohner des Projekts, das neben Konzerten und Lesungen auch ein Antifa-Café veranstaltet, gehen davon aus, dass "die Tat von Neonazis" verübt wurde. Informiert hatten die Bewohner Polizei und Presse erst am Mittwochabend. "Wir mussten überlegen, wie wir mit dem Angriff umgehen sollen", erklärt der Bewohner. "Die Ermittlungen laufen", sagt Polizeisprecher Jürgen Börner. "Einen politischen Hintergrund schließen wir nicht aus." Allerdings sei es "nun noch schwerer, Zeugen zu finden", so Börner mit Blick auf die verspätete Meldung des Vorfalls. Seit Jahren schon ist in der Landeshauptstadt die neonazistische "Aktionsgruppe Kiel" aktiv. Dass es eine gewaltbereite rechte Szene gibt, räumt auch der Verfassungsschutz ein.
Ziel eines Neonazi-Angriffs wurde die "Meierei" bereits im September 2009: Mit Schlagstöcken und Gaspistole bewaffnet, griffen Rechte die Besucher einer Antifa-Party an, ein Opfer musste ins Krankenhaus. Einige Wochen zuvor war das Wohnprojekt "Dampfziegelei" Ziel von Steinwürfen – nicht zum ersten Mal.
Die Bewohner der "Meierei" wollen sich nicht einschüchtern lassen: "Hier werden jetzt keine Stahlplatten vor den Fenstern angebracht." Partys, Cafés und Lesungen fänden wie geplant statt. AS
Quelle: taz.de
22. Januar 2010, FSK: Anschlag mit Schusswaffe auf das Wohnprojekt Alte Meierei in Kiel
Die Serie von Nazi Anschlägen in Kiel erreicht eine weitere Eskalationsstufe. Radio-Korrespondenz.
Quelle: www.freie-radios.net
22. Januar 2010, MOPO: Scharfe Schüsse auf linkes Wohnprojekt
KIEL Unbekannte haben in der Nacht zum Mittwoch auf das linksalternative Wohnprojekt "Alte Meierei" in Kiel-Gaarden geschossen. Die Projektile durchschlugen eine Fensterscheibe und blieben in der Decke eines Raumes stecken. Das für politisch motivierte Straftaten zuständige Kommissariat 5 der Kieler Polizei hat die Ermittlungen übernommen. Die Beamten (Tel. 0431-3333) brauchen Zeugenhinweise.
Quelle: Hamburger Morgenpost
21. Januar 2010, WELT: Schüsse auf Wohnprojekt in Kiel – unbekannte Täter
Kiel (dpa/lno) – Unbekannte Täter haben in der Nacht zum Mittwoch zwei Schüsse auf ein alternatives Wohnprojekt in Kiel («Alte Meierei») abgegeben. Verletzt wurde aber niemand, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Die Kugeln durchschlugen eine Fensterscheibe und blieben in der Decke stecken. Die Bewohner hätten erst Mittwochabend die Polizei alarmiert, sagte der Sprecher. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen wegen des Verdachtes der gefährlichen Körperverletzung sowie der Sachbeschädigung übernommen. Eine politisch motivierte Tat werde ausgeschlossen. Von den Tätern gibt es noch keine Spur.
Quelle: Welt-Online
21. Januar 2010, KN: Polizei ermittelt wegen Schüssen auf die "Alte Meierei" in Kiel
Kiel – In der Nacht zum Mittwoch haben bisher unbekannte Täter zwei Schüsse auf das Gebäude der so genannten "Alten Meierei" im Stadtteil Gaarden Süd/Kronsburg, abgegeben. Es entstand Sachschaden, verletzt wurde niemand.
Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, hatten Bewohner des alternativen Wohnprojektes im Hornheimer Weg die Polizei am Mittwochabend um 18 Uhr benachrichtigt und mitgeteilt, dass in der Nacht zuvor um zwei Uhr zwei Schüsse auf das Gebäude der "Alten Meierei" abgegeben worden waren. Beamte des 3.Polizeireviers sowie des Kriminaldauerdienstes suchten anschließend den Tatort auf. Sie führten erste Befragungen der Zeugen durch und sicherten die noch vorhandenen Spuren.
Das Kommissariat 5 der Bezirkskriminalinspektion Kiel hat als zuständige Dienststelle für politisch motivierte Straftaten die Ermittlungen wegen des vorliegenden Verdachtes der gefährlichen
Körperverletzung sowie der Sachbeschädigung übernommen. Nach jetzigem Kenntnisstand wurden von bisher unbekannten Tätern zwei Schüsse auf das Gebäude abgegeben. Die Projektile durchschlugen eine Fensterscheibe und blieben in der Decke des Raumes stecken, anwesende Personen kamen nicht zu Schaden.
Wer zum Tatzeitpunkt Mittwochnacht um 2 Uhr im Bereich des Hornheimer Weges verdächtige Beobachtungen gemacht hat oder Hinweise zu der Schussabgabe oder den Tätern geben kann, sollte sich bei der Kriminalpolizei unter der Rufnummer 0431/ 160 3333 melden.
Quelle: KN-Online
» Älterer Pressespiegel zu Naziaktivitäten in Kiel