STUMBLING PINS, PLASTIC PROPAGANDA, Zoi!s / 22.10.2016 – Kiel, Alte Meierei

Review von dremufuestias.de

Mit den STUMBLING PINS hat Kiel endlich mal wieder eine Konsensband, die zahlreiche Punker*innen gut finden! Besonders schön finde ich dabei, dass die PINS sich diesen Status über Jahre erarbeitet haben und mensch beobachten konnte, wie sie stetig besser wurden, bis schließlich das „Common Angst“-Material einen großen Schritt nach vorne darstellte. Ist es übertrieben, wenn ich das Album jetzt schon als kleinen Klassiker sehe? Ach wat, dafür hat es bei mir den Test der Dauerrotation zu eindeutig bestanden und nahezu alle Stimmen, die ich so vernehme, scheinen das auch so zu sehen. Heute also der Releasegig in der Meierei!

Es ist früh zu merken, dass die Hütte heute brummen wird, auch wenn die Leute erst so langsam eintrudeln. Aber Zoi!s haben dann bereits eine gut gefüllte Meierei vor Augen. Endlich sehe ich die Band live, mein Zoi!s-Verpass-Fluch ist gebrochen! Eine Spinne aus Flensburg hat mir geflüstert, dass ich mit den ersten Konzerten der Band gleich mehrere Evolutionsstufen der Bandgeschichte verpasst habe. Ursprünglich haben die Schleswiger wohl Iros gehabt und mit Oi!/Deutschpunk brachial gewütet. Mittlerweile spielen sie eher Post-Punk, und ich bin überrascht, wie professionell der dargeboten wird. Die Stücke bewegen sich meist im treibenden Midtempo, was dem Sänger Raum für Stimme und Botschaften lässt. Gestenreich trägt dieser die deutschen Texte vor. Bei einigen Moves und Textpassagen („Lass uns doch mal wieder spielen, die ganze Welt wär heil. / Ich bringe das Desinteresse und du die Heuchelei.“) fühle ich mich positiv an Affenmesserkampf erinnert. Bemerkenswert ist die deutliche Intonation des Sängers, denn hier wird nichts verschluckt, es ist wirklich jede Silbe gut zu verstehen und auf die Drumbeats abgestimmt. Auf der anderen Seite bewirkt der fast durchgängig eingesetzte Sprechgesang eine gewisse Monotonie. Erst in den von allen Bandmitgliedern geschmetterten Refrains gibt es wirkliche Gesangslinien. Da wäre aus meiner Sicht noch Potenzial für ‘ne Weiterentwicklung. Aber wahrscheinlich scheißen Zoi!s auf meine Meinung, und das ist gut so.

Mittlerweile ist es schön voll geworden und man kommt aus dem Kennenlernen, Wiedersehen und Faseln gar nicht mehr heraus. Die Hamburger*innen von PLASTIC PROPAGANDA müssen da erst mal ein paar Songs zocken, bevor ihnen die volle Aufmerksamkeit des Mobs gehört. Die Band macht 77er Punkrock mit Wechselgesang, den sich Bassistin und Gitarrist aufteilen. Links und rechts blinken zwei Neon-Ps in Pink. Die streuen zwar ab und zu komische Geräusche, werten aber die Optik noch zusätzlich auf. Die Band hat was. Ausstrahlung und gute Songs zum Beispiel. Ich klopp mir mehrere Cocktails und lecker Bier rein und genieße den Auftritt. Zwei Drittel des Sets bleibt die Fotografin Svetlana diejenige, die sich vor der Bühne am meisten verrenkt (ihr seht an den Bildern, dass sich der Ganzkörpereinsatz gelohnt hat), aber dann brechen endlich die Dämme. Irgendwer beginnt zu pogen und plötzlich ziehen viele andere mit. Herrlich mitanzusehen ist ein Pärchen, welches diversen Leuten auf die Nerven geht: Er tanzt völlig entfesselt mit einem Rucksack auf den Schultern, während sie mehrere Songs lang vergeblich an diesem Rucksack rumnestelt, vom pogenden Partner hin- und hergeschleudert wird, bis sie schließlich eine schnöde Bierpulle aus dem Ding herausgezerrt bekommt. PLASTIC PROPAGANDA beenden ihr Konzert mit einem Stück, für das der Sänger seine Gitarre weglegt und sich emotional noch mal richtig reinhängt. Gut!

Es ist soweit – „Common Angst“ ist von der Kette gelassen. Wer sich das Ding jetzt noch nicht geholt hat, issen armer Tropf und bekommt von mir ein DISCHARGE-behaftetes „WHY“ zugerufen, so zwischen Wut und Unverständnis. Ich durfte die PINS ja kürzlich in Potsdam und Berlin sehen, aber es ist doch erstaunlich, wie unterschiedlich Konzerte derselben Band sein können. Denn heute stimmt echt ALLES. Die Jungs sind motiviert bis in die Zehenspitzen, der fette Bockysound lässt alle Nuancen vibrieren und das Publikum feiert die Band. Das macht Laune! Und die Stärken der Band werden heute so richtig deutlich: Die tollen Gitarrenharmonien, die einprägsamen Gesänge und hymnenhaften Refrains und dann dieses gewisse Bühnencharisma, welches Willer, Tim, Jan und Mo einfach ausstrahlen. Dazu noch der von JoyBoy im Plattenreview treffend als „politischer Biss“ bezeichnete Background, der heute in Ansagen z.B. an die Teilnehmer*innen der Anti-Fascho-Demo in Neumünster oder natürlich in den Texten („repeat the lies a million times they are true/ it is not our fault / turn history around and cover it up /Europe’s past it shines so bright / united in hypocrisy“). manifest wird. Die Gastvocals in „The Beauty Of Imperfection“ übernimmt heute Svea von RICH KIDS DRESS UP, da Flicke nicht vor Ort sein kann. Das gelingt Svea sehr gut, einer von diversen Highlightmomenten dieser Show. Die Band gibt bis zum Schluss alles und der Mob tanzt ausgelassen. Release-Magie liegt in der Luft.

Herrlicher Abend, nuff said!