Reapers Path, My Terror, Wolf x Down / 02.12.11 – Kiel, Alte Meierei
Für mich stand seit Längerem mal wieder eine lupenreine Hardcore-Show in Kiel an. Ausschlaggebendes Argument, mich am Freitagabend in die gute Alte Meierei zu begeben, lieferte die Düsseldorfer Kappelle My Terror, die mir bis dato zwar musikalisch unbekannt geblieben war, deren Name mir allerdings schon häufiger im Zusammenhang mit einschlägigen Soli-Events untergekommen war und die zudem aufgrund bandinterner Querelen an diesem Wochenende ihre letzten beiden Konzert ever spielen sollte. Letzte Chance also die Bildungslücke zu stopfen. Neben den zwei weiteren Acts des Abends – der eine den skurillen Namen Wolf x Down tragend, der andere, Reapers Path, als lokaler Newcomer-Special-Guest angekündigt – verfehlte auch das (unfreiwillig?) selbstironische Ankündigungsplakat bei mir seine mobilisierende Wirkung nicht: Ein Gewichte stemmende muskulöserr Gorilla, der seine ungeheure Kraft vorgeblich aus seinen Essgewohnheiten schöpft – *Bösartigkeit-Modus an* gibt es aus der hämischen Perspektive eines genussfreudigen Punk-Asis wie mir eine treffendere Charakterisierung für xVeganxStraightxEdgex? Da muss man dabei gewesen sein!
Gegen 22 Uhr am Ort des Geschehens aufgeschlagen war die Halle mit einigen Dutzend Hardcore-Kids schon zufriedenstellend gefüllt und nicht viel später setzten die besagten Frischlinge von Reapers Path auch schon zum Startschuss für das Liveprogramm an. Die fünfköpfige Formation kommt aus Rendsburg und Kiel, hat gerade ihr erstes Demo rausgehauen, das vielen der Anwesenden offenbar schon bekannt zu sein schien und stand heute zum ersten Mal auf der nicht vorhandenen Bühne – eher also auf dem Boden der Realität der Livemusik, war natürlich (genreüblich!) eine Floorshow. Für mich immer wieder spannend festzustellen, dies betrifft sowohl die Band, als auch nicht unwesentliche Teile des Publikums, das mittlerweile auch in Städten mittlerer Größe wie Kiel (wieder?) eine weitestgehend selbstständige Hardcore-Scene existiert, die mit ihrem eigentlichen Mutterschiff Punk offenbar kaum noch (personelle) Überschneidungen zu haben scheint, zumindest war mit kein Gesicht der Musizierenden bisher vertraut gewesen. Ich laufe bekanntermaßen aber auch nicht selten etwas blind durch die Gegend und überall kann ich ja auch nicht sein – mag also auch ein Anteil dieses Phänomens bei mir selbst liegen. Wie auch immer: Würde die bereits erstaunlich routinierte Darbietung als New Yorker Schule mit einem soliden Mosh-Faktor beschreiben. Aber Experte bin ich auf dem Gebiet wie bereits angedeutet ja nicht gerade, das wurde mir auch während des Konzerts deutlich vor Augen gehalten, als ich nicht einmal diejenige von zwei Coverversionen zuordnen (oder erkennen?) konnte, die mit „den Nächsten kennt ihr alle“ angepriesen wurde.
Nicht lang schnacken und weiter ging’s im Ablauf mit My Terror, der Hauptgrund meines heutigen Konzertbesuchs. Respekt verdient hatte sich die Band und insbesondere deren Aushilfsgitarrist schon von Beginn an, der extra kurzfristig eingesprungen war, um zumindest die beiden Abschiedskonzerte noch zu ermöglichen – aus eben jenem Grund. Boston-Style, wegen der vielen Breaks oder so, schätzte ein mir nahestehender stadtbekannter Musiknerd die Lage ein. Musikalisch mag das hingehauen haben, aus xHorrorgeschichtenx bekannte Exzesse Bostoner Art an der trinkenden Fraktion blieben allerdings glücklicherweise aus. Zudem hab ich mindestens ein Bandmember später selbst beim Spülen beobachtet, vielleicht ein Gang Green-Fan! Wie dem auch sei, die Ernährungsgewohnheiten nehmen schon wieder viel zu viel Raum ein, zurück zum Wesentlichen: Solider und im Auftreten äußerst sympathischer Gig – nette Ansagen zur Untermauerung des politischen Standpunktes, wie etwa das Bekenntnis des Shouters zum Anarchosyndikalismus: „Anarchie organisiert in Gewerkschaft – ich glaub daran!“. Nicht zufällig gecovert wurde zum Ende zudem ein Song der mittlerweile leider aufgelösten Moskauer Hardcoreband What We Feel, die neben ihrer Tourlust in hiesigen Gefilden nicht zuletzt durch die wiederholten tödlichen Naziübergriffe auf Menschen in ihrem Umfeld (traurige) Berühmtheit erlangten. Abgeschlossen wurde das (wieder genreübliche, aber auch der improvisierten Besetzung geschuldeten) maximal halbstündige Set mit einer Hommage an den Hardcore, der Text des Songs bestand dann glaub ich auch nur aus diesen beiden Silben. Ein bisschen mehr Emotionen seitens der Audienz wäre in Anbetracht des Ablebens von My Terror schon freundlich gewesen, aber vielleicht hat der Kiemsa-Abschiedsgig eine Woche zuvor die Messlatte in dieser Hinsicht auch einfach in unerreichbare Höhen gelegt. Ihren allerletzten Gig bestritten die Individualterroristen am Samstag darauf in Greifswald – passenderweise auf einer Soliveranstaltung für die dort bevorstehende Antifa-Demo an diesem Wochenende (zur Info: Samstag, 13 Uhr, Südbahnhof).
Überraschend gut fand ich, trotz der Eigentümlichkeit ihres Namens, dann die den Abend beschließenden Wolf x Down. Wiederum moshender, vielleicht auch angecrusteter Hardcore mit agil (genreüblich!) performender Shouterin mit böser Stimme. Auch hier war man um politische Statements bemüht und stellte dabei trotz der Herkunft aus dem Ruhrgebiet sogar einen lokalen Bezug her, denn dankenswerterweise wurde sogar auf das jeden zweiten Donnerstag im Monat in der Meierei stattfindende Antifa Café hiingewiesen: „Geht da hin und organisiert Euch!“. Dem ist nix hinzuzufügen.
Was war noch? Der Bitte um eine xrauchfreiex Halle wurde weitestgehend respektvoll entsprochen (geht also definitiv auch ohne irgendwelche Verbote), die xveganenx Burger zum Discount-Preis waren der absolute Oberhammer (fetter Dank an die Küchencrew!), hippe Antifa-Fahnen über Boxen sehen einfach geil aus (aber *Bösartigkeit-Modus an* bei der einen ist in der Produktion farblich und schriftzugtechnisch irgendwas schief gelaufen…) und es kam zumindest meiner Wahrnehmung nach zu einer kleinen (genreüblichen!) Premiere: Nicht, dass ich diese Art des Ausdruckstanzes nicht schonmal hier und da beobachten durfte, aber diese Moves zwischen Gymnastik und Kampfsport einiger Pithänger wurden in der Meierei vorher so exzessiv glaub ich noch nicht dargeboten. Windmill, Floorpunch – alles da – wow, ich war irritiert und beeindruckt zugleich! Ach ja, die Überschüsse des Abends gingen übrigens an den Antitierbenutzungshof, ein nicht verwertungsorientierter Gnadenhof in Süddeutschland für Tiere aller Art, der aber so nicht genannt werden will.
Ausgeklungen ist das gelungene Ganze dann (genreunüblich!) am Meierei-Tresen, der laut vertraulicher Auskunft des Tresenpersonals über den Abend wohl (genreüblich!) schlecht besucht gewesen ist, mit einer miesen und zudem noch völlig krank zugerichteten Musikauswahl eines nicht wenig prominenten fertigen Hausbewohners.