Es wallen die Matten der Schüttelrüben

MOSH IN DEN MAI V mit Jack Slater, Tyson, Abrogation, Erben des Zorns, Cry My Name, Iron Horses, Putrefaction, 30.04.2009 – Kiel, Alte Meierei

Düvel eens – `n gutes Dutzend Verstärker grinsen mich lärmend an, als ich die Meierei kurz vor Acht betrete. Die Soundwand ist ebenso dick wie breit! Na, dann kann ja nix schief gehen … – naja fast; wenn man mal davon absieht, dass ich schon zwei Bands verpasst habe. Soeben spielen Iron Horses ihre letzten (amtlich rockenden!) Töne und Putrefaction sitzen auch schon wieder Backstage und machen Paady.

Ha ha, ja – derart viel Technik hat wohl noch keine Konzertgruppe in die Meierei gequetscht. Offenbar gibt es dann wohl bald die MIDM-DVD, denn mitgefilmt wird auch fleißig heute. Torsten ist sogar früher als wir, die wir auch CRY MY NAME komplett verpassen. Also lassen wir den Doomkopp auch zuerst zu Wort kommen:

Aber da kommt ja noch mehr: Fünf weitere Bands folgen noch, sprich: der Abend wird noch lang! Ers’ma’ „Hallo!“ sagen, Bier ordern und umgucken. Ja, das sieht wieder amtlich aus heute Abend. Die Boxentürme erwähnte ich ja bereits, hinzu kommt ein Merchandise – Stand, der Offene Kanal Kiel ist mit drei Kameras und sieben Techniksklaven vor Ort und an der Bühnenrückwand werden digitale Bilder an die Leinwand geworfen. Cry My Name ist da grad zu lesen – das wird dann wohl die nächste Band sein. Und CMN starten furios! Von gleich zwei SängerInnen werden die Ohren besungen. Frontfrau Hille (früher bei Barritus, oder?) brüllt amtlich, ist aber auch für klare Worte zuständig, während Shouter Andre in tiefsten Lagen brüllt. Könnte ein interessantes Wechselspiel werden, was aber nicht ganz klappt, da Hilles Stimme in Andres Gebrülle doch öfter untergeht. Schade! Dafür isses instrumental besser. Besonders die beiden Gitarristen zünden ein wahres Feuerwerk an zweistimmigen Leads und Solis. Aber hier is nix mit Power Metal. Hier wird ordentlich geschrotet. Jenseits aller melodiösen Parts gibet feiste Blastbeats, thrashige Riffs und Hardcore – Shouting. Diese Mischung ist echt explosiv! Einen Gorilla, der auf der Bühne sein Bier trinkendes Unwesen treibt, scheint das aber nicht zu stören. Steht da und lässt sich „Timo“ rufen. Sowas – und ich dachte, das wär „Eddie“ … Im Publikum geht derweil echt die Post ab. Violent Dancing allerorten – Scheiß auf schunkeln, Aller! MOSH! Die Menge ist begeistert und fordert noch Zugaben. Dabei sind CMN auch noch bescheiden und wollen den folgenden Bands nix von ihrer Spielzeit klauen. Nützt aber nicht’s – einer geht – zur Freude aller – noch. CRY MY NAME – unbedingt merken! Spitzenmäßig und sehr professionell!

Schade, aber dafür haben wir professionell vorgeglüht.

Die ERBEN böllern bereits, als wir zahlen. Obwohl von der riesigen Boxenwand ganz MANOWAR-like natürlich nur ein Marshall angeschlossen ist, ist der Klang mehr als feist. Heute hätte hier auch ein tauber Spaß. Die Kieler Metallköppe und Veranstalter dieser feinen Festivalreihe sind deutlich besser und souveräner geworden. Death Metal mit deutschen Texten, deren Inhalte ausschließlich hoffnungslos und negativ zu sein scheinen. Der Krieg und die Verachtung des sinnlosen menschlichen Treibens scheinen Hauptthemen zu sein – hätte somit gut in die Zeit des dt. Expressionismus gepasst.

Mit „Vers 5“ steigen die Erben des Zorns wütend in ihr Set ein. Oha – die Jungs machen keine Gefangenen. Das klingt echt böse – der fette Sound tut sein übriges. Was für ein Brett! Habe die ERBEN selten so fett gesehen oder besser: gehört! Neben den allseits bekannten Songs wie „Ebbe und Flut“ und „Tod im Pit“ gibt’s zwei äußerst viel versprechende neue Songs: „Krieg“ (mit schrägen Drumrhythmen) und „Kontrolliertes Chaos“. Textlich geht’s bei beiden ans Eingemachte, unterstützt durch brachiale Knüppelattacken bzw. derb schleppende Passagen. Seeehr geil! Anfangs isses im Pit noch recht ruhig, doch mit zunehmender Spielzeit wird es immer wilder vor der Bühne. Sänger Sven mischt da kräftigst mit, animiert die Leute zum Pogen und wälzt sich leidend am Boden. Auch hier geht nix ohne Zugabe. Dafür haben sich EDZ was Besonderes ausgesucht: SODOMs „Wachturm“ wird voller Inbrunst dargerreicht. Geile Idee – lange nicht gehört, dat Dingen! Toller Abschluss eines noch tolleren Gigs!

In eine ähnliche Kerbe schlagen Abrogation – Death Metal mit deutschen Texten. Erstaunlich, wie gut die Magdeburger ankommen, denn ich bezweifle, dass sie viele vorher gekannt hatten. Umso schöner, denn bereits nach wenigen Stücken wallen die Matten der Schüttelrüben. Auch hier Tod, Zerstörung und Krieg als Inspiration, allerdings oft explizit an historische Ereignisse angelehnt. Ob sie in Ravenna oder im Teutoburger Wald gefallen sind – ABROGATION zerren die Germanen, Goten und Römer aus ihren modrigen Gräbern und verdammen sie im Moshpit zu untotem Leben.

Nachdem das düstere Intro dann doch noch „anspringt“, können ABROGATION aus Magdeburg den zahlreichen Lauschern zeigen wes’ Kind sie sind. Auch hier gibt’s deutschsprachige Texte; die Musik dazu bewegt sich zwischen melodiösem Death Metal und Black metallischen Ansätzen. Haut ziemlich rein, das Ganze. Fronter Schwarte intoniert seine Texte auf ziemlich unnachahmliche Weise, gerade die Ansagen wissen zu gefallen. „Kiel, ihr seid gut drauf!“ so die lapidare Feststellung des Sängers. Besungen werden nicht nur „Die Engelmacherin“ und „Die Rabenschlacht“ sondern auch Goethes „Erlkönig“. Was sich nicht alles zur metallischen Vertonung eignet … Zum Nachdenken anregen soll uns „Das Schwert des Propheten“. Leider ist vom Text aber nicht allzu viel zu verstehen. Von daher lass ich das Nachsinnen für den Moment sein und schüttel’ lieber die Rübe zu den weiteren Takten.

Tyson! Nachdem der Mob zunächst verhalten reagiert, können die Kieler mit einem energiegeladenen Auftritt das Ruder herumreißen – sodass am Ende der Ratz abgeht und von einem echten Stimmungshighlight gesprochen werden muss. Dabei ist es interessant, dass TYSON eigentlich keinem Genre zugeordnet werden können. Metal isses nicht, Hardcore isses nicht, Punk irgendwie nu auch nicht. Aber völlig egal – der Drive und die gelungenen Hooks begeistern einfach. „Social Timebomb“ und „Nothing At All“ sind heute meine Favoriten, wobei auch einige ganz neue Songs zu überzeugen wissen.

Und nu is’ Stilbruch: TYSON machen melodiösen Hardcore und die mitsingtauglichen Refrains müssen einige Herrschaften vor der Bühne wohl erstmal verdauen. Merkwürdig ruhig isses bei den ersten paar Songs. Aber TYSON wären nicht TYSON, wenn sie sich davon unterkriegen lassen würden. Perlen wie „Nothing at all“ zünden irgendwann dann doch und das Publikum geht ab wie Schmidts Katze. Schönes Ding: Kochi und co erkämpfen sich die Meute bravourös! Dabei zollt Fronter Kochi den Machern des MIDM verdienten Respekt, denn die Arbeit die vorher, nachher und natürlich zwischendrin erledigt wird ist nicht zu unterschätzen! Auch TYSON verdienen sich „Zugabe“ – Rufe und kehren noch mal auf die Bühne zurück …Klasse „Knock Out“!

Jack Slater hatte ich bereits vor einem halben Jahr in der Markthalle mit JAKA gesehen. Genau wie im Dezember gefällt mir der komplexe Frickeldeath auch heute, zumal der Sänger ein sympathischer Kollege ist, dessen Ansagen in unnachahmlicher Weise vorgetragen werden. Inhaltlich dagegen finde ich das etwas abgelutscht, vermeintlich provokative Extreme wie „Hackfleischmann“ oder „Leichenschmaus“ gab es dann doch schon in ähnlicher Form zu oft (zumindest als Titel – vllt. würden mich die gesamten Texte ja positiv überraschen). Aber rein musikalisch brennt man ein ordentliches Feuerchen ab, auch wenn offenbar ein Gitarrist fehlt. Daumen hoch also für ein gelungenes Metalfest.

Das war ja schon `ne Menge Notenwahn bisher – bin schon ein bisschen platt, aber JACK SLATER aus Köln woll’n auch noch ran. Wenn ich richtig informiert war, waren die Jungens am Nachmittag noch in ‘nem Proberaum, um Songs zu üben, weil ein neuer Gitarrist dabei ist. Wie sich aber rausstellt, fehlt der obligatorische zweite Saitenquäler und nun muss einer allein die frickeligen Sachen über die Bühne kriegen. Aber das macht der Gute ganz hervorragend. JACK SLATER ballern sich durch ihr Set, als gäb’s morgen nix mehr zu verhauen! Technische Finessen kreisen um tierisches Geballer – Geschwindigkeit trifft viiieeele Noten! Richtig geil ist das! Der Spaßpegel schwappt schließlich ordentlich über und vor der Bühne ist richtig Alarm. Da geht’s echt ruppig zu. Fronter Horn hat die Meute aber immer im Griff. Scheint mir so was wie’n Original zu sein, der Gute. Lässt coole Sprüche ab, lästert, provoziert und frohlockt. „BLUT/MACHT/FREI“ heißt das aktuelle Album. Klingt nicht ganz jugendfrei, hat aber hintergründige Substanz. „Rohrspast“ rechnet mit Nazis ab und das in derbster Weise: „Ich reiß dir deinen Kopf ab/Scheiß dir in den Hals und/näh ihn dann wieder dran/Und weißt du was, keinem fällt etwas auf/Denn/Du bist immer noch dumm/Nichts hat sich verändert/der Mist den du verzapfst/Stinkt immer noch nach brauner Scheiße.“ Genau! Diese Deppen werden’s nie lernen. So’n Text wird (leider!) immer aktuell sein. Und weiter geht’s: „Kinderfresser I“, „Töten“ oder „Du Selbst“ sind weitere Liveknaller. Die Jungs an den Instrumenten haben wirklich gut zu tun. Obwohl der Death Metal von JACK SLATER absolut brutal rüberkommt, besteht definitiv Frickelalarm. Geil, was die Musiker da abliefern. Das sehen auch die anderen Besucher der Meierei so. Zugabe! JS müssen noch mal einen Song wiederholen, weil sie nicht mehr Sachen in petto haben. Hätten gerne ihren gesamten Set wiederholen können… Ein würdiger Headliner!

MOSH IN DEN MAI V – was für eine Bank! Danke für’s auf die Beine stellen! Hammer!

Torsten & Philipp

www.dremufuestias.de