This is not a lovesong. Oder doch!?

In Vorfreude auf die Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen der Alten Meierei, die vom 10.08. – 17.08. dieses Jahres stattfinden werden, machen wir an dieser Stelle einen Beitrag zur Geschichte der Meierei einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich, der 2011 exklusiv im Beiheft des „Buschmesser-Äxte-Alles“-LP-Samplers aus dem Hause Rottensprotten Entertainment erschien. Aber Achtung: Dieser Artikel spiegelt lediglich die subjektive Wahrnehmung des Projektes durch die Brille eines Mal-mehr-mal-weniger-Meierei-Aktivisten aus Erfahrung und Erzählung wider und hätte je nach Blickwinkel auch ganz anders ausfallen können. Hinterfragt alles!


This is not a lovesong. Oder doch!?

Die Alte Meierei im Hornheimer Weg am Theodor-Heuß-Ring ist das wohl weit über die Stadttore der Landeshauptstadt hinaus bekannteste Symbol gleichsam für unkonventionelle Untergrundkultur wie auch für linksradikale Politik in Kiel. Sie ist sowohl Nische für mainstreamfeindliche Subkulturen, als auch oft unfreiwillige Setterin ankommender Trends in der städtischen Kulturlandschaft. Sie ist mal als verbissener politisch-korrekter Autonomentreff, mal als Zuhause verpeilt-chaotischer Freaks verschrien. Und neben billigem Partyort ist sie auch Wohnprojekt, hausgewordener Sperrmüllhaufen und permanente Brutstätte antagonistischer Gegenentwürfe zum Bestehenden. Das Stadtbild verschönert sie, außer als bunte Abwechslung für Benutzer_innen der Stadtautobahn, durch regelmäßig bestückte wilde Plakatflächen und wenn es denn sein muss, auch durch gelegentliche Demonstrationen.

Wie alles begann…

Der Ursprung der Alten Meierei liegt in den Häuserkämpfen in Kiel Anfang der 1980er. Wie überall in der Bundesrepublik kam es auch im hohen Norden zu kollektiven Aneignungen leerstehenden Wohnraums, deren Zentrum mehrere besetzte Häuser am Sophienblatt in der Innenstadt wurde. Nach ihrer Räumung, infolgedessen die historischen Bauten einem bis heute existierenden Konsumtempel weichen mussten, wurde die Alte Meierei eines von verschiedenen Ausweichobjekten, die die Stadt den Besetzer_innen zur Befriedung zur Verfügung stellte.

Nachdem im Jahre 1983 schließlich der Nutzungsvertrag zwischen Ex-Sophienhof-Besetzer_innen und der Stadt Kiel abgeschlossen worden war, wurde das Gebäude in den folgenden Jahren in weitestgehender Eigenregie für kollektives Wohnen und kulturelle Veranstaltungen nutzbar gemacht. Der Großteil des Erdgeschosses wird seither als öffentlicher Veranstaltungsort, der Rest des Hauses als Wohnraum für etwa ein Dutzend Menschen genutzt.

Werdegang eines bedeutenden alternativen Kulturzentrums

Seit Mitte der 1980er finden im öffentlichen Bereich der Alten Meierei Veranstaltungen statt, verstärkt jedoch erst seit Ende des Jahrzehnts. Die Jahre 1988-92 waren geprägt von Punk- und Hardcorekonzerten mit teils international namhaften Bands (z.B. Fugazi, Nausea, UK Subs, Youth Brigade), die von der damals einzigen regelmäßigen Veranstaltungsgruppe organisiert wurden. Hemmungslos erweitert wurden die engen Genregrenzen ab 1993 vor allem durch die Aktivität eines damaligen Bewohners, der die Meierei in den folgenden Jahren durch ein vielfältiges und unkonventionelles Kulturprogramm von Pop, Jazz, Chanson bis hin zu osteuropäischer Musik bereicherte. Dieser Stil sollte für die Jahre 1994 und ’95 prägend für das Veranstaltungsprogramm werden, nachdem sich die alte punklastige Konzertgruppe aufgelöst hatte. Zu dieser Zeit traten unter anderem auch später kommerziell erfolgreiche Bands wie z.B. Fischmob oder Chumbawamba in der Meierei auf.

Eine Rückbesinnung auf die gesunde musikalische Mischung des Jahres 1993 fand etwa drei Jahre später statt, als sich eine neue Konzertgruppe mit dem Schwerpunkt Punk/HC konstituierte, welche zeitweise unter dem Label TKKG (Tolle Kieler Konzertgruppe) auftrat. Diese legte bis 1998 eine stetig wachsende Aktivität an den Tag und stellte den größeren Teil der laufenden Veranstaltungen auf die Beine. 1998 kann in dieser Hinsicht auch als ein erstes Boom-Jahr der kulturellen Aktivität in der Alten Meierei gesehen werden: Neben die Konzertveranstalter_innen und die von ihren repräsentierten musikalischen Genres trat eine Theatergruppe und insgesamt gab es so viele Veranstaltungen wie nie zuvor, auch das Café Weltrevolution öffnete regelmäßig seine Pforten. Dies hing maßgeblich auch mit der Veränderung der von der Hausgemeinschaft gesetzten Begrenzung der monatlichen Höchstzahl an Veranstaltungen zusammen.

Dieses fruchtbare Jahr endete jedoch mit dem Auszug der umtriebigen Punk-Konzertgruppe aus der Alten Meierei, die ihre Arbeit darauf bis zu deren Abriss Anfang 2000 im Musico-Gebäude an der Hörn fortführte, wo heute ein leerstehender Bürokomplex steht. Gründe für diesen Schritt waren im Zuge von aufkommenden GEMA-Forderungen offen gelegte interne Konflikte zwischen Konzertgruppe und Hausbewohner_innen über die Entscheidungsstrukturen in der Alten Meierei, da die Veranstalter_innen von außen quasi kein Mitspracherecht hatten. In der Meierei hinterließ er ein vorläufiges Loch an Punk/HC-Konzerten, die Theater- und übrigen Konzertaktivitäten liefen aber weiter und wurden zeitweise durch neue Trends wie z.B. Drum’n’Bass-Partys erweitert.

Generationswechsel zur Jahrtausendwende

Eine Art Generationswechsel in der Meierei leitete das Jahr 2001 ein, als die bisherigen Akteure des Meierei-Veranstaltungskalenders langsam abgelöst wurden von einer Reihe Einzelverantalter_innen und der neu gegründeten Konzertgruppe Anne Oan, die die Kieler Kulturlandschaft nach der Zerstörung der Hörn und dem so besiegelten Ende der alten Punk-Konzertgruppe, sowie die Meierei im Speziellen nach einem halben Jahr Dürre wieder mit Punkkonzerten versorgte und sich bis 2003 als prägende Kraft des Meierei-Kulturprogramms etablieren konnte. Zeitgleich kam es u.a. durch einen Umbruch in der Hausgemeinschaft zur endgültigen Ankunft der restautonomen Szene Kiels in den Gemäuern der Meierei, welche nach dem Ende des Sophie-Besetzungen zunächst vor allem das 1993 platt gemachte Ersatzobjekt Merhaba genutzt hatte. Es fanden darauf meist im Rahmen der Freitagsvokü vermehrt explizit politische Veranstaltungen im Café statt.

Die mit den unterschiedlichen Hintergründen der Meierei-NutzerInnen einhergehenden unterschiedlichen Begriffe von der Meierei prallten aufeinander, als 2003 nach einem auf der Bühne zur Schau gestellten sexistischen Übergriff der Tourbus der amerikanischen Punkband US Bombs entglast wurde, was zu recht heftigen Debatten unter den Meierei-Aktiven und darüber hinaus führte, was für ein Selbstverständnis dem Projekt Meierei zu Grunde liegen solle.

