www.antifa-kiel.org ist online!

Hallo liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen!

Die Autonome Antifa-Koordination Kiel, ein seit Anfang 2008 bestehender Zusammenschluss antifaschistisch aktiver Gruppen, Zusammenhänge und Einzelpersonen aus der autonomen radikalen Linken in Kiel ist jetzt auch online erreichbar. Da hier u.a. auch überregionale Termine und gemeinsame Abfahrtszeiten gepostet werden sollen, wird der Antifa-Info-Service auf der Meierei Seite sich zukünftig nur noch auf lokale Ereignisse beschränken und verweist für alles Weitere in Sachen Antifa mit freundlicher Unterstützung auf www.antifa-kiel.org!

Mit antifaschistischen Grüßen,
Antifa-Info auf www.altemeierei.de

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Wir dokumentieren eine Einladung des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus – Kiel und Aufrufe der Antifa Herzogtum Lauenburg| sowie der Gruppe Zunder (Kiel).

04.12.08: „Autonome Nationalisten“ – Neuer Style und alte Inhalte

Veranstaltung mit Jan Raabe, Mitautor von „Rechtsrock“

Donnerstag, den 4. Dezember 2008
um 19.30 Uhr
Legienhof, Legienstr. 22, Kiel

Nach dem neonazistischen 1. Mai-Aufmarsch 2008 in Hamburg waren die so genannten Autonomen Nationalisten (AN) bundesweit in aller Munde. Etwa 400 Neonazis beteiligten sich am „Schwarzen Block“ der Neonazis innnerhalb des Aufmarsches, von dem gewalttätige Angriffe auf Journalisten, Polizeibeamte und Gegendemonstranten ausgingen. Das Phänomen sei ihm bisher nur aus den neuen Bundesländern bekannt gewesen, äußerte sich Hamburgs Polizeipräsident. Dabei liegt einer der Schwerpunkte der AN, deren Style kaum von dem linker und alternativer Jugendlicher und junger Erwachsener unterscheidbar ist, in Westdeutschland. Spätestens seit 2003 gibt es Strukturen der AN, ausgehend von NRW prägen sie inzwischen den Style vieler Kameradschaften. Was bewegt die Anhänger dieser extrem rechten Strömung, wie und warum sind sie entstanden, was unterscheidet sie von anderen extrem rechten Ausformungen und wie sind sie organisiert?

Der multimediale Vortrag nimmt in komprimierter Form Entstehungsgeschichte, Style, Symbolik, Auftreten, Ideologie,
Themenschwerpunkte, Strategie, Mobilisierungsfähigkeit und Strukturen der „Autonomen Nationalisten“ unter die Lupe.

Ein Vertreter des Runden Tisches zeigt, wie Autonome Nationalisten in Kiel und Schleswig-Holstein zusammenarbeiten. Nach außen hin grenzen sich die Autonomen Nationalisten deutlich von der NPD ab. Zur Kommunalwahl stellten sie allerdings einen großen Teil der Direktkandidaten. Während der ersten Ratssitzung wurde eine taktische Zusammenarbeit praktiziert: während vor dem Rathaus die NPD eine Kundgebung durchführte und das NPD-Ratsmitglied Gutsche seinen Einstand im Rathaus gab griffen Autonome Nationalisten um den notorischen Gewalttäter Peter Borchert in der Fußgängerzone Antifaschisten an. Die Polizei gab sich mal wieder überrascht.

Mitglieder und Anhänger rechtsextremer Parteien und Organisationen wie NPD, DVU, Republikaner und der „Freien Kameradschaften“ haben keinen Zutritt zu der Veranstaltung (nach § 6, VersG.)

Verantwortlich i.S. d.P.: Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel, c/o ver.di, Legienstr.22, Kiel

22.11.08: Mölln ’92: Der Opfer gedenken – Deutschland anklagen

Konsequenzen des deutschen Nationalismus

Das Ereignis

Am 23. November 1992 kam es in Mölln zu rassistisch motivierten Brandanschlägen auf zwei Häuser, in denen Menschen mit Migrationshintergrund wohnten. Das eine Haus brannte nieder, doch die BewohnerInnen konnten sich retten. Im zweiten Brandhaus in der Innenstadt starben Yeliz Arslan, Ayse Yilmaz sowie Bahide Arslan.

Noch während der Löscharbeiten gab es Bekenneranrufe bei der Polizei, die mit dem Ausruf „Heil Hitler!“ beendet wurden. Obwohl die Anrufe nicht zurückverfolgt werden konnten, wurden die Täter ermittelt. Der damals 19-jährige Haupttäter wurde zu zehn Jahren Haft nach Jugendstrafrecht verurteilt und der 25-jährige Mittäter bekam eine lebenslange Freiheitsstrafe. Heute befinden sich beide wieder auf freiem Fuß.

