Zivilisationsschrott malträtieren

La Ligne Maginot, Dis-Traktor, 08.12.09, Alte Meierei, Kiel

Er gibt einige, die sagen: „Die Apokalypse ist nah!“ Ich aber sage euch: „Die Apokalypse war schon da!“ Und zwar letzten Dienstag inner Meierei! Ihr glaubt mir nicht? Dann lasst euch berichten ….

… an jenem Tag spielten zwei Bands in der Alten Meierei: Dis-Traktor und La Ligne Maginot. Beide aus Wien, der Stadt an der blauen Donau. Gibt’s jetzt Wiener Walzer? Dobostorte? Oder Kaffeehausatmosphäre? Gar Wiener Schmäh? Mitnichten!!! Hier gibt es heute nur Verzweiflung und Tod, Wut und Trauer! Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Kämpfer der Maginot Linie.

Doch bevor hier endgültig Wahn und Kampf ausbricht, gilt es, den DIS-TRAKTOR zu starten. Wie der Name schon vermuten lässt, gibt’s hier ordentlich D-Beat auf den Helm. Schnörkellos und (fast immer) geradeaus. Wie sagt die Frontfrau doch so schön: „Hi, wir sind Dis-Traktor und spielen 08/15 – Crust-Core!“ Sehr bescheiden, die Dame. Sooo platt war’s nun auch wieder nich’. Kruste mit Herz und Seele gespielt. Zwar gibt’s in JEDEM Song (die meisten Songs haben anscheinend keine Namen und werden nur der Nummer nach aufgerufen – What number? Five? …) früher oder später den gleichen (D-) Beat, aber dadurch, dass der Gitarrist allerbeste und verschiedentliche Riffs schrubbt, gibt es mit dem DIS –TRAKTOR keinerlei Schwierigkeiten. Geiler Sound (Danke Fussel!), politisch-linke Inhalte und gediegene Songs im altbewähten Rhythmus – krustiges Herz, wat willste mehr?

Düster und bedrohlich setzt ein Intro ein, dass Beklemmung auszulösen vermag. Zwei vermummte Gestalten sitzen an ihren Schlagwerken, harren geduckt dem Kommenden. Zwei andere hocken vor den Schlagzeugen, angetan mit Kapuzen und schwarzen Gasmasken. Nach und nach erheben sich beide, mit Knüppeln aus Metall malträtieren sie Zivilisationsschrott. Hier ist es eine Waschmaschinentrommel, die an einem Gestell hängt, das früher eine Presse hätte sein können. Beharrlich fliegen die Knüppel im dunklen Puls des Intros. Die Schlagwerker folgen alsbald dem Takt. Die bedrückende Atmosphäre steigert sich im tribal – artigen Rhythmus der Trommelschläge. Riffs setzen ein; monströs, langsam und zermürbend. Minuten vergehen. Das Tempo steigert sich. Melodiöse und doch verzweifelt klingende Töne drängen heran. Moderate Zwischentöne im Infernoorkan. Jener wird ab und an unterbrochen durch Kriegslärm, prasselnde Feuersbrünste oder Sintflutartigen Regen. Düsternis und Verderben werden lautstark herauf beschworen.

Die zwei Schlagwerker trommeln gegen das Vergessen, halten den Zuhörern vor Augen (und Ohren), was mit uns passiert, wenn nicht Kriegstreiberei und Selbstzerstörungswahn endlich ein Ende gesetzt wird. Treibend und kraftvoll agieren die Drummer, hypnotisieren förmlich mit fesselnder Rhythmik. Tonnenschwere Riffs und verzweifelt wahnsinniges Gebrüll verlassen die Verstärker und lasten unheilvoll auf den Ohren. Ein akustisches Inferno sondergleichen zwingt zumindest El Tofu in die Knie. Es scheint, als vermag er die Apokalypse nur sitzend, mit hängendem Kopf zu ertragen. Ich suhle mich in den wahnsinnigen Klängen, lasse mich knapp 60 min hypnotisieren. Am Ende wird es auch für mich schwer, der Klangwand standzuhalten. Unaufhörlich prasselt die musikalische Apokalypse auf mich ein; stößt mich ab und zieht mich in ihren Bann. Am Ende scheint jeder Zuhörer platt. Jubelarien bleiben aus; der Applaus dafür ist umso herzlicher.

Die (leider zu) wenigen, die dabei waren, haben ein krustig – apokalytisches Highlight erlebt! Geradezu legendär!

Torsten

www.dremufuestias.de