Together, New Reality / 18.07.09 – Kiel, Alte Meierei
„It’s a strange and beautiful world“, sang Tom Waits mal in dem ollen Schinken „Down By Law“. Recht hatte er: Da gibt es eine Veranstaltung fast ohne Werbung, nicht mal online ein Flyer, aber im Gegensatz zu Konzis, für die richtig die Werbetrommel gerührt wurde, ist die Meierei heute relativ gut besucht.
Ich bin leider etwas spät dran, aber New Reality spielen immerhin noch. Heute wird mal die Bühne und die PA genutzt, was nach den vielen Floorshows auch mal wieder gut kommt. Nur nervt so ein Knacken, welches hartnäckig die Ohren malträtiert. Die Kasseler hauen mich persönlich nicht aus den Puschen – dazu ist die Musik nicht flüssig genug, zu abgehackt. Zwar gibt es immer wieder positive Momente, insgesamt aber muss ein klarer Metalcore-Einschlag konstatiert werden. Allerdings sind die Jungs auch keine Bollos, was bei diesem Stil oft automatisch angenommen wird. Dazu sind die Ansagen des Sängers zu engagiert, es geht gegen Tierversuche, die Pelzindustrie, Imperialismus, Kapitalismus und Sklaverei. Und man sollte erwähnen, dass NEW REALITY auch erst seit zwei Jahren existieren. Mit Covers von George Michael (behauptet zumindest El Tofu, der in solchen Dingen bewandert ist) und UNBROKEN gewinnt man zumindest ein paar Tänzer.
Together schrauben eine ganze Zeit lang verbissen am Sound herum, XBockyX und XKarlsBoiQuellX helfen schweißüberströmt, endlich geht es los. Und whoa! TOGETHER kommen aus Portugal und meinen die Scheiße ernst! Aber sowas von. Erst bauen Gitarrist, Bassist und Drummer mit einem Instrumental-Intro Spannung auf, dann hüpft die Sängerin auf die Bretter – ein Ruck geht durch das Publikum. Denn TOGETHER reißen sofort mit, die ganze Band ist ordentlich in Bewegung, vor der Bühne singen offensichtlich mitgereiste Freunde sowie die NEW REALITY-Mitglieder ausgelassen mit. Der Gesang ist aggressiv, aber sehr hoch und kreischig, was auf die Dauer auch etwas nervig kommen kann. Geradezu kommerzielles Potenzial besitzen dagegen die hochmelodischen Refrains, die vor allem vom Gitarristen gesungen werden. Vor ausnahmslos jedem Stück gibt es eine ausführliche Ansage. Die Sängern erzählt, wie viel ihnen D.I.Y.-Werte, die gesamte Hardcore-Philosophie bedeuten, kritisiert aber gleichzeitig auch, dass zahlreiche BesucherInnen auf HC-Konzerten nur noch feiern wollen. In einigen Aspekten ist die Band sehr strikt – so habe ich seit der ersten Tour von YOUTH OF TODAY keine derart flammende Rede gegen Alk mehr gehört. Da bekomme ich mit meinem Bier in der Hand fast ein schlechtes Gewissen… Für Kontroversen sorgt auch die Ansage, dass die Band in Europa sei, um aktiv zu sein, Leute kennen zu lernen, man jedoch das Gefühl habe, viele BesucherInnen seien nicht auf Gespräche, sondern auf Flirten aus. „You’re ruled by sexual needs and you refuse to use your brain”, heißt es in “King And Queen Of Misery”. Fakt ist, dass nicht nur ein Freiraum wie die Meierei kein Platz für sexistische Anmachsprüche sein sollte. Die so formulierte Sexualmoral stößt jedoch auf geteilte Meinungen, wird zum Teil als zu streng empfunden. Nun soll sich das allerdings auch nicht anhören, als pflegen TOGETHER die ganze Zeit ein trockenes Dozieren – vielmehr sorgen die mit unfasslicher Wucht und Leidenschaft vorgetragenen Stücke ein ums andere Mal für Gänsehaut. Vor allem „Experience Existence“ und „Prove This World Wrong“ (sehr schön formulierter Text über D.I.Y.) setzen sich nachhaltig im Gedächtnis fest.
Für fünf Euro gibt es eine reine D.I.Y.-CD von TOGETHER, acht Songs, Texte und Kommentare und mit schickem Elefanten-Cover. Elefant cool!