Kontext

Die Wiedervereinigung Deutschlands 1989 führte zu einem nationalistischen Taumel. Der Mauerfall und das Ende des kalten Krieges führten zu einem neuen Einheitsgefühl; Deutschland war wieder wer und es konnte gemeinsam etwas erreicht werden.

Für alte Schuldgefühle war da kein Platz mehr, stattdessen wurde sich wieder auf deutsche Werte besonnen. Als die deutsche Nationalmannschaft 1990 auch noch Weltmeister wurde, erreichte das wiedererlangte Nationalgefühl durch den Siegestaumel einen weiteren Höhepunkt.

Politiker glänzten mit ihrer „Das Boot ist voll“-Hetze, Deutsche durften sich wieder deutsch fühlen und mit Scheinargumenten gegen Ausländer hetzen.

Da ist es kein Wunder, dass es Anfang der 90er Jahre zu etlichen rassistisch motivierten Brandanschlägen mit vielen Opfern kam, erschreckend ist es dennoch. Mölln ist nur ein Beispiel von vielen und auch nur die Spitze des Eisbergs.

Reaktionen der Stadt

Damals reagierte die Stadt Mölln vor allem mit Betroffenheit, kaum jemand mit Empörung und niemand mit Selbstkritik. Stattdessen fragte man sich, wie es so weit kommen konnte. Der Verein „Miteinander Leben e.V.“ wurde gegründet, es gab zahlreiche Protestmärsche, bei denen der Opfer mit Lichterketten gedacht wurde.

Seitdem gibt es jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung, organisiert von der Stadt Mölln. Diese würde dem Geschehenen am liebsten so klein wie möglich und auch nur so groß wie nötig gedenken. Deutlich wird dies, wenn die Stadt um ihr Image zittert und eine Umfrage zur Meinung der Deutschen zu Mölln stellt. Bei dieser Umfrage, die 2002 in Auftrag gegeben worden ist, wurde deutlich, dass noch 53% der Befragten Mölln mit den Brandanschlägen und nur 47% mit Till Eulenspiegel in Verbindung bringen. Außerdem ist der nicht beendete Satz des Bürgermeisters von Mölln in einer Zeitung „Was soll durch das Immer-wieder-Aufrühren . . .” ein Zeichen für den Überdruss, der ebenso bei weiten Teilen von Möllns BürgerInnen verbreitet zu sein scheint.

Dabei ist es keineswegs so, dass heute in Mölln und Umgebung keine Nazis mehr zu finden wären. Ganz im Gegenteil.

Naziproblem heute

Die rechte Szene in Mölln und Umgebung erstarkte in den letzten Jahren. Diese Strukturen festigen sich und sympathisieren auch mit den so genannten „autonomen“ Nationalisten. Es kam zu zahlreichen rechtsextremen Übergriffen in Mölln und Umgebung, unter Anderem auf alternativ aussehende Jugendliche, Obdachlose und Menschen mit Migrationshintergrund.

Bei den Kreistagswahlen 2008 erlangte die NPD einen Sitz im lauenburgischen Kreistag. Sie hatte ein Wahlergebnis von 2,1%.

Warum Antifaschistische Arbeit?

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Dieser Teil des Schwurs von Buchenwald hat richtig erkannt: Nazis entstehen nicht im luftleeren Raum, sie können ihren Ursprung in Vaterlandsstolz, völkischem Gedankengut oder Fremdenangst haben.

Es geht uns nicht um die bloße Bekämpfung von klassischen Nazis, sondern auch darum ein Bewusstsein zu schaffen, warum es sie gibt und warum Rassismus auch aus der „Mitte der Gesellschaft“ kommt. Die Medien und die Politik haben ihren Teil zu den bundesweiten Angriffen beigetragen und den Hass geschürt. Im Zuge der Anschläge wurden mehr MigrantInnen abgeschoben- aufgrund der Verschärfung des Asylrechts. Also war die „Lösung“ des Problems die Opfer dieser Gesellschaft zusätzlich zu strafen oder abzuschieben. Die Neo-Nazis fanden zwar keine FreundInnen, komischerweise gab es aber erstaunlich viele Menschen, die dennoch ein „Ausländerproblem“ sahen und denen das Boot zu voll wurde. Kohl sei Dank!
In Rostock wurde z.B. ein von MigrantInnen bewohntes Heim mehrere Tage lang von hunderten von Neo-Nazis und AnwohnerInnen belagert und unter Anderem mit Brandsätzen attackiert. Der Ausgrenzung von Menschen, weil sie nicht einer bestimmten Norm entsprechen, treten wir entschieden entgegen. Wenn Politiker das Ende des Multi-Kulti-Schmusekurses ausrufen, fragen wir uns, was die Alternative ist… Es ist diese Gesellschaft, die Menschen ausgrenzt und es unmöglich macht darin selbstbestimmt zu leben. Wir Alle sind es den Opfern schuldig die Gründe für ausgrenzende Gewalt zu begreifen und zu bekämpfen, wo immer sie stattfindet und welches Gesicht sie auch immer hat.

