Verbale Salven auf Nicolas Sarkozy

Kiemsa, Les Suprêmes Dindes / 17.01.09 – Kiel, Alte Meierei

Was für ein Glück, dass ich an diesem Abend meine Scheuklappen hinsichtlich Trötencore abgelegt habe und dieses Konzi besucht habe! Tanzbare Mucke ist normalerweise nicht so mein Ding, aber über Kiemsa flüsterte man aus verschiedensten Ecken Gutes bis Spektakuläres und so verließ ich spontan meinen Schreibtisch, an dem eine Implosion meines Schädelinhalts kurz bevorstand.

Die Meierei: Voll, aber mal so richtig! Leute aus allen möglichen Ecken, Geschlechtern und Altersklassen tummelten sich bereits vor der Bühne in ausgelassenem Tanz zu den exaltiert aufspielenden Dindes. Die Band war als Riot Grrrl-Punk angekündigt, wobei man glatt die männliche Hälfte unterschlagen hat… Irgendwie hatten alle Bandmenschen kaum noch was an, was im Publikum zu Kommentaren wie „und so was in der Meierei. Ist das hier nicht verboten?“ oder sogar „Sonst sind die hier doch gegen Sex und so“ führte. Argh, da musste ich an die klassische Szene aus Spinal Tap denken, wo der Bassist der Band mit dem Vorwurf konfrontiert wird, ihr Plattencover sei sexistisch und er antwortet „Huh? What’s wrong being sexy?“ Dabei kleben in der Meierei doch schon überall Aufkleber a la „love sex, hate sexism“… Jedenfalls war die Band ganz nett, die Sängerin surfte über den gesamten Innenraum, musikalisch plätscherte es mir ein wenig zu seicht dahin.

Aber KIEMSA! Wow, was für ein Feuerwerk! Hab schon lange keine Brasscore-Band mehr gesehen, die derart viel Druck und Energie an den Tag gelegt hat. Man profitierte dabei auch von einem 100%ig gelungenen Klangbild. Der Mischer hatte die Sache astrein geregelt – selten klangen die Gitarren so gut in der Meierei wie heute Dabei gab es nicht einen winzigen Moment, in der die Band das Publikum nicht fest im Griff hatte. Arschprofessionell, aber auch (noch?) nicht zu routiniert, ging man zur Sache – es blieb schon Raum für spontane Ansagen und man merkte deutlich, wie sehr sich die Franzecken über das wogende Meer aus Extremitäten freuten („Hey, in Kiel it’s going better then in France for us!“). Zum Teil rollten drei oder mehr Crowdsurfer über die Hände und kollidierten in luftiger Höhe. Der Drummer peitsche mal hardcore-artig fix, mal groovig ein, der Sänger sang mit Melodie und Aggression gleichzeitig und wirbelte über die Bühne. Stilistisch war dat insgesamt ausgesprochen vielfältig, von Hardcore/Punk über Bläsergedöns bis hin zu HipHop-Einflüssen und Stakkato-Hüpf-Parts ging die wilde Reise, ohne dass es aufgesetzt klang. Die ganze Band war in Anzügen gewandet und zum Teil mit Spikes frisiert, das hatte schon Stil. Auf Äußerlichkeiten ließen sich KIEMSA dann aber auch nicht reduzieren, der charismatische Sänger (der optisch bisken an den jungen Woody Allen erinnert) feuerte verbale Salven auf Nicolas Sarkozy ab, sehr charmant in einer Mischung aus Englisch, Deutsch und Französisch. Beim letzten Song bot man denn sogar den anwesenden Pyromanen etwas, von beiden Seiten feister Funkenregen, dit machen Running Wild auch nich besser, hi hi. Die Stimmung war jedenfalls gigantisch, einige Leute waren klatschnass geschwitzt.

Die Band kann man sich gut auf Festivals vorstellen, ich würd mich freuen, die diesen Sommer nochmal irgendwo zu sehen.

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