Do. 18.11. Kiel: Gerecht geht GANZ anders!

Dokumentation eines Aufrufs zum antikapitalistischen Block auf der „Gerecht geht anders“-Demo am 18.11.10.

18.11.: Auf die Straße gegen Sozialabbau und die Rettung des Systems auf Kosten der Menschen!

Gegen die Sozialpartnerschaft des DGB und die deutsche Friedhofsruhe!

Am 18. November ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erneut zu einer Demonstration gegen die unsoziale Kürzungspolitik von Bund und Land unter dem Motto „Gerecht geht anders!“ auf.

An diesem Tag wollen wir – unzufriedene Arbeitnehmer_innen, Azubis, Leiharbeiter_innen, Arbeitslose, Schwarzarbeiter_innen, Geduldete, Illegalisierte, Studierende, Genervte, Schüler_innen, Träumer_innen – uns im Stadtteil Gaarden treffen und zusammen von dort auf die Demo gehen. Wir werden gemeinsam unseren Widerstand gegen die Politik ausdrücken, die uns alle tagtäglich unterdrückt, piesackt und für wertlos erklärt. Ob im Jobcenter, in Schule oder Uni, im Supermarkt oder auf der offenen Straße – immerzu werden wir in ein System gepresst, in dem es nur darum geht zu funktionieren, verwertbar zu sein, es zu bleiben oder zu werden.

Wir wollen mehr – gerecht geht ganz anders: Es geht um ein gutes Leben für alle, wir wollen uns nicht mit Almosen zufrieden geben wir lassen uns nicht länger verarschen!

Gaarden ist nicht zufällig unser Startund Ausgangspunkt: Hier im „sozialen Brennpunkt“ verschärft sich der Konflikt zwischen den Interessen des Wirtschaftsunternehmens „Stadt Kiel“ und den Bewohner_innen des Stadtteils. Gaarden bietet für viele Menschen bezahlbare Wohnungen. Jedoch sind Wohnraum und Baugrund in Innenstadtnähe begrenzt und sollen attraktiv für mögliche Investor_innen gemacht werden. Die Folge ist eine Stadtplanung, deren einziges Ziel es ist die Marke „Kiel Sailing City“ gewinnbringend zu vermarkten. An den Bedürfnissen der Menschen geht diese Planung komplett vorbei. Statt bezahlbare soziale Einrichtungen (z. B. das Freibad Katzheide) und Wohnraum zu erhalten und auszubauen, sollen die Mieten erhöht werden und Prestigeprojekte wie das Zentralbad und die „KaiCity“ in Gaarden entstehen. Gleichzeitig sollen Menschen, die sich das Leben hier nicht mehr leisten können, aus dem Stadtbild verschwinden, damit der Stadtteil „attraktiver“ wird. Das empfinden wir als massiven Angriff auf die Bewohner_innen.

Die Gewerkschaften sichern den Frieden im Sozialstaat

Der DGB ist seit jeher ein Hort des sozialen Friedens. In Zeiten, in denen für die Rettung der beschissenen Verhältnisse der Wirtschaftsordnung unzählige Menschen in ihrer Existenz bedroht werden, fordert der DGB im aktuellen Aufruf zur Demo gerade mal systemgetreu ein verbessertes „Steuerniveau wie zu Zeiten von Bundeskanzler Helmut Kohl“ und „gerechtere“ Löhne. Doch als gesellschaftliches Schwesterschiff der SPD machen wir den DGB mitverantwortlich für all das, was wir die letzten Jahre abbekommen – HartzIV, Leiharbeit, stagnierende oder sinkende Reallöhne, Streichung von Geldern im sozialen und kulturellen Bereich oder Kriegseinsätze.
In seinem Grundsatzprogramm schreibt der DGB, dass Gewerkschaften dazu da sind „die Interessen der Menschen, die im Arbeitsleben stehen, die eine Ausbildung und Arbeit anstreben, arbeitslos oder im Ruhestand sind“ zu vertreten und „ihre Ziele und Forderungen , notfalls mit dem Mittel des Streiks, durchsetzen.“ Doch fällt dem DGB, in der jetzigen Situation, in der die Krise durch tiefe Einschnitte im sog. Sozialsystem und weitere soziale Konsequenzen abertausende Menschen an den Abgrund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Existenz drängt, nichts besseres ein als zu AlibiDemonstrationen aufzurufen und Trillerpfeifen zu verteilen! Damit belässt es der DGB bei Appellen und Demonstrationen, die nach dem immer gleichen Schema, so groß sie teils auch sein mögen, ablaufen. Und? Nichts bewegen.