Die Gründung des Nutzer_innenplenums 2003

Als Folge der von Teilen der damaligen Hausgemeinschaft bewusst herbeigeführte Politisierung der Meierei und die im Laufe der Jahre wiederkehrenden Konflikte zwischen unterschiedlichen Spektren von Meierei-Aktivist_innen, wurde im Jahr 2003 eine Strukturänderung innerhalb der Meierei vorgenommen, die dem Projekt fortan eine gemeinsame Basis geben sollte, mit dem sowohl ein überfälliger Hierarchieabbau und die Möglichkeit der internen Auseinandersetzung, als auch eine nachhaltige Öffnung der Meierei einherging. Der gemeinsame Ausgangspunkt der Meierei-Nutzer_innen liest sich seither folgendermaßen: „Die Räume der Meierei werden selbstorganisiert verwaltet. Das bedeutet für uns, dass sich alle (Einzelpersonen und Gruppen) die in der Meiereistruktur mitarbeiten, für das was hier gemacht wird, gemacht werden soll oder auch nicht geschehen sollte, verantwortlich fühlen. Unser Anspruch hierbei ist ein nicht hierarchischer Umgang miteinander. Selbstorganisierung bedeutet für uns möglichst unabhängig von staatlichen Strukturen zu sein, deshalb lehnen wir Fördergelder ab, und arbeiten nicht mit Parteien zusammen. Die Gelder, die bei den Veranstaltungen reinkommen, dienen ausschließlich dazu, die dadurch entstandenen Unkosten zu decken.“

War die einzige Entscheidungsinstanz der Alten Meierei bis dahin die Hausversammlung gewesen, d.h. alle Beschlüsse wurden letztendlich von den Bewohner_innen gefasst, war mit dem NP nun ein übergeordnetes Entscheidungsgremium geschaffen worden, an dem sowohl Bewohner_innen, Konzertgruppen, Vokü-Aktivist_innen und sonstige Nutzer_innen, die sich dem Projekt verbunden fühlen, gleichberechtigt über die Organisation und Ausrichtung des Projektes diskutieren und entscheiden können. Neben diesem Schritt hin zu einem kollektiven Selbstverständnis, ging mit ihm eine Öffnung der Strukturen einher, was zu einer Zunahme an fest in der Meierei aktiven Gruppen führte, u.a. gründeten sich zu dieser Zeit die Rebelti@s Musicales, die bis heute aktive Stütze des Gesamtprojektes geblieben sind. Zudem waren Trapdoor Tourz zu dieser Zeit enthusiastische Konzertveranstalter und auch die olle Anne Oan blieb äußerst umtriebig.

Wo Emanzipation zu blühen beginnt ist die Reaktion nicht weit: Städtische Angriffe ab 2003

Etwa zeitgleich begann eine mehrere Jahre andauernde Phase von Angriffen der Stadt Kiel auf das selbstverwaltete und unkommerzielle Zentrum Alte Meierei. In einer Mischung aus Ordnungsfetischismus städtischer Bürokrat_innen, der sich mit den eigenwilligen und unkonventionellen Verwaltungsformen der Meierei nicht vereinbaren ließ, und politischer Gegnerschaft emanzipationsfeindlicher Provinzpolitiker_innen begannen diese unter dem Vorwand von Beschwerden aus der Nachbarschaft über Konzertlärm, für dessen Unterbindung aber relativ unkompliziert Lösungen gefunden werden konnten, indem in der Meierei mit der Installation eines Schallschutzes begonnen wurde. Begleitet wurden diese Bauarbeiten und Gespräche von einer ersten öffentlichen Kampagne mit mehreren Demonstrationen und zahlreichen Solidaritätsbekundungen, in der unabhängig von scheinbaren und tatsächlichen Konflikten die Autonomie des Projektes von jeglichen städtischen Autoritäten betont wurde. Bis zur Fertigstellung des Schallschutzes zum Jahresende 2003 endeten zwischenzeitig jedoch alle Konzerte selbst auferlegt um 22 Uhr.

