Review von Philipp (Dremufuestias.)
Wer nun eigentlich damit angefangen hat, extreme Musik in nahezu völliger Dunkelheit live zu präsentieren, ist wohl nicht mehr nachzuvollziehen. Bei Veranstaltungen der INFERNAL CRUST BRIGADE rechnen die Besucher*innen seit Jahren mit nahezu kompletter Dunkelheit. Als Pioniere des „Weniger Licht“-Black Metal-Infernos gelten aber sicherlich die Franzosen CELESTE. Da steigt die Spannung und die Vorfreude auf ein massives Konzert, zumal im Vorprogramm sozusagen als Stirnlampenpolierer mit NO SUN RISES und OPAQUE zwei weitere Schwergewichte mit am Start sind.
Konsequenterweise kommen viele Leute. Und es sind frische Gesichter mit dabei, auch in der Konzertgruppe oder zumindest hinterm Tresen etc. Finde ich super! Den Anfang von OPAQUE verpasse ich allerdings, obwohl ich mein Fahrrad bereits um 21:15 Uhr anner Meierei vertäue. Immer diese Hektik. Zum Glück handelt es sich nur um fünf Minuten, die an mir vorbeigedonnert sind. Imposant klingt die Band schon von der anderen Straßenseite… Der Flyer kündigt Dark HC/Sludge als Stil an, wobei ich unbedingt Doom als wesentlichen Bestandteil ihres Sounds ergänzen würde. Immer wieder braten zähe Lava-Passagen aus der Anlage. Einen Hinhorchpart kreieren OPAQUE, als das Schlagzeug erst komplett aussetzt, einer der Gitarristen mit einem HAWKWIND-artigen Schratriff beginnt, in welches dann alsbald der zweite Klampfer kontrastierend einsteigt, was minutenlang so durchgezogen wird, bis auch der Schlagzeuger wieder zum Leben erwacht und zunächst die Schlussakkorde betont. Sehr geil.
Schneller gehen NO SUN RISES zu Werke. Hier ist bei vielen Songs gar ein D-Beat auszumachen, der die Black-Metal-Attacke vehement nach vorne wirft. Insgesamt eher Blackened Crust, finde ich. Leider gibt es anfänglich immer wieder fiese Feedbacks, die so laut reinkreischen, dass es den Genuss trübt. Schließlich begibt sich der Sänger vor die Bühne und schmettert – wie sein Vorgänger übrigens auch – auf dem Boden weiter. Ab da klingt es richtig gut. Ob die Ursache der klassische Sängerpranke-umgreift-Mikrokopf-Move war? Jedenfalls agieren NO SUN RISES ebenfalls kompromisslos: Nur ein paar blaue Lämpgen gönnt sich die Band, alle Instrumente inklusive Stimme künden von Schmerzen, Zweifeln und Leiden, bis am Ende plötzlich eine wunderschöne Melodie auf der Gitarre gezockt wird. Mit dabei haben sie eine Split-Kassette mit DYSANIA im Pappschuber, drinnen liegt ein abgewandelter Antifa-Aufkleber-Klassiker, der hier „Antioptimistische Aktion“ heißt (im Inneren des Kreises: Schwärze).
CELESTE, ey… Endlich mal wieder ein neues Extrem kennengelernt! Wobei es gar nicht mal rein die musikalische Seite – ein fieser Klumpen aus Sludge-Metal und Post-Hardcore – ist, welche die Rezipient*innen in die Knie zwingt, sondern die Kombination aus optischen, olfaktorischen und sonischen Elementen. Die Franzosen pumpen die Meierei mit Nebel voll, achten darauf, dass die Finsternis noch ein paar Stufen abgesenkt wird und sorgen zunächst ausschließlich mit ihren rot strahlenden Kopflampen für Licht. Später überraschen rote Zusatzspots. Der Eindruck kommt mächtig, gleichsam treten die Musiker komplett hinter ihrem Werk zurück. Kommunikation in Form von Ansagen oder irgendeiner Animation wird verweigert. Stattdessen dröhnen Stücke ihrer sechs Tonträger „Pessimiste(s)“, „Nihiliste(s)“, „Misanthrope(s)“, „Morte(s) Nee(s)“, „Animale(s)“ und „Infidèle(s)“ wabernd und wogend durch den Raum. Zusehends werden die Hörer*innen in einen Mahlstrom gezogen, beziehungsweise tiefer hinab in eine Mine, wobei du die Kreaturen mit den Kopflampen lieber nicht nach dem Weg zurück fragen möchtest. Ob es sich überhaupt um menschliche Wesen handelt? Die ruckartigen Kopfbewegungen könnten eher zu Suchscheinwerfern oder diesen Zylonen aus „Battlestar Galactica“ passen…
Beeindruckendes Konzert. Die erwähnten Alben der Band gibt es übrigens auf Denovali-Records und sie alle besitzen Foto-Artworks, die einen Blick wert sind. Die Motive haben CELESTE auch als Kunstdrucke dabei. Würd ich mir wieder ansehen!