Dunkel, kalt, keine Zuschauer_innen – Herb

No Fealty, Eglise / 01.04.2015 – Kiel, Alte Meierei

„Scheiße, Herb hat vergessen, den Ofen anzuwerfen!“ Irrtum, Kollege – die in der Meierei jedem in die Knochen kriechende Kälte gehört natürlich genauso zu Herbs Konzept wie die Dunkelheit und Einsamkeit in der Halle. Dunkel, kalt, keine Zuschauer_innen – ein typisches Herb-Konzert.

Nach dreißig Jahren als Meierist habe ich einen neuen Lieblingsplatz gefunden: Die Holztreppe, welche Tresenbereich und Innenraum verbindet. Weil man von da aus besser sieht? Quatsch, sind doch nur sieben Figuren da. Nein, aber das Holz der Treppe überträgt das Wummern des Basses so hervorragend, dass der ganze Körper vibriert. Geil!

Eglise spielen bereits, als ich eintrudele. Sie sind so laut, dass ich ihr Gedonner bereits draußen auf Höhe dieser Kirche vernehme. Die Gespräche an Kasse und Tresen können nur durch Gebärden erfolgen. Aber mein Begehr ist nicht allzu vieldeutig. Leider bekomme ich nur noch drei Stücke der Kopenhagener mit, die Herb mit den Worten „metallisch aufgeladener Chaos-Hardcore“ sehr präzise angekündigt hat. Abgedrehtes Geballer mit vertrackten Strukturen und Schreien, die auch aus der Praxis eines Zahnarztes stammen könnten. Schmerz scheint ein zentrales Motiv bei ÉGLISE zu sein. Das gefällt natürlich. Trotz der Dunkelheit (vier blaue Funzeln gesteht Herb uns zu und am hellsten sind heute noch die Lämpchen an den Amps) wagt sich der Sänger sogar an einige Tanzschritte. Aber bevor noch etwas passiert, ist der Auftritt auch schon vorbei.

Von den Anwesenden kenne ich zwei Menschen nicht. Mit allen anderen führe ich anregende Gespräche. Bevor ich die beiden Unbekannten kennenlernen kann, beginnen No Fealty. Die stammen ebenfalls aus Kopenhagen (und Berlin). Ihr Auftritt ist ebenso kurzweilig wie …kurz. Ich schätz mal, dass uns NO FEALTY gerade mal 20 Minuten beglücken, bevor sie sich aufs Höflichste verabschieden. Ich sehe danach einen Menschen mit Eimer gen Klo stolpern. Ob der dort saubermachen will oder ob er den Eimer aus anderen Gründen mit sich führt? Mein letzterer Verdacht ist korrekt, der Arme ist NO-FEALTY-Gitarrist und total krank, kotzt schon den ganzen Tag und konnte schlicht nicht länger durchhalten. Extrafies: Heute beginnt die Tour für NO FEALTY erst! Dennoch reicht auch dieser knappe Auftritt, um sich von der Band ein Bild machen zu können. Ihr seid auf der Suche nach Extremen? Bitteschön, hier habt ihr wieder eins gefunden! Die Meierei erzittert, während NO FEALTY den Hammer kreisen lassen. Die Eckpunkte ihres Sounds lauten Hardcore, Punk, Crust, Grind und Wut. Man könnte Namen wie TORCH RUNNER, GHOSTLIMB oder HIS HERO IS GONE nennen, um einen musikalischen Vergleich zu erzielen. Doch das beschreibt immer noch das Gefühl, was einem diese Band beim Hören vermittelt. Als wärst du ‘ne Ameise, auf die gerade ein Elefant trampelt. Der Titel ihres Albums „In The Shadow Of The Monolith“ ist da sehr treffend, denn so wie die Affen in 2001 sitzt man sabbernd und staunend vor diesem Klanggebirge. Harscher Gesang trifft auf Geknüppel, welches aber immer wieder überraschend Raum für filigrane Gitarrenmelodien lässt. Der Begriff „filigran“ sollte aber nicht den falschen Eindruck erwecken – das hier ist das derbste und bösartigste Geballer, welches ich seit langem gehört habe. Übrigens kann der Grad ihrer Ausgereiftheit nicht ganz überraschen, wenn man weiß, dass einige Bandmitglieder bereits Erfahrung in Bands wie HEXIS oder NUCLEAR DEATH TERROR gesammelt haben.

So, jetzt hab ich definitiv länger am Bericht geschrieben, als das Konzert gedauert hat. Tatsächlich war ich etwa eine Stunde lang in der Meierei und das wohl auch nur, weil ich nach NO FEALTY noch gesabbelt und ein Bier getrunken hab. Aber es hat sich sehr gelohnt.

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