In Gedenken an die Opfer der Brandanschläge in Mölln 1992 sowie allen anderen Opfern von Nationalismus, rufen wir zu einer Demonstration auf. Damit wollen wir unsere Trauer über die Geschehnisse und unsere Wut über die bestehenden Verhältnisse auf die Straße tragen.
^Am 22.11.2008
Um 11 Uhr
In Mölln am Bauhof^
Der Opfer gedenken – Deutschland anklagen

Antifaschistische Aktion Herzogtum Lauenburg

Infos:
http://als.blogsport.de
http://antifaherzogtumlauenburg.blogsport.de

08.11.08 HL/09.11.08 KI: Revolution statt Deutschland!

Warum der 9. November kein „Schicksalstag der Deutschen“ ist und welche Erkenntnisse wir dennoch aus ihm ziehen können

Der 9. November wird von der herrschenden Geschichtsschreibung der BRD als „Schicksalstag der Deutschen“ dargestellt, an dem sich die „wechselhafte Geschichte Deutschlands“ mit seinen Höhen und Tiefen widerspiegele. Natürlich haben wir es hier mit einer konstruierten Legende von einer Nation zu tun, die aus ihren Fehlern wie aus vermeintlichen Errungenschaften gelernt haben will. Aus dieser Konstruktion leitet die deutsche Politik ein angeblich „gesundes“ und „neues“ nationales Selbstbewusstsein ab, Weltmachtanspruch inklusive. Dass diese nicht die ganze Wahrheit sein kann, wird spätestens darin offensichtlich, dass drei der vier beschriebenen historischen Ereignisse vom 9. November nahezu zufällig am gleichen Tag stattfanden. Vor allem aber waren die beteiligten Akteure keineswegs „die Deutschen“, sondern ganz unterschiedliche Teile der in Deutschland lebenden Bevölkerung. Die Widersprüche zwischen TäterInnen und Opfern, grundlegend gegensätzlichen Klasseninteressen, mörderischen Wahnvorstellungen und der Sehnsucht nach gesellschaftlicher Befreiung, sollen zu einem abstrakten Ganzen glatt gebügelt und als abgeschlossene Geschichte unhinterfragt den herrschenden Interessen dienlich sein. Dennoch und gerade deshalb möchten wir die in diesen Tagen wieder sehr präsente offiziöse Darstellung zum Anlass nehmen, ein Gedenken an die Ereignisse der 9. November aus unserer Perspektive vorzunehmen.

9. November 1938: Reichspogromnacht

Vom 7.-13. November 1938 brannten überall im nationalsozialistischen deutschen Reich Synagogen. Jüdische Geschäfte, Einrichtungen und Wohnhäuser wurden angegriffen, geplündert und zerstört. Als „jüdisch“ eingestufte Menschen wurden vertrieben, in „Schutzhaft“ genommen oder ermordet. Diese Pogrome fanden ihren Höhepunkt am 9. und vor allem am 10. November. 5 ½ Jahre nach der Machtübergabe an die die NationalsozialistInnen erreichte der antisemitische Terror an diesen schwarzen Tagen eine neue Intensität. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war es für alle Menschen deutlich: Jüdinnen und Juden unter deutscher Herrschaft konnten sich ihres Lebens nicht sicher sein.

Die nationalsozialistische Führung bemühte sich, die Pogrome als „spontane Reaktion des deutschen Volkes“ darzustellen. Im historischen Rückblick handelte es sich jedoch um eine von langer Hand geplante und durchgeführte Aktion der Nazis, die jedoch von weiten Teilen der deutschen Mehrheitsbevölkerung begrüßt und mitgetragen wurde. Kritische Stimmen blieben marginal, aktiver Widerstand blieb weitestgehend aus.

