Dokumentation eines Flugblatts der FAU Kiel.
Arbeitslose als Werkzeuge der Stadtentwicklung
Bisher noch ein Modellversuch: Deutschlandweit ist der Kieler Stadtteil Gaarden einer der ersten Orte, an denen „Bürgerarbeit“ als neue Form von „Maßnahmen“ genannter erzwungener Arbeit ausprobiert wird. Neu daran ist, dass diese nun auch konkret den wirtschaftspolitischen Zielen der Stadtentwicklung dienen.
„Bürgerarbeit“ wird in Zukunft wohl die bisherigen Ein-Euro-Jobs ersetzen. Das Programm BIWAQ (www.biwaq.de) versucht eine „Verzahnung von Stadtentwicklungs und Arbeitsmarktpolitik“. Es richtet sich gegzeitarbeitslose und gibt vor ihnen eine langfristige Perspektive bieten zu wollen. Man folgt dabei dem sogenannten „Integrierten Handlungsansatz“ oder ganz platt ausgedrückt: Zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen Langzeitarbeitslose für drei Jahre beschäftigen und zum anderen Ziele der Stadt und Stadtteilentwicklung („Quartiersarbeit“) voranzutreiben.
Wer organisiert Bürgerarbeit und BIWAQ?
BIWAQ geht aus vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Es wird aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Der ESF finanziert jedes Jahr Projekte in Höhe von neun Milliarden Euro und wird von der Europäischen Union (EU) gesteuert. Die Jobcenter stellen dabei eine lokale Schaltstelle zu weiteren sog. Akteuren dar (Akteure sind z.B. Vereine und Organisation, die Koperationspartner in einem Stadtteil bilden)
Zunächst gibt das Programm vor, dass für sechs Monate versucht werde, Langzeitarbeitslose in den Ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Danach werden den TeilnehmerInnen sogenannte „Bürgerarbeitsplätze“ angeboten. Diese beinhalten keine echte Weiterqualifizierung in einem Ausbildungssinne, und die Dauer des Programmes ist auch auf drei Jahre beschränkt. In einem Modellvorhaben in Sachsen-Anhalt gelang es (laut FAZ vom 10.7.2010) nur bei einem von 10 Arbeitslosen diesen durch das Programm in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Für die Mehrheit der Betroffenen wird dies nur eine weitere Maßnahme, eine weitere frustrierende Erfahrung werden, ohne dass sich für sie eine echte Perspektive eröffnet.
Profitieren tun hierbei nur die Architekten eines Stadtumbaus und (bedingt) die Akteure. Von Seiten der Organisatoren der Stadt Kiel wurde die Freiwilligkeit besonders betont. In einem Beitrag des Offenen Kanals Kiel (Redaktion Kiel Aktuell, die jetzt selber nur aus Bürgerarbeitern besteht!) wurde aber berichtet, dass bei einem Informationstag zur Bürgerarbeit 500 Kieler Langzeitarbeitslose „dazu angehalten“ waren diese Messe zu besuchen und sich bereits auf einen Bürgerarbeitsplatz zu bewerben. Dies wirft ein Licht darauf, dass von Freiwilligkeit, wie bei Maßnahmen des JobCenters üblich, keine Rede sein kann.
Interessant dabei auch, dass die TeilnehmerInnen schon vor den sechsmonatigen Vermittlungsversuchen sich auf Bürgerarbeitsplätze bewerben sollen. Dies belegt, dass die Vermittlung in den Ersten Arbeitsmarkt lediglich eine Feigenblattfunktion erfüllen soll. Übrigens müssen in Kiel lediglich Arbeitslose aus Gaarden an diesem Program teilnehmen.
Was sind die eigentlichen Ziele von BIWAQ?
Die „Verzahnung von Arbeitsmarkts und Stadtentwicklungspolitik“ gibt Kommunen die Möglichkeit billige Arbeitskräfte für den Umbau von Stadtteilen zu gewinnen. Durch die geplanten Aufwertungen sollen die Bedingungen für neue Firmen und neue BewohnerInnen geschaffen werden. Den HausbesitzerInnen, soll es möglich gemacht werden höhere Mieten zu nehmen in dem BürgerarbeiterInnen z.B. ihre Hinterhöfe schöner machen. Darüberhinaus sollen BürgerarbeiterInnen für das die Stärkung der lokalen Ökonomie (Stadtmarketing) benutzt werden können. Es sollen z.B. Entwicklungspotentiale für die Kreativwirtschaft geschaffen werden. Aus den Förderrichtlinie (Punkt 4.1) ergibt sich ganz klar, welche Bedingungen Projekte erfüllen müssen:
Die Projekte müssen den Zielsetzungen des Städtebauförderungsprogramms Soziale Stadt Rechnung tragen und sollen im Sinne einer ganzheitlichen Aufwertungsstrategie an die integrierten Entwicklungskonzepte der Kommunen anknüpfen. Erforderlich ist, dass die Projekte in Kooperation mit relevanten Partnern vor Ort – insbesondere den Kommunen, dem Quartiersmanagement, der Arbeitsverwaltung und den Kammern – durchgeführt werden und möglichst in Zusammenhang mit Organisationsstrukturen oder Investitionen der Städtebauförderung stehen.
Welche Träger sind bisher an dem Modellvorhaben („Netzwerft Gaarden“) beteiligt?
KJHV, Künstlerhaus K34, Mehrgenerationenhaus/Vinetazentrum (MGH), TUS Gaarden, Türkischer Arbeitgeberbund Kiel, Türkische Gemeinde SH, Pro Regio, DAA, new start.
Du bist von Bürgerarbeit betroffen und willst Dich wehren?_
Informiere Dich über Hintergründe zur Bürgerarbeit, sammle Informationen über Sinn und Unsinn Deiner Tätigkeit. Tausche Dich mit anderen Betroffenen aus. Es fängt mit Deinen ArbeitskollegInnen/ LeidensgenossInnen an. Erzähle auch Freunden, Bekannten oder Nachbarn von Deinen Erfahrungen. Je größer das Wissen über die Hintergründe, desto größer die Transparenz darüber, was hinter den Kulissen passiert und damit mehr Möglichkeit für alle, sich gegen diese Maßnahmen zur Wehr zu setzen.
Dieses Modellvorhaben setzt auf mehren Ebenen an. Deswegen müssen auch wir auf mehreren Ebenen (Stadtteilpolitik, Gewerkschaftsarbeit, Arbeitslosenberatung, …) zusammenarbeiten. Je mehr dabei mitmachen, desto größer sind die Chancen, dass wir dieses Vorhaben zu Fall bringen werden.Dies wird nicht von heute auf morgen gehen. Kiel-Gaarden ist einer der ersten Orte in Deutschland, in denen Bürgerarbeit ausprobiert
wird.
Infos: www.fau.org/ortsgruppen/kiel
Kontakt: fauki[atfau.org