Alte Meierei bietet Alternativprogramm zur Kieler Woche
Kiel – „Wer das Mutanten-Treiben in der Stadt nicht aushält, ist herzlich eingeladen, bei uns Unterschlupf zu suchen.“ So steht es in der Ankündigung. Es ist ein windiger Montagabend, und Kiel erholt sich von der Action zum Einstand der Kieler Woche. Ganz Kiel? Nein. Abseits des voll kommerzialisierten Massentrubels sorgt die Konzertgruppe „Conformist Concerts“ für die Gegenbewegung zu überteuerter Standgebühr, Coverbands und Klang-Überfluss. Das hat in der Alten Meierei Tradition, Motto: „Kieler Woche stinkt!“
Punkrock aus Amerika: Autistic Youth
widmen sich dem Genre auf traditionelle
Weise. Foto: Bevis
Attack! Vipers! aus Nordengland machen den Anfang vor überschaubarem Publikum. Ihr Hardcore hat von allem etwas: Klassischer Punkrock, Crust-Elemente, hier und da gar melodiöse Ansätze in den Riffs. Das Quartett aus Portsmouth macht keine Gefangenen, allen voran Shouter Joe Watson, der einem Derwisch gleich durch den Raum wirbelt und manisch ins Mikro brüllt, dass man Angst haben muss, dass die Stimmbänder jeden Augenblick herausgewürgt werden könnten. Metallisch, melancholisch, niemals langweilig. Thematisch geht es um das Proletariat, die Arbeiterstreiks im Nordengland der Thatcher-Ära, Songs und Parolen gegen soziale Missstände und gesellschaftliche Intoleranz. Mark Denney am Schlagzeug brilliert durch das richtige Maß an Arrangement, patzt dafür in den Wirbeln, was bei der infernalischen Wand aus Marshall-Zerrung und Bassverstärker nicht weiter auffällt, während Tom Hussey an den vier Saiten ