HYMN, THE MOTH, MYSKODIL / 09.06.2017 – Kiel, Alte Meierei

Ist jemandem außer mir bereits aufgefallen, dass es zwischen dem Publikum der Alten Meierei und dem der Schaubude kaum Überschneidungen gibt? Prinzipiell wird ja in beiden Läden die gleiche Musik gespielt, sei es nun Punk, Hardcore oder diverse Richtungen des Metal. Als einzigen Unterschied mache ich aus, dass viele Bands in der Alten Meierei größtenteils unkommerzieller (und unbekannter) sind, wobei dies kein Negativmerkmal des einen oder anderen Ladens darstellen soll.


Besonders auffällig aber wird es, wenn die gleiche Band zuerst in Bums A und ein Jahr später in Bums B spielt. Beispiele gibt es ja genug, seien es MDC, Fliehende Stürme, T.S.O.L., Burning Heads, … – selbst dann ist die Schnittmenge äußerst gering. Das aber nur am Rande (oder besser: vorweg).

Eintritt wahlweise zwischen € 6 bis € 10, kaltes Edel für € 1,50 und eine Flasche Tuborg sogar nur € 1,00. Nehmen wir einfach diese Angaben als Konstanten an. Nun bitten wir einen angehenden BWL-Studenten zu berechnen, wie damit auch nur die Spritkosten der heute spielenden Bands auszugleichen sind. Jener wird nach einer halben Stunde des stillen Nachdenkens diese Aufgabe als „unlösbar“ abtun. Zu groß ist die unbekannte Variable, mit der es die Konstanten zu multiplizieren gilt, um am Ende die schwarze „0“ zu erreichen. Tatsächlich aber ist es bei Meiers heute gut gefüllt. Ich schätze, dass sich wohl mindestens 50 Gäste eingefunden haben. Gemeckert werden braucht also nicht und das Alter des Publikums reicht von süßen 18 bis herben 92 Jahren.

Myskodil waren mir zuvor völlig unbekannt und dies sind sie mir auch geblieben. Angekündigt war die Band als „doom/stoner“, aber das ist inzwischen ja auch ein sehr weites Feld. Von außerhalb der Meierei klang es nach Instrumental (mag ich gar nicht), aber mir wurde gesagt, da singt wohl auch einer.

The Moth aus Hamburg spielen inzwischen zum mindestens dritten Mal in der alten Meierei. Ich erinnere mich an Konzerte mit Jucifer (2013) und die Night of the living Riff (2015) mit Galvano, Snailking und Zaum. Heute werden Freden und Cécile von dem Curry am Schlagzeug unterstützt, da der Tiffy hoffentlich nur keine Zeit hat.

Anfangs verhält sich das Publikum noch etwas zurückhaltend, kommt dann aber mehr und mehr in Bewegung und schließt nicht viel später auch die Lücke vor der Bühne. Weshalb nicht gleich so? The Moth spielen eine Mischung aus Stoner und Sludge, die gefällt. Eröffnet wird das Set mit „Rawhawk“, „Won´t Return“ schließt sich an. Zweistimmiger Gesang trifft auf treibende Riffs, die nicht ganz so schmutzig sind wie der typische Sludge, aber doch mehr knallen als der handelsübliche Stoner. „Travel Light“ folgt und spätestens bei „Seek and Burn“ werden eindrucksvoll die Fähigkeiten der Bandmitglieder spielerisch demonstriert.

Dazu wird sich entsprechend in Pose geworfen und ein Fuß ruht immer auf den Monitor-Lautsprechern. Herrlich! Das Set beendet würdevoll „The New Speed“. Dazwischen gibt es scheinbar auch schon Tracks von Album Nummer 3, welches zur Zeit fertig gestellt wird. Ich kann´s kaum erwarten.

Hymn aus Oslo haben ihr Debüt Album „Perish“ bei Svart Records veröffentlicht, was vermutlich einem Ritterschlag gleich kommt. Die Band selbst besteht nur aus einem Schlagzeuger und einem Gitarristen. Beide standen erst vor kurzem bei Tombstones als Support für Saint Vitus mit auf der Bühne – da allerdings noch mit einem Bassisten. Die Konstellation heute – ohne Bass – ist inzwischen ja nicht mehr so ganz neu und klappt meiner Meinung nach mal besser und mal schlechter. Wie funktioniert das ganze heute im Dunkel der alten Meierei?

Das, was da aus den Boxen hämmert, ist schon brachial und erinnert an Conan. Die nicht unbedingt eingängigen Riffs sind kalt und rau – dafür werden sie aber auch nicht in Endlosschleife wiederholt. Das schräg zum Publikum versetzt aufgebaute Schlagzeug wird geprügelt, bis die Hände bluten. Die Geschwindigkeit der einzelnen Lieder bleibt nichtsdestotrotz stets angenehm moderat, da statt der Double Bass die Becken unentwegt scheppern. Eine eisige, undurchdringliche Soundwand entsteht, die einem zusätzlichen Bass keinen Raum mehr lassen würde; die wärmenden Töne des Viersaiters sind hier nicht willkommen.

Titel jenseits der 10-Minuten mit Namen wie „Hollow“, „Rise“, „Spectre“ oder „Perish“ lassen keinen Zweifel aufkommen: Niedliche Hundewelpen werden hier nicht besungen. Es kann nur um das Essentielle gehen, um die Menschwerdung! Die entsprechenden Texte dazu werden von dem Gitarristen gleichsam inbrünstig wie auch schwer verständlich in das versammelte Publikum gebrüllt.

Untrüglich ist es, die von ihm aufgestaute Wut wird dadurch kanalisiert. Zorn und Verzweiflung brechen in uns aus und noch immer scheppern die Becken des Schlagzeugs. Erst am Ende, als die Musik verstummt, das Licht angeht und der Sänger uns um freundliche Beachtung des Merch-Standes neben dem Eingang bittet, erkennen wir: Wir mögen für eine Stunde in der schwarzen Tiefe des Abgrunds verschwunden sein, doch dieser hat uns nun wieder ausgespien.

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