Wessen Krise?

Immerzu werden Kürzungen, Einschnitte und Streichungen mit der Krise begründet. Es ist die Krise der Herrschenden, die Krise der Banken & Börsen, deren Konsequenzen die Menschen jetzt weltweit ausbaden müssen. Wir sollen den ‚Gürtel enger schnallen‘, während Milliarden zur Rettung der Banken mobilisiert werden. Doch solch eine Krise ist nichts neues, es gab sie vorher und es wird sie wieder geben, in einem System, dass auf Ausbeutung beruht und sich Kapitalismus nennt. Und noch etwas hat uns diese so genannte „Krise“ gezeigt: Wir können uns nicht darauf verlassen, dass der DGB sich für die Interessen der Ausgebeuteten einsetzt, die massiven Angriffe auf uns alle erfordern eine eigene kämpferische Praxis!

Grève, blocage, sabotage!?

In Frankreich tobt der Ausnahmezustand vor dem Hintergrund der Reform der Rentengesetze und der damit verbundenen Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre. Mit Streiks, Blockaden und Sabotagen legen Arbeiter_innen, Student_innen, Schüler_innen und viele Andere im Oktober und November das Land lahm, Tankstellen wurden nicht mehr beliefert, Betriebe besetzt, Barrikaden gebaut. Nur mit Hilfe von massiver Gewalt durch die Polizei ist die Regierung in der Lage, die Situation noch einigermaßen unter Kontrolle zu behalten. Gleichzeitig werden in Deutschland lediglich mal wieder die Trillerpfeifen ausgepackt, obwohl angesichts der massiven Einschnitte ein lauter Knall längst überfällig ist.

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!

Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, dürfen wir nicht bei Appellen und Trillerpfeifen-Demonstrationen stehen bleiben. Wir werden uns, trotz vehementer Kritik am DGB, am 18.11. an der Demo zum Landeshaus beteiligen – wir erwarten viele Menschen auf der Demo, von denen wir uns nicht abgrenzen wollen, im Gegenteil – alle, die nicht mehr bereit sind, sich mit Wurstbrot und Trillerpfeife abspeisen zu lassen, laden wir unter dem Motto „Gerecht geht ganz anders“ in einen eigenen Block ein.

Wir lassen uns nicht spalten oder gegeneinander ausspielen, egal ob Festangestellte, Zeitarbeiter_innen, Arbeitslose, „deutsch“ oder „nichtdeutsch“, Drogenkonsument_innen und Schüler_innen.
Wir rufen deshalb alle Menschen, die sich nicht mehr mit den Alibi-Protesten zufrieden geben wollen auf, sich am 18.11. an der Demonstration GERECHT GEHT GANZ ANDERS! zu beteiligen und danach gemeinsam an der großen Demonstration teilzunehmen.
^Donnerstag, 18.11.2010

Demonstration GERECHT GEHT GANZ ANDERS!
14 Uhr | Vinetaplatz | Kiel-Gaarden

GERECHT GEHT GANZ ANDERS!-Block auf der DGB-Demo
15.30 Uhr | Exerzierplatz | Kiel^
» Aufruf als pdf
…page…


Dokumentation:

IN ERWÄGUNG, DASS WIR DER REGIERUNG, WAS AUCH IMMER SIE VERSPRICHT NICHT TRAUN…

Wir wollen gar nicht aufzählen, wo und was überall gespart wird. Schließlich kennen wir die politischen Phrasen schon mehr als ausreichend.
Schon vor der „Krise“ musste dauernd gespart werden – sowohl am „Sozial-“staat als auch an den Löhnen. Ständig hieß es, immer mehr Stress durch Arbeitsamt und Arbeitsmarkt zu ertragen. Irgendwann, so die unzähligen ReformerInnen, würde der Rubel dann wieder rollen. Nun ja, rumgekommen ist dabei nichts – nur ein neues ultimatives Sachzwangargument: Die Krise! Der Kaputte Staat! Nicht nur in der BRD, sondern global hat sich längst eine Ökonomie der Unsicherheit etabliert, und den Menschen bleibt nicht mal die Sicherheit der täglichen Ausbeutung durch Lohnarbeit.

Also auf ein Neues: mal wieder politische Pseudodebatten in Politik und Medien, mal wieder tiefe Einschnitte in das Leben vieler Menschen – und ja, auch mal wieder ein paar Demos, etwas Protest. Die Bundesverwaltung des Widerspruchs (auch DGB genannt) packt die Rasseln und Trillerpfeifen aus und lässt das Fußvolk ein bisschen aufmarschieren. Nachdem der DGB in den letzten Jahren die Hartz-Gesetze, die Leiharbeit und stagnierende Löhne erfolgreich durchgewunken hat, sind die Gewerkschaftsspitzen frohen Mutes, auch dieses Mal ihren Teil zum „sozialen Frieden“ beizutragen, den der DGB in seinem Aufruf zur Demo gefährdet sieht. „Sozialer Frieden“?
Wovon, bitte, soll hier die Rede sein? Die soziale Realität dieser Gesellschaft war und ist alles Andere als friedlich, und der Kampf ums Dasein wird sowohl regional als auch global immer härter. Der DGB aber erinnert seine „SozialpartnerInnen“ in Politik und Wirtschaft an einen längst einseitig aufgekündigten Deal: wir halten still, wenn wir wenigstens hier in der BRD noch einigermaßen vernünftig versorgt werden.
Auf profil- und wirkungslosen Latschdemos wird dem Zerrbild einer angeblich „gerechteren“ Gesellschaft im regulierten Kapitalismus hinterher geheult – auch wenn das kleine bisschen soziale Absicherung schon „damals“ nur durch die hemmungslose Ausbeutung von Frauen und MigrantInnen erkauft wurde. Und so wird auch diesmal wieder gerasselt und getrillert, geklatscht und gerufen – und der Kampf verloren, bevor er überhaupt begonnen hat. So war es, so ist es, und so wird es womöglich bleiben.

Es gibt aber noch eine andere Perspektive, und diese hat nichts mit dem rassistischen medialen Schrott zu tun, der sich derzeit in Form eines abgehalfterten Sozialdemokraten und Bänkers über uns ergießt. Die mit den deutschen Sparpakten quasi identischen Sozialreformen in Frankreich scheiterten am entschlossenen Widerstand der betroffenen Menschen. Während hierzulande die Rede des DGB vom „heißen Herbst“ nur als Aneinanderreihung von Floskeln daher kommt, wird er in Griechenland Realität. Und in vielen weiteren Regionen der Welt haben die Menschen auf die Zumutungen in Folge der Krise mit Generalstreiks z.B. für eine deutliche Anhebung des Mindestlohns reagiert – und auch gewonnen! Wir müssen endlich mehr fordern als das, was uns weggenommen werden soll, und entschieden für unsere Forderungen einstehen. Gegen schlecht bezahlte und unsichere Jobs, gegen die Schikanen vom Arbeitsamt. Für ein besseres, selbst bestimmtes Leben jenseits des Verwertungswahns. Die ganze Scheiße endlich zum Kippen bringen!

… HABEN WIR BESCHLOSSEN, UNTER EIGNER FÜHRUNG UNS NUNMEHR EIN GUTES LEBEN AUFZUBAUN!!!
^ Antikapitalistischer Block auf der „Gerecht geht anders!“-Demo
Mi., 8. September 2010 – 15.30 Uhr – Asmus-Bremer-Platz^
www.youtube.com/watch?v=Yu9-SQ5W3sM