Party, Punk und Politik

Kiel – Vor der Alten Meierei brennen wärmende Feuerchen in alten Mülltonnen, man sitzt auf Sofas und lässt es sich gut gehen. Partystimmung einer der letzten lauen Sommernächte am späten Sonnabend, während sich in der Halle die Bands warm machen für ein kleines Feuerwerk jener Musiken, die die Alte Meierei in Kiel einzigartig machten und machen.

Die Kieler Skacore-Band The Special Refuse startet den Abend mit fetter Bläserbatterie und headbanging-tauglichen Gitarrenurwäldern. Wenn Timm Wohlsen sein Drumset vom Starkwind zum Orkan treibt, bleibt dabei auch Sänger Nils Nolda nur, die Stimme mal kurz zu schonen und sich direkt unterm Scheinwerfer zu höhensonnen. Hoch geht es her und ist doch plötzlich ganz reggae-relaxt, wenn die neun Menschen starke Kapelle mal einen Tempogang runter schaltet. Steffen Rudniks Schellenkranz geht dabei trotzdem zu Bruch. Und so hat Nils nicht zu viel versprochen, wie er augenzwinkernd der Crowd zugibt: „Bei einem richtigen Konzert muss auch ein Instrument geopfert werden.“


Energischer, manchmal auch melodischer Streetpunk: Disturbers aus Kiel. Foto Peter

Keine zerdepperten Gitarren freilich, denn die sind bei Special Refuse relativ friedlich im Vergleich zu den Old-School-Action-Punkern von The Disturbers. Das Kieler Quintett macht in seinem als vorletztes Disturbers-Konzert angekündigten Gig seinem Ruf, „aso-hart“ zu sein, alle Ehre. Die Gitarren lärmen energisch, scheuen aber auch nicht einen melodischen Riff und direkten Publikumskontakt, denn das Bad in der Menge beflügelt nicht nur Shouter G. B. Glace. Letzterer beschwört „die Kunst, auswendig gelernt zu klingen, obwohl’s gar nicht auswendig ist“, eine der guten alten Punk-Tugenden, wenn denn Punk Tugenden haben kann oder will. Leichte Versinger stören nicht, da man eh kaum Text versteht, außer dass es mächtig gegen die abgefuckte Welt und ihre privaten wie politischen Zumutungen geht.

Etwas „gesitteter“ kommen die Cola Freaks aus Århus daher. Ihren gitarrenlastigen „Sci-Fi lo-fi Dance“ gestalten sie zwar auch hardcore, aber mit gewitzten Tempowechseln. Nahtlos fügen sich die Stücke aneinander, nicht mal Sänger Mads unterbricht in den Rückkopplungsgewittern zwischen zwei Titeln sein infernalisches Zucken. Durch die druckvollen Be- und Entschleunigungen jedoch gewinnt das Ganze Struktur und wirkt fast wie eine kleine Punk-Oper mit deutlich erdiger Verankerung im Gitarrengrund. Da darf zwischendurch auch gerne schlagbohr-gebeatet werden.

Dass man in der Meierei auch anders als Punk kann, zeigen drei Chicas aus Argentinien. Actitud María Marta bieten Hip-Hop-Reggae mit eindeutiger politischer Botschaft gegen die Herrschenden und Ausbeuter dieser Welt, die in ihrer und anderer südamerikanischen Heimat ihr unmenschliches Wesen treiben. Die Texte sind im Mestizo-Slang, also für kühle Norddeutsche nicht direkt zu verstehen. Dennoch kommt die revolutionäre Parole musikalisch eindeutig rüber – gemixt mit den entspannt lebenslustigen Geistern von Reggae und Tango. So wird aus Party Politik und wieder Party, eine schöne und Meierei-typische Dialektik, in der man mal wieder sehr angenehm was auf die Ohren bekommen hat.

Von Jörg Meyer