Schroff, schräg und eigenartig charmant

Kiemsa und Les Suprêmes Dindes rockten die proppenvolle Meierei
Kiel – Befremdlich, die Mischung aus Punk, Pop und Chanson in der proppevollen Alten Meierei, als Les Suprêmes Dindes aus Frankreich beginnen, um ihr Publikum zu buhlen. Zur Mitte des Konzerts zieht man sich aus, Sängerin und Basistin Jacqueline Bonjon und Gitarristin Anne Dubois zeigen ihre Leoparden- und Kirschrot-BHs, während Outfits und Make-up des Leadgitarristen Marguerite Borg und des Schlagzeugers Joseph Dubois eher in Richtung tuntig tendieren.


Zeit, auf die Musik zu hören. Die ist schräg, voller genialer Melodien, nicht unähnlich einer Band namens Pixies, die es in den auslaufenden Achtzigern dem aufkommenden Alternative Rock ihren speziellen Stempel aufdrückte. Les Suprêmes Dindes mischen in gut geübte Drei-Minuten-Songs immer wieder Überraschendes in Form von originellen Taktwechseln und schrägen Harmonien. Frontfrau Bojon präsentiert ein Anker-Tattoo auf dem linken Oberarm – tough! Der songschreiberische Höhepunkt ist erreicht, als Bruder Joseph ans Mikro wechselt, Borg den Platz an der Schießbude überlässt, um einen Song zu führen, der mit seinen zwei Akkorden und der charmanten Punkrock-Hookline in späten Siebzigern den B-52s’s einen Hit beschert hätte. Der erste Tonträger von Les Suprêmes Dindes stammt bereits aus dem Jahr 1996. Die zwangsläufige Routine steht ihnen gut zu Gesicht, rundet ihre Performance in qualitativer Hinsicht beruhigend ab. Und es ist schön zu sehen, dass unkommerzielle Künstler allein aufgrund von Neugier und gutem Leumund derartigen Publikumszulauf genießen, wenn die Konzertgruppe Rebelti@s zum Konzertabend einlädt.
Kiemsa im Anschluss sind bereits gern gesehene Gäste in der Alten Meierei. Das Partybarometer steigt in schwindelerregende Höhen, als die Truppe um Sänger Martin Fahrt aufnimmt. Punkrock, eine Prise Hardcore, Ska – wäre der Rock ’n‘ Roll ein Alchimist, hätte er sich diese Formel unter dem Vermerk „Achtung: magisch!“ patentieren lassen. Posaune und Trompete drücken den Sound mächtig nach vorne. Wer Frankreich in Sachen Punkrock bisher unterschätzt hatte, wird heute Abend eines Besseren belehrt. Und zwar in Form zweier Bands, die sich vor der internationalen Konkurrenz nicht verstecken müssen, sondern erfrischend durch die Zutat ihres kulturellen Backgrounds in einem ansonsten bekannt-bewährten Mix den Genres eine Frischzellenkur verpassen.