Dass die Lärmbeschwerden lediglich der Vorwand gewesen war, ein von der Norm abweichendes und antagonistisches Zentrum unter Kontrolle zu bringen, wie von Meierei-Seite stets betont, wurde auch für den naivsten Charakter offensichtlich, als nach der praxisorientierten Lösung des Anwohner_innenproblems die nächste ordnungsamtliche Forderung auf den Tisch kam, nämlich die nach einem normgemäßen Brandschutz. Erste öffentliche Aktionen, die diese nächste Stufe der städtischen Angriffe thematisierten, fanden im Frühling 2005 statt, darunter neben spontanen und kleineren Aktionen in der Innenstadt, eine Demo mit bis zu 700 Teilnehmer_innen am 4. Juni mit der Forderung nach einer sofortigen vertraglichen Bestandsgarantie.

Die mit dem Druck von außen einhergehenden internen Debatten über die Haltung gegenüber Politik und Behörden führten dazu, dass sich im Zuge der Konflikte einige Aktive aus den Meierei-Strukturen zurückzogen, was auch eine Ursache für das Ende der politisch gefüllten Freitagsvokü 2004 gewesen sein dürfte. Andererseits schufen sich andere Projekte in Folge der Öffnung der Strukturen und vielleicht auch des steigenden Bekanntheitsgrad der Meierei durch die öffentlichen Kampagnen neu. Zu diesen gehörten z.B. die Mittwochsvokü, das Frauen-Lesben-Transgender-Café oder auch zaghafte Vorläufer von Conformist Concerts. Soweit zur Meierei vor dem Einschnitt des städtischen Veranstaltungsverbotes ab August 2005.

Veranstaltungsverbot 2005/2006

Der städtischen Forderung nach einem verbesserten Brandschutz, überbracht von einem gewissen grünen Bürgermeister Peter Todeskino, die einen Katalog aus als sinnvoll erachtbaren, bis hin zu absurden Maßnahmen umfasste, wie z.B. der Beheizung des Hauses mit Elektroradiatoren, folgte im August 2005 ein Verbot aller öffentlichen Veranstaltungen in der Meierei, das schließlich unter Androhung von Strafgeldern in nicht unwesentlicher Höhe vorläufig durchgesetzt wurde. Die u.a auf Vollversammlungen entwickelte Strategie der Meierei-Aktiven mit dieser bisher heftigsten städtischen Repressionsmaßnahme umzugehen, umfasste mehrere Ebenen:

1. Tatsächliche Einhaltung des Konzertverbotes bei Beibehaltung unbeworbener Kleinveranstaltungen.
2. Fortführung des Veranstaltungsbetriebes in Form von Exilkonzerten in solidarischen Kultureinrichtungen (z.B. pumpe, Schaubude, T-Stube RD)
3. Teilumsetzung der geforderten Brandschutzbauarbeiten in Eigenregie
4. Längerfristige Perspektive, eine Wiedereröffnung mit einer Öffentlichkeitskampagne und der Hilfe einer Meierei-solidarischen Stimmung in der Stadt langfristig durchsetzen zu können.

Dies hatte zur Folge, dass der öffentliche Betrieb der Meierei in den Jahren 2005/06 fast ein Jahr lang nahezu lahmgelegt war. Stattdessen fanden monatelange Bauwochen statt und über zahlreiche Exilkonzerte, die meist von kollektiven Spaziergängen zum Ausweichort begleitet wurden, konnte sowohl die Arbeit der Gruppen sporadisch aufrecht erhalten, als auch Öffentlichkeit für die destruktive Politik der schwarz-grünen Stadtregierung hergestellt werden. In die Offensive gingen die Meierei-Nutzer_innen schlussendlich nach eigenmächtigem Abschluss der Brandschutzbauarbeiten im Mai 2006 mit der wochenlangen Kampagne „Let there be rock!“, die vielseitige Initiativen wie der Organisierung von Solidaritätsbekundungen, Pressearbeit, Konzerte, kleinere Aktionen und natürlich Demos, darunter ihr Höhepunkt mit über 800 Teilnehmer_innen am 6. Mai 2006 oder der legendäre M-Move, beinhaltete. In der Tat gelang es auf diese Weise, die Verantwortlichen der Stadt erheblich unter Druck zu setzen und die Wiedereröffnung aus eigener Kraft vorzubereiten. Mit einem rauschenden Fest konnte diese schließlich am 3. und 4. Juni 2006 erfolgreich und ohne nachfolgende Repressionsmaßnahmen begangen werden. Seither scheint das Interesse der Stadt, die Arbeit in der Alten Meierei weiter zu sabotieren, deutlich gesunken zu sein und der Veranstaltungsbetrieb konnte bis heute ohne größere Störungen wieder aufgenommen werden.

