Die alte goldene Regel: Ist der Wolter nicht da, schreibt auch keiner was, wird ja in letzter Zeit häufiger mal aufgeweicht. Da will ich nicht nachstehen, steht doch Kiels schönstes Festival an und geht dabei in die 7. Runde.
Los geht’s traditionell mit veganem Kuchen, wie immer köstlich! Aus dem üblichen (vorgeschobenen) Geldmangel, lasse ich die zahlreichen Vinylboxen und Merchstände erstmal links liegen, nur um später dann doch das vorhandene Geld wieder für Tonträger & Patches auszugeben, seufz.
Sobald die (geheime) „magische Zahl“ an zahlenden Gästen überschritten ist, startet die erste Band. Dieses Jahr THE FIFTH ALLIANCE. Die NiederländerInnen werden als Sludge/Doom angekündigt, mich erinnert’s eher an Black Metal in Doom-Geschwindigkeit. Fand ich auf jeden Fall sehr ansprechend und abwechslungsreich. Tonträgerkauf tat jetzt schon Not.
Die folgenden RESPIRE aus Kanada legten mit einer sehr eigenständigen Version von Screamo los. Irgendwie gut, mich aber nicht wirklich mitreißend. Trotzdem sehr sympathische Band, deren MusikerInnen im Laufe des Abends bei fast allen Bands in den vorderen Publikumsreihen zu finden waren.
LENTIC WATERS boten Screamo der Sorte, die auch mich begeistern kann und zogen die erste Publikumsmasse vor die Bühne in der sich auch die eine oder der andere zu Bewegung animiert fühlte.
Den Anfang von SEM HASTRO haben meine Bezugsgruppe und ich bei dem schönen Wetter draußen verquatscht. Bei der Art von oldschool Brazil-/US-Hardcore hat die Band allerdings in 15 Minuten schon ca. 15 Songs gespielt und wir bekommen nur die letzten zwei mit. Klang vielversprechend, aber da mögen sich andere drüber auslassen.
Auf WODE hatte ich mich im Vorwege schon sehr gefreut und die Band enttäuschte nicht. Black Metal soll’s sein, aber der gebellte Gesang war so aggro, der Blick vom Sänger so wahnsinnig, die Musik so druckvoll und mächtig, gibt’s HC-Death-Metall? Wobei man dem METAL!-Anteil tatsächlich nur in Großbuchstaben gerecht werden kann. Vorne wurde gebangt was das Zeug hält und auch sonst eine Menge Bewegung vor der Bühne. Am Merch war anschließend der Gitarrist noch sehr gesprächig. Also, schweinegeile Band, welche die Infernal Crust/Doom/Sonstiges Brigade vielleicht schon im nächsten Jahr wieder in die Meierei lotsen könnte. Herb hat jedenfalls alle Hebel in Bewegung gesetzt.
Mit dem in diesem Rahmen größtmöglichen Gegensatz warteten danach RADARE auf: Dark Jazz, der an Bohren und der Club of Gore erinnert, trotzdem sehr eigenständig und auch Ausflügen in härtere Gefilde nicht abgeneigt ist. Alle Musiker spielen je zwei Instrumente, beide Gitarristen an den Tasten, der Bassist an der Posaune und der Schlagzeuger an der Klarinette(!), vermutlich das erste Mal, das dieses Instrument in der Meierei zum Einsatz kommt… Einige fanden’s langweilig, gingen aber glücklicherweise vor die Tür anstatt drinnen durch Gesprächslautstärke zu stören. Vielen Dank! Der große Rest hat die Darbietung genossen und die Band entsprechend abgefeiert.
Wenn ich mich im Vorwege mal nicht über die auftretenden Bands informiere…seufz! Irgendjemand steckt mir zwischen zwei Bands, dass der Sänger von ARCHIVIST der Sänger von Fall of Efrafa & Light Bearer ist. FoE sicherlich eines der besten Konzerte die ich je in der Meierei gesehen habe. Light Bearer in HH beim Loss of Breath-Fest verpasst, weil ich nicht drei Stunden auf den nächsten Zug warten wollte. Alte Leute und Bequemlichkeit, echt jetzt! Das Merch zeigt auch ausschließlich Astronautenkram und ich erinnere, dass ich mich um diese Band schon immer mal kümmern wollte…nach Radare wurde ich also langsam nervöus. Dann legen ARCHIVIST los und das Grinsen weicht nicht nur mir die nächste Stunde(?) nicht mehr aus dem Gesicht. Die Musik ist enorm druckvoll, der Schlagzeuger fantastisch und warum auch immer empfinde ich die Musik als extrem tanzbar, Disco-Post-HC-Metal oder so was in der Art! Was Anna und Alex an wechselseitigem SchreiGesang hinlegen ist eh schon unglaublich, aber dass die beiden dabei das ganze Konzert über lächeln können…ich bin sprach- und fassungslos! Wenn sie auf der Bühne Blicke austauschen fühle ich mich an Al Bano & Romina Power erinnert. Das hat was Schmachtendes und macht mir nur noch mehr gute Laune. Da es für 2x DoppelVinyl nun wirklich nicht mehr reichte, habe ich die Alben am nächsten Tag als Download kaufen müssen, irgendwie eigenartig, aber ohne die fantastische Musik hätte ich es die letzten Tage wirklich nicht ausgehalten…
Was soll nach Musik, die so glücklich macht, jetzt noch kommen? Oldschool-US-HC Teil II mit COKE BUST, deren Tour von Exil-Kieler Flo gebucht wurde. Der Sänger machte auf mich einen sehr angepissten Eindruck, aber da lasse ich mich gelegentlich auch täuschen. Viele schnelle und kurze Songs später war diese Band tatsächlich auch wieder sehr schnell vorbei. In Gesprächen nach dem Gig stellten sich die Jungs allerdings als sehr sympathisch heraus, obwohl sie auf die Schnelle zusammen packen mussten.
DOWNFALL OF GAIA hatten 2012 schon mal im Rahmen des Spiral of Noise Festivals in der Meierei aufgespielt und mit sehr elegischen Post-Rock überzeugen können. Was ist denn jetzt bei denen kaputt? Die Halle wird wie bei Hexis komplett vernebelt, Musiker und Publikum sind nur noch schemenhaft zu erkennen. Die Musik klingt nach derbsten Black Metal und ballert mich in die Müdigkeit, so dass ich zur Hälfte des Sets schon die Segel streiche.
Ein sehr schönes und abwechslungsreiches Festival haben Andre und Sven da mal wieder mit der Unterstützung vieler HelferInnen hingezaubert. Da gehört die angebotene vegane Ernährung genau so zum angenehmen Erlebnis wie das weitestgehend eingehaltene Rauchverbot innen. Und der eine ewige Raucher weiß ja inzwischen vielleicht auch Bescheid…