Kraftstrotzender Stilmix: Alif Sound System in der Alten Meierei in Kiel
Von Jens Raschke
Kiel „I’m Muslim, don’t panik“ steht in leuchtenden Lettern auf dem T-Shirt von Chiko Dainja, einem der beiden Frontmänner des Alif Sound Systems, der wie angestochen über die Bühnedes bestens besuchten Alten Meierei hüpft und seine französischen und arabischen Texte im Rhythmus einer gut geölten Maschinenpistole ins Mikro abfeuert. Kollege MDB tut es ihm gleich und springt mit der Eleganz eines Bullen auf Brautschau herum.
Mit ihrem kraftstrotzenden Crossover-Mix aus Electro, Hip-Hop, Jungle, Funk, Reggae, Rock und Punk hat sich die Truppe aus dem südfranzösischen Toulouse spätestens seit dem Erscheinen ihres Debütalbums Bhass Project: Never trust a punk vor vier Jahren einen europaweiten Namen als Garant für multikulturell korrekte Top-Tanzbodenunterhaltung gemacht. Hauptverantwortlich dafür sind die Konservenklänge, die im Hintergrund von VDZ Break (elektronische Sounds) und DJ Gravebongaz (Turntables) fabriziert und von Gitarrist Faybe an der furztrockenen Flying V begleitet werden. Wiederholt sind elektrifizierte Sitats und arabische Handtrommeln zu vernehmen, die sich wie selbstverständlich mit den synthetischen Beats zum exotischen Ethno-Groove deluxe vereinen.
In seinen Texten gibt sich das Alif Sound System betont gesellschaftskritisch und lässt überdeutlich den inhaltlichen Einfluss der französisch-arabischen Band Zebda (ebenfalls aus Toulouse) erkennen: Es geht um die Probleme der Migranten in Frankreich, um die Folgen des Kolonialismus, um Krieg, Öl, Wahlbetrug, Religion und um die Verantwortlichen für die Dritte Welt. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr nahm das Alif Sound System beim „Move against G8“-Konzert in der Kieler Pumpe teil und verlieh dort seinem Protest gegen Ausbeutung und Globalisierung ebenso Ausdruck wie auf seiner zweiten CD Rimes Antipersonnelles, die Anfang 2007 erschienen ist und vob der es in der Alten Meierei einige Titel zu hören gibt, etwa das treibende Denja oder den Oriental Nervous Dub. Das subkulturell äußerst gemischte Publikum – vom bleichen Gothic bis zum kernigen Rasta – tanzt von Anfang an begeistert mit, bis weit nach Mitternacht, und beweist zumindest in dieser Nacht, dass ein friedliches Mit- und Nebeneinander der Kulturen möglich ist. Schade, dass das wahre Leben kein Konzert ist.