Boom nach der Wiedereröffnung

Im Zuge des Veranstaltungsverbotes und der zahlreichen Aktivitäten in dessen Folge konnten so viele Menschen aus dem Meierei-Umfeld wie nie zuvor zur aktiven Mitarbeit bewegt werden, so dass es nach der Wiedereröffnung zu einer wahrlichen Explosion des Aktivismus in der Meierei kam. Alte Veranstaltungsgruppen wie Anne Oan, Rebelti@s, die Vokü und das FLT-Café blieben bestehen, andere Gruppen wie Conformist Concerts, die Waterkant Connextion-Crew, das Antifa-Café, die Destruktion Crew, das Café Irie, das Café Schwarz/Rot und der No Compromise-Punk-Tresen als Vorläufer der Rotten Sprotten kamen neu dazu. Dieser Boom ging jedoch nicht ohne eine relative Fluktuation vonstatten, so lösten sich alte Gruppen wie Anne Oan u.a. wegen eines Überangebots an Konzerten auf und die Ausdauer anderer Gruppen blieb kurzlebig.

Wo Emanzipation zu blühen beginnt… #2

Auch wenn die Stadt sich in den Jahren nach der Wiedereröffnung ruhig verhielt, ist die Meierei als emanzipatorisches Projekt in unemanzipierten Zeiten selbstredend weiterhin Angriffsfläche für politische Gegner_innen geblieben. Im Prinzip ist die Meierei, auch als Symbol jahrelanger erfolgreicher antifaschistischer Politik in Kiel, seit ihrer Existenz immer wieder Angriffen von Neonazis ausgesetzt gewesen, die von Nazihorden vor der Haustür Anfang der 1990er, eingeschlagene Scheiben, Überfälle auf Meierei-Besucher_innen bis hin zu einem verfehlten Brandanschlag und Aufmarschversuchen gegen die Meierei rund um die Neueröffnung 2006 reichten. Der bisherige Höhepunkt und jüngste Angriff faschistischer Art waren allerdings scharfe Schüsse auf den Meierei-Wohnbereich in der Nacht zum 20. Januar 2010, die nur mit Glück lediglich Sachschaden anrichteten. Nutzer_innen und Umfeld der Meierei ließen sich jedoch auch von einer Attacke auf solchem, bisher ungewohnten Niveau nicht einschüchtern und demonstrierten darauf in 1300facher Stärke am 13. März 2010 eindrucksvoll ihre Entschlossenheit, die gegenkulturelle und antifaschistische Arbeit in der Landeshauptstadt innerhalb und außerhalb der Meierei jetzt erst recht fortzusetzen.

28 Jahre und kein Ende in Sicht

Auch zu Beginn des Jahres 2011 ist und bleibt die Alte Meierei im 29. Jahr ihrer Existenz ein vielseitiges und lebendiges Kultur, Polit- und Wohnprojekt, das von mehreren festen Gruppen und einem großen Umfeld regelmäßiger und unregelmäßiger Nutzer_innen getragen wird. Der Veranstaltungsbereich umfasst derzeit die wöchentliche Dienstagsvokü, das Antifa-Café, das FrauenLesbenTransgender-Café und die VoKü Schwarz-Rot öffnen ihre Türen monatlich zu inhaltlichen Veranstaltungen und die Konzertgruppen Rebelti@s musicales, Destructioncrew, Fugbaum Concerts und natürlich die Rotten Sprotten sorgen für breitgefächerte Liveauftritte auf höchstem Niveau irgendwo zwischen Marionettentheater und Crustcore. Verschiedene unregelmäßige Veranstalter_innen wie z.B. das Café Irie-Soundsystem sowie diverse Politgruppen runden auf ihre Weise das Meierei-Programm ab.

Der Konsens auf dem diese Arbeit geschieht fühlt sich nach wie vor der Selbstorganisation, der Unkommerzialität, der Solidarität untereinander und der Gleichberechtigung aller Nutzer_innen verpflichtet und versteht sich als Beitrag zur Näherung an die Utopie eines Lebens in einer herrschaftsfreien Welt ohne jegliche Form der Ausbeutung und Unterdrückung. Das stetige Kommen und Gehen von Aktivist_innen muss dabei keinesfalls zum Ergebnis haben, dass das Projekt Alte Meierei sich nicht weiterentwickeln oder sogar aussterben würde, auch wenn es ohne einige Konstanten sicherlich anders aussehen würde. Im Gegenteil führen die sich ablösenden Nutzer_innengenerationen, genauso wie die räumlichen Möglichkeiten auch Events jenseits von Szenekleinstveranstaltungen im Programm zu haben, dazu, dass die Meierei über ein vergleichsweise großes Umfeld und großen Rückhalt verfügt und im Kieler Stadtleben trotz offen antagonistischer Haltung fest verankert ist. Hierin offenbart sich auch die eigentliche politische Stärke der Meierei: Diese besteht wohl am Wenigsten in der direkten Intervention in den politischen Alltag, auch nicht in erster (aber sicherlich dennoch in zweiter) Linie in der Zurverfügungstellung von Raum und Ressourcen für politische Initiativen und auch nicht unbedingt in ihrer Funktion als emanzipatorisches Experimentierfeld für radikale Alternativen zum Bestehenden, sondern vor allem in der Schaffung einer nicht immer klar umrissenen und breit gefächerten, sich mal mehr, mal weniger als politisch verstehenden linken Gegenkultur, die von mindestens hunderten Herzen und Köpfen in der Landeshauptstadt getragen wird. Deren Bedeutung hat sich in Vergangenheit nicht nur in der beeindruckenden Mobilisierungskraft der Kampagnen zum Erhalt der Meierei niedergeschlagen, sondern macht sich immer wieder auch bei anderen politischen Ereignissen in Kiel, etwa der Verhinderung von Naziauftritten, bemerkbar und beeinflusst nicht zuletzt das alltägliche Klima dieser Stadt.

Historisch hat die Meierei im Laufe der Zeit all das auffangen müssen, was zunächst noch, bis zu deren Räumung, in mehreren Zentren ein Zuhause finden konnte. Die Alte Meierei hat – den Wohnbereich an dieser Stelle einmal ausgeklammert – insbesondere in diesem Jahrtausend eine gewisse Entwicklung von einem unkommerziellen Konzertschuppen hin zu einem linken Polit- und Kulturzentrum gemacht. Die Öffnung der Struktur hat eine solche langfristige Verbreiterung des Projektes erst ermöglicht und einen Ort geschaffen, an dem auch mit dem zwischenzeitlich zunehmenden äußeren Druck kollektiv und erfolgreich umgegangen werden konnte. Der äußere Druck, insbesondere aus städtischer Richtung, führte wiederum zu vermehrten und von einer breiten Bewegung getragenen Schüben von Aktivismus – auf der Straße wie auch im Veranstaltungsbereich; gleichzeitig aber auch immer wieder zu internen Konflikten über den Umgang mit auftauchenden Widersprüchen, dessen Folge mehrmals der Rückzug von Aktivist_innen aus dem Projekt war.
Nichtsdestotrotz ist die Meierei immer ein real-existierender utopischer Gegenentwurf zu der Unerträglichkeit der sich täglich spürbar zuspitzenden kapitalistischen Ungleichheitsverhältnisse geblieben. Mit all den damit verbundenen Gefahren wie Hoffnungen: Einerseits unvermeidlich Chaos, Stress und Enttäuschung, aber vor allem Leben, Freiheit, Spaß, Liebe, Kritik, Reflektion und Kreativität. Und es gibt keinen Grund damit aufzuhören.