"Wir leben in Zeiten der Erneuerung von Musik in catalan"
Heute sind sie die Gruppe mit der größten Zugkraft in der katalonischen Musikszene. Mit ihrer neuen Live-CD "En Moviment" ("in Bewegung", Anm.d.Ü.) beendeten sie eine Etappe voller Arbeit. DIAGONAL spricht mit ihrem Sänger, Xavi, über die Band, seine Vision von Musik und die Situation in Valencia.
Arturo Ochoa.
Im kämpferischen katalanischen Musik-Panorama geben sie mit mehr als 80 Konzerten im vergangenen Jahr den Ton an. Daran zeigt sich auch ihre Lebendigkeit:
"Unsere Intention war uns ein paar Monate auszuruhen. Aber wir haben uns auf eine neue Tour eingelassen mit neuen Zielen, die "Internacionalista Tour 2006", die uns zum ersten Mal nach Südamerika führt und in einen großen Teil Osteuropas, genau wie auch nach Deutschland, Frankreich oder in die Schweiz. Die Welt zu durchqueren, unsere Musik und unsere Messages zu verbreiten, ist eine große Herausforderung und gleichzeitig eine große Verlockung".
Manche werden sich fragen, was für einen Empfang eine Gruppe, die auf catalan singt, in Gegenden erhalten könnte, wo diese Sprache nicht gesprochen wird.
"Wir sind sehr zufrieden damit, wie wir außerhalb Kataloniens aufgenommen werden. Es existiert das Vorurteil, dass Musik, die auf catalan gemacht wurde, nur für catalan-sprechende sei. Damit müssen wir abschließen. Unsere Musik und unsere Texte sprechen über universale, internationalistische Probleme und Gefühle. Die Bedingungen sind in jedem Land unterschiedlich, aber die Wurzeln der Probleme sind die gleichen. Die Erfahrung in Marokko, in den Bergen vom Rif, war wahnsinnig, wir spielten vor 2000 Personen und tanzten zum Schluss alle zusammen. Und das, wo in Marokko bis vor kurzem jede Art von öffentlichem Feiern verboten war."
Man muss bedenken, dass sie alles, was sie erreicht haben, auf eigene Faust gewonnen haben:"Wir begannen als Freunde und sind es immer noch. Wir sind mehr als zehn Jahre zusammen, seit wir 16 waren, und versuchen Wege freizumachen und unsere Musik und unsere Message zu verbreiten. Wir haben immer mit dem Vertrieb "Propaganda Pel Fet" zusammengearbeitet, weil wir an unsere Positionen glauben. Wir hätten niemals geglaubt, dass wir so weit kommen würden."
Und das heißt auch, dass das vergangene Jahr damit endete, dass "En Moviment" auf der Liste der AFYVE (Asociación Fonográfica y Videográfica Española) über mehrere Wochen als eine der meist verkauften DVDs (in Spanien, Anm. d.Ü.)geführt wurde. "Das hat uns völlig überrascht. Es ist schon merkwürdig, dass eine Gruppe aus Valencia, die auf catalan singt und mit einem unabhängigen Plattenvertrieb arbeitet, der in den sozialen Bewegungen verankert ist, in dieser Liste auftaucht. Es war der Beweis, dass man wachsen kann, ohne etwas aufzugeben, und viele Menschen erreichen kann. Das war immer unser Ziel."
Fangen sie also jetzt an, sich um Musikpiraterie zu sorgen, wie alle, die auf diesen Listen erscheinen?
"Nein, das besorgt uns nicht. Im Gegenteil, es hilft uns, viel mehr Menschen zu erreichen als vorher. Es ist ein Problem für die unabhängigen und kleinen Plattenvertriebe wie Propaganda Pel Fet, oder zum Beispiel den baskischen "Metak", der nach so vielen Jahren Arbeit die Vorhänge schließen musste. Man muss sich neu strukturieren und an die Zeiten anpassen, neue Formen des Vertriebs und der Agitation finden. Aber man muss immer die Leute unterstützen, die von unten arbeiten."
Nach der jüngsten Auflösung der bezüglich des catalan engagiertesten Gruppen wie Inadaptats oder Brams bleibt das Gefühl, dass Obrint Pas allein zurück bleiben. Oder nicht?
"Wir leben in Zeiten der Veränderung und des Neuaufbaus der Musik auf catalan. Brams und Inadaptats waren Gruppen, die viele Jahre existierten, so wie auch KOP, die wir immer im Sinn behalten werden. Wir kannten sie, als wir noch klein waren, und haben uns von ihnen beeinflussen lassen. Heute ist das musikalische Panorama in Katalonien nichts desto trotz viel stärker und verschiedenartiger als in der 90ern. Es werden viele neue Bands gegründet, die alle nur erdenklichen Stile pflegen, die z.B. mit populärer und elektronischer Musik experimentieren. Es gibt viel mehr Begeisterungsfähigkeit auf den Konzerten."
Bezüglich Xavi’s schneller Analyse der aktuellen Situation in Valencia glauben wir, dass sie sich noch eine Weile halten werden, dass es viele Motive gibt weiterzusingen:
"Wir haben 12 Jahre die absolute Mehrheit der PP (Partido Popular, ultrrechte postfranquistische spanische Partei) ertragen, mit Leuten wie Zaplana, der mit der Koruption von Benidorm in die Politik aufgestiegen ist. Wir haben das faschistischste Fernsehen des Staates. Wir leben in einer Epoche der Spekulation, die das Land zerstört und die zulässt, dass in einem Jahr 60 neue Golfplätze geplant werden. Die PP und PSOE (spanische sozialdemokratische Partei) haben paktier, um ein Zweiparteiensystem mit einem skandalösen Statut zu konsolidieren. Die Faschisten, die die PP ernährt hat, haben Zeitungen, Fernsehanstalten und Sicherheitsfirmen, die bei der katalonischen Regierung unter Vertrag stehen. Die Kirche bringt Aufrufe heraus, in denen sie zur Gewalt gegen Frauen ohne irgendeinen offiziellen Verweis aufruft.
Das Feuer des Anticatalanismus und der Hass gegen ImmigrantInnen vermischen sich, linke Buchläden und Orte werden mit völliger Straflosigkeit angegriffen. Und trotzdem heißt es, hier passiert nichts. Das Schweigen und die Gewinne regieren."
DIAGONAL, April 2006