Auch als der nationalsozialistische Terror in den Folgejahren zu der industriellen Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden, der Shoa, ausgeweitet wurde, blieb die Öffentlichkeit stumm. 6 Millionen Menschen wurden in einer gigantischen Terrorwelle planmäßig ermordet – und die allermeisten Deutschen verschlossen die Augen oder beteiligten sich aktiv.

An uns als nachgeborene Generationen der NazitäterInnen ist es, die Frage zu stellen, wie es dazu kommen konnte, dass Millionen ganz normaler Deutscher bei Vernichtungskrieg und industriellem Massenmord wegsahen, Beifall klatschten oder aktiv teilnahmen. Wir müssen Lehren aus der mörderischen deutschen Geschichte ziehen und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschehen kann.

9. November 1918: Novemberrevolte

Im Jahre 1918 lag das deutsche Reich nach Jahren des Krieges am Boden. Die kaiserliche Führung hatte das Land mit Unterstützung des deutschen Adels und der kapitalistischen Eliten der Schwerindustrie an das wirtschaftliche und militärische Aus geführt: Hunderttausende junge Männer waren auf den Schlachtfeldern der Eroberungsfeldzüge des 1. Weltkrieges geblieben. Während die Massen der ArbeiterInnen und der städtischen Bevölkerung hungerten und in bitterer Armut lebten, beanspruchte und verbrauchte die herrschende Klasse den größten Teil des gesellschaftlichen Reichtums für sich und ihren selbst verursachten Krieg um ein Stückchen Weltmacht.

Nachdem die Besatzungen der in Wilhelmshaven liegenden Schlachtschiffe „Thüringen“ und „Helgoland“ am 29.10. den Befehl erhalten hatten sich kurz vor Kriegsende in eine aussichtslosen Seeschlacht mit der überlegenen englischen Kriegsmarine zu stürzen, um wenigstens im Sinne der preußischen Kriegsmoral „heldenhaft“ unterzugehen, war das Maß voll: Die Matrosen meuterten. Als Versuch der Beruhigung des Aufstandes wurden die Matrosen nach Kiel verlegt, was jedoch die gewünschte Wirkung verfehlte: Die Matrosen setzten ihre Kommandanten ab, verbündeten sich mit den ArbeiterInnen, zogen bewaffnet in die Stadt, vertrieben die Polizei, stürmten die Gefängnisse und befreiten ihre inhaftierten Genossen. Die spontan gebildeten Soldaten- und ArbeiterInnenräte übernahmen die Macht in der Stadt.

Die Revolte weitete sich schnell im ganzen Reich aus: Überall entstanden lokale Soldaten – und ArbeiterInnenräte, in München und Bremen wurden die Weichen für die späteren, kurzlebigen Räterepubliken gestellt, in Berlin rief Karl Liebknecht am 9. November die sozialistische Republik aus.

Es ging vielen Aufständischen längst nicht mehr nur um die ursprünglichen Forderungen nach Beendigung des mörderischen Krieges und des Hungers: Nach marxscher Lehre und inspiriert von der russischen Oktoberrevolution ein Jahr zuvor, wollten sie die Verhältnisse „in denen der Mensch ein geknechtetes, erniedrigtes, ein verächtliches Wesen ist“ kippen und eine neue, eine freie und gerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung verwirklichen. Eine Gesellschaft, in der die Wirtschaft zum Wohle aller Menschen und nicht nur für die Profite Weniger da sein sollte, wo alle Menschen gleichermaßen in politische und soziale Entscheidungen einbezogen sein sollten und in der sich die Massen der Menschen ihrer Lage bewusst sein sollten, um immun gegen nationalistische Kriegspropaganda und Minderheitenhetze der Mächtigen zu sein.

Mit Blick auf den drohenden 1. Weltkrieg brachte Rosa Luxemburg – einer der Köpfe der Bewegung – noch vor dessen Ausbruch die Sachlage auf eine präzise Formel: „Sozialismus oder Barbarei!“* Und nachdem sie in vier Kriegsjahren auf grausame Weise Recht behalten hatte, wollten nun hunderttausende Menschen in Deutschland ernst machen mit der Revolution.


* Wir hatten Diskussionen um den Begriff der Barbarei. Aus dem alten Griechenland kommend bezeichnet er Nicht-Griechen als kriegerisch und antizivilisatorisch. Er wurde aber in der jüngeren Geschichte von vielen Linken verwendet, nicht rassistisch, sondern im Sinne von antizivilisatorisch, d.h. antihumanistisch. Wir halten in Bezug auf diese Umdeutung im Sinne von u.a. Rosa Luxemburg die Benutzung des Begriffes für verantwortbar.


9. November 1923: Hitler-Ludendorff-Putsch

Die Revolution konnte sich nicht durchsetzen – es fehlte an Willen, Mut und Organisation. Letztlich übernahm die (M)SPD die konterrevolutionäre Führungsrolle der Bewegung und setzte ihren faulen gesellschaftlichen Kompromiss durch: Der Kaiser blieb zwar dauerhaft vertrieben, was jedoch mehr eine schon vor der Revolte auf Druck der Alliierten beschlossene Maßnahme war, als eine Errungenschaft der Revolutionäre, wie von der Mehrheitssozialdemokratie im Sinne ihrer Umdeutung der Geschichte zu ihren Gunsten später oft behauptet. Auch elementare realpolitische Fortschritte wie das Frauenwahlrecht wurden durchgesetzt. Die alten Eliten aus Industrie, Militär und Politik, also die Verantwortlichen für Massenelend und Krieg, bekamen ihre Machtpositionen jedoch größtenteils zurück.

Die wichtigsten VordenkerInnen der revolutionären Bewegung in Deutschland – Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg – wurden am 15. Januar 1919 zwei Wochen nach Gründung der KPD von rechten Paramilitärs ermordet. Zudem bekamen die Vorläufer der faschistischen Bewegung – weitgehend geduldet oder gar unterstützt von den Mächtigen- zunehmenden Einfluss auf die junge Republik.

Die deutschnationalen Reaktionäre behaupteten „Rote“ und Juden seien verantwortlich für die militärische Niederlage des Kaiserreichs gewesen und leisteten mit der Schaffung der antisemitischen und antikommunistischen „Dolchstoßlegende“ eine der wichtigsten propagandistischen Grundlagen für den späteren rasanten Aufstieg des Nationalsozialismus.

Am 9. November 1923 planten rechte Putschisten unter Führung Adolf Hitlers im Bunde mit dem ehemaligen Weltkriegsgeneral und anerkannten Idol der deutschen Reaktionäre Erich Ludendorff von München aus den „Marsch auf Berlin“, scheiterten aber zunächst.

Es sollte noch bis zum 30. Januar 1933 dauern, bis die NationalsozialistInnen mit ihrer rassistischen, antisemitischen und kriegerischen Zielsetzung an die Macht kamen. Noch einmal behielt Rosa Luxemburg auf schreckliche Art und Weise Recht: Auf das Scheitern der sozialistischen Revolution folgte die nationalsozialistische Barbarei des Vernichtungskrieges und der millionenfachen Ermordung von Jüdinnen und Juden und anderen vermeintlichen Feinden der Wahnvorstellung von einer deutschen „Volksgemeinschaft“.

9. November 1989: Der kurze Traum vom freien Sozialismus

Bis zum endgültigen militärischen Zusammenbruch des Nazireiches, der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus durch die Alliierten formierte sich (anders als in anderen faschistischen Staaten) keine größere organisierte Opposition. Es folgte die Aufteilung Deutschlands in einen kapitalistischen Westen, an dessen Aufbau sich ein Großteil der alten Nazifunktionäre fast problemlos beteiligen konnte, und einen von der Sowjetunion beeinflussten und abhängigen Ostteil, in dem ein nach stalinistischem Vorbild aufgebautes System installiert wurde. Dieses nannte sich zwar „sozialistisch“, hatte mit den Vorstellungen der ursprünglichen Bewegung aber nur noch wenig gemein. Auch wenn z.B. die alten nationalsozialistischen Eliten hier konsequenter ausgetauscht wurden als im Westen, war die Gesellschaft streng hierarchisch von oben nach unten organisiert, freiheitliche Prinzipien wie Meinungs- und Diskussionsfreiheit galten nicht einmal unter den höheren Parteifunktionären.

Gegen dieses Verhältnisse regte sich – wie in allen „realsozialistischen“ Staaten des Ostblocks – immer wieder Protest und Widerstand. Dieser wurde längst nicht nur – wie heute oft von der herrschenden bundesrepublikanischen Geschichtsschreibung behauptet – von pro-westlichen Kräften getragen. Er formierte sich außerparlamentarisch, aber auch innerhalb des Staatsapparates und sogar innerhalb der SED. Er wurde getragen von Menschen, die es noch mal versuchen wollten mit kommunistischen Vorstellungen, die etwas anderes, einen freien Sozialismus wollten. Während im Moskauer Kreml die ReformerInnen um Gorbatschow an die Macht kamen, wurde 1989 die Bewegung gegen die SED-Bonzen und die verkrusteten Staatsstrukturen der DDR so stark, dass die Honecker-Regierung gefährlich ins Schwanken kam. Unter der, trotz mieser Wortwahl, zunächst noch als progressiv zu verstehenden Parole „Wir sind das Volk!“ gingen hunderttausende in der DDR auf die Straße. Das Experiment eines freien Sozialismus schien realistisch zu sein.

Erst später wurde der bevorstehende Anschluss der DDR an die BRD immer absehbarer und die Parole wandelte sich zum nationalistischen, von Helmut Kohl geprägten „Wir sind ein Volk!“. Die emanzipatorischen Utopien wichen der platten nationalistischen Forderung nach einem vereinigten Deutschland. Es ist also äußerst zynisch, wenn heutzutage ausgerechnet ein Horst Köhler linke Gruppen aus der DDR-Opposition, wie z.B. das „Neue Forum“ auf seiner „Festrede“ am 3. Oktober lobend hervor hebt. Für diese war der 3. Oktober 1990 eine Niederlage: Sie wollten eine Föderation unabhängiger Staaten, keine Vereinigung und erst recht keinen Anschluss der DDR an die BRD.

Als die dreisten Lügen der West-PolitikerInnen von „blühenden Landschaften“ schon bald von der Realität widerlegt wurden, schwand zwar der Glaube an den Kapitalismus, der Nationalismus aber blieb. Folgerichtig konnten Neonazi-Kader aus dem Westen der Wut der Menschen über ihre mitverschuldete Enttäuschung eine Richtung geben: Anfang der 1990er brannten in Ost- und Westdeutschland Flüchtlingsunterkünfte und rechte Übergriffe auf MigrantInnen und Linke wurden Alltag.

Wieder einmal bewahrheitete sich der Satz von Rosa Luxemburg: Der Niederlage des gesellschaftlichen Aufbruchs zur fundamentalen Veränderung des Staatssozialismus der DDR, die mit dem Tag der Maueröffnung am 9. November 1989 als „friedliche Revolution“ für die Prinzipien der kapitalistischen BRD in die herrschende Geschichtsschreibung eingehen sollte, folgte die Barbarei der Pogrome von Rostock-Lichtenhagen, Solingen, Mölln und Hoyerswerda.

9. November 2008: Barbarei und kein Ausweg?

Die Konsequenz war aber nicht etwa eine breit getragene Verabschiedung vom deutschnationalen Irrsinn, ganz im Gegenteil: In den Jahren nach der so genannten Wiedervereinigung wurden rassistische Abschottungspolitik, deutsches Großmachtstreben und Kriegseinsätze der Bundeswehr von der rot-grünen Koalition wieder salonfähig gemacht und im direkten Anschluss ein von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen gefeierter schwarz-rot-gelber Nationalstolz etabliert. Und das trotz permanentem Abbau der Menschenwürde auch innerhalb der deutschen Grenzen durch Hartz-4, kostenpflichtigen Gesundheits- und Bildungssystemen oder einem Überwachungsstaat auf der permanenten Überholspur. Selbst der, vor nicht allzu langer Zeit undenkbare, Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist beschlossen und dessen endgültige Verabschiedung wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Dass faschistische und neonazistische Ideologien, die zwar in einer anderen Verpackung daher kommen, aber nach ähnlichen Denkmustern verlaufen, in einer solchen repressiven Grundstimmung seit Jahren gedeihen können, ist nahe liegend. Die Verhältnisse sind völlig offensichtlich und immer unverblümter beschissen, werden beschissener und sind der weitestgehenden Verstummung kritischer Stimmen 18 Jahre nach der „Wende“ und deren Beschränktheit auf marginalisierte Teile der Gesellschaft zu verdanken. „Nur 1650 Autonome sind nicht stolz auf ihr Land“ titelte nach der antinationalen Demo anlässlich der diesjährigen Propagandafeierlichkeiten am 3. Oktober in Hamburg die Morgenpost. Und da sehen wir auch zukünftig überhaupt keinen Grund zu und geben trotz alledem unsere Hoffnung nicht auf. Wir bleiben kämpferisch!

Denn während dieser Tage ein fast zusammenkrachendes kapitalistisches Bankensystem möglicherweise eine neue, ungewisse Ära der Geschichte andeutet, kommt man vielerorts nicht mehr drumrum, zumindest zaghafte, oft noch ziellose Versuche zu unternehmen das Bestehende zu hinterfragen. Diese Versuche könnten schon in naher Zukunft mehr werden, wenn die noch nicht absehbaren Folgen der aktuellsten Krise des neoliberalen Kapitalismus auf die unteren Bevölkerungsschichten abgewälzt werden sollen. Gerade in solchen Situationen gilt es, sich historisch zu positionieren: Aus der Betrachtung der deutschen Geschichte anhand der 9. November können wir die Erkenntnis ziehen, dass dort, wo eine revolutionäre Bewegung von unten zu schwach war, die Barbarei siegte. Der in jedem Fall notwendige Kampf für ein menschenwürdiges Leben muss jenseits von Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Kapitalismus, Kriegshetze und staatlicher Autorität geführt werden.

REMEMBER THE SPIRIT OF 1918: FÜR DEN AUFBAU EINER NEUEN REVOLUTIONÄREN BEWEGUNG VON UNTEN!
NIE MEHR DEUTSCHE BARBAREI!
^Sa., 8.11.2008:
Deutschland? Nie wieder! Gegen Rassismus und Antisemitismus! Gegen Volk und Nation!

Demonstration – 15.00 Uhr – Kohlmarkt, Lübeck
Infos: deutschlandniewieder.blogsport.de

===Gemeinsame Anreise aus Kiel===
Treffen: 13.30 Uhr Hauptbahnhof
Abfahrt: 13:44 Uhr mit dem RE

So., 9.11.2008:
Gedenken an die ermordeten GenossInnen der Novemberrevolte von 1918

Treffpunkt: 10.00 Uhr – Haupttor Eichhof, Kiel

Di., 11.11.2008:
Gedenken an die Opfer des Faschismus von damals und heute

Kundgebung – 16.30 Uhr – Asmus-Bremer-Platz, Kiel^
GRUPPE ZUNDER (KIEL) /// Kontakt: zunder@riseup.net

Weitere Termine zum Thema in Kiel:

2./8./9.11.: „Revolution in Kiel“ – Stadtspaziergänge von Geo step by step, 14 Uhr Gewerkschaftshaus, Infos: www.geostepbystep.de
5./.6./.7./8.11.: „Matrosenaufstand“ – Theater von Limited blindness, 20 Uhr Flandernbunker, Infos: www.matrosenaufstand.de
26.11.: „90 Jahre Novemberrevolution“ – Vortrag im Rahmen des selbstorganisierten Kolloquiums, 18 Uhr CAU, Infos: akkiel.blogsport.de

Flugblatt als pdf: http://media.de.indymedia.org/media/2008/10//230838.pdf

…page…


von marlene hates germany:

11.11.08 Kiel: No one forgotten – nothing forgiven

Allen Opfern des Faschismus gedenken: Deutschland demontieren!

Als in den Tagen zwischen dem 7. und 13. November 1938 in Deutschland 400 jüdische Menschen ermordet oder in den Tod getrieben, 30.000 Juden und Jüdinnen in Konzentrationslager gesperrt und fast alle Synagogen in Deutschland und Österreich niedergebrannt wurden, war dies nur die Probe aufs Exempel für die systematische und massenhafte Ermordung europäischer Juden und Jüdinnen durch Deutsche. In den Novemberpogromen zeigte sich, dass die Deutschen nicht nur stillschweigend der physischen Auslöschung jüdischen Lebens zusahen, sondern selbst bereit waren ihren antisemitischen Vernichtungswillen freien Lauf zu lassen, der in der systematischen Ermordung von 6 Millionen europäischer Juden und Jüdinnen gipfelte.

Heute sehen wir in Europa eine erneute Tendenz zu Nationalismus und Rechtsradikalismus. In Ländern wie Russland rufen Nationalist_innen zum „Rassenkrieg“ auf und bedrohen Tag für Tag das Leben von Migrant_innen, Juden und Jüdinnen und politischen Gegner_innen. Die Zahl der Morde mit rassistischen bzw. antisemitischen Hintergrund stieg von mindestens 47 im Jahr 2005 auf mindestens 72 im letzten Jahr. 2008 fielen bereits 33 Menschen der faschistischen Gewalt in Russland zum Opfer. Die meisten Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund werden in Russland jedoch kaum als solche dargestellt, sie werden von den Polizeibehörden vertuscht oder entpolitisiert bzw. unter „Rowdytum“ abgetan.

In Polen hingegen findet der Rechtsextremismus durch den Traditionalismus und die Verankerung des Katholizismus in der Bevölkerung seinen Nährboden. So kann die „Liga der polnischen Familien“(LPR) zusammen mit ihrer Jugendorganisation „Allpolnische Jugend“ (Mlodziez Wszechpolska) und dem katholischen Thorner Radiosender „Radio Maryja“(Radio Maria) jährlich zur Störung der Warschauer „Gay-Pride-Parade“ aufrufen. Die gesellschaftliche Mehrheit ist auch in Polen nicht gewillt sich gegen Rechtsextremismus zu stellen und so ist es der polnischen Nazi-Szene möglich sich ungehindert zu entfalten, wobei sie ihren Rekrutierungsschwerpunkt auf die Stadien der polnischen Fußballclubs setzt. So besteht der harte Kern der militanten Rechten in Polen aus Hooligans. Ihr sind seit 1989 mindestens 30 Menschen zum Opfer gefallen.

Diese Tendenzen zeichnen sich auch in Deutschland ab, wo eine immer stärkere und selbstbewusstere Nazi-Szene agiert, die mit Themen wie „Todesstrafe für Kinderschänder“ wie jüngst in Dresden oder der Beteiligung an Bürgerinitiativen gegen Moscheebauten immer wieder ihre Verschränkung mit der bürgerliche Mitte demonstriert. Dabei steigerte sich in den letzten Jahren die Gewalt der neonazistischen Bewegung. Es kommt statistisch zweimal am Tag zu rechten Übergriffen und seit dem Jahr 1990 sind mindestens 133 Menschen von Neofaschist_innen ermordet worden.

Betrachten wir das Phantasma des Antisemitismus, muss man/frau die Situation in Frankreich berücksichtigen. Hier sind es muslimische Jugendliche die „Jagd“ auf Juden und Jüdinnen machen, Synagogen und jüdische Schulen anzünden. Sie reproduzieren den latenten Hass einer islamischen Wertegemeinde auf Israel in den Radius ihres eigenen Lebens.

Dass verschiedene gesellschaftliche Rahmenbedingungen Faschismus produzieren können, ist eine historische Tatsache (Italien, Spanien, Portugal, Lateinamerika etc.) und gleichzeitig besteht kein Zweifel an der Singularität des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen. In Deutschland hat durch die Transformation der grundlegenden Elemente deutscher Identität in die postfaschistische Gesellschaft das Täter_innenkollektiv fortbestanden und besteht bis heute fort. Der Zusammenbruch des Ostblocks und somit die Überwindung eines Zwangsinternationalismus der Sowjetideologie macht eine Neubestimmung der osteuropäischen Identitäten durch nationale Kollektive, die mal mehr, mal weniger völkisch bestimmt sind, möglich. In Deutschland wurde durch die so genannte „Wiedervereinigung“ die Voraussetzung einer erneuten Ausformulierung der alten nationalen Identität geschaffen. Dass sich im Fahrwasser der neuen europäischen Nationalismen alsbald Faschismus finden würde, war so
abzusehen, gibt es doch nur einen graduellen, keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Nationalist_innen und ausgewiesenen Faschist_innen.

Auch wenn die Aufhebung des Widerspruchs von Kapital und Arbeit in der Volksgemeinschaft und die Verlängerung des pseudo-antikapitalistischen Ressentiments zum Massenmord an den Juden und Jüdinnen jeder kapitalistischen Gesellschaft innewohnt, in Deutschland ist sie Realität geworden. Die deutsche Nation konstituierte sich von jeher autoritär gegen Aufklärung und Liberalismus. Im deutschen Antisemitismus, also der Konstruktion der Juden und Jüdinnen als zu vernichtende „Gegenrasse“, fand das deutsche Kollektiv eine völkisch-rassische Legitimation und den Kitt für die Volksgemeinschaft.

Doch ist es auch Fakt, dass das, was „deutsch“ ist am deutschen Sonderweg, sich auch exportieren lässt. Deutschland gerät so zum allgemeinen Äquivalent der völkischen Nation. Also muss die Verwirklichung der praktischen Emanzipation von Ausbeutung und Herrschaft auf die endgültige Demontage Deutschlands abzielen.

Ob sich der deutsche Sonderweg zum Mainstream entwickelt, wird sich zeigen. Es existiert eine fortbestehende Bedrohung durch verschiedene Faschismen und eine Öffentlichkeit, die erneut desinteressiert bis wohlwollend zusieht. Diese Entwicklung forderte und fordert weiter täglich Opfer, deshalb gedenken wir aller Opfer des Faschismus. Uns ist nicht an Held_innenverehrung gelegen. Stattdessen verlangen wir eine politische Erinnerungskultur, die – im Bewusstsein deutscher Identitäten und deutscher Verbrechen – das Aufbrechen des deutschen Täter_innenkollektivs zum Ziel hat.

“…dass Auschwitz nicht sich wiederhole!“
^ Antifaschistische Kundgebung im Gedenken an alle Opfer des Faschismus

11. November, 16:30, Asmus-Bremer-Platz^
marlene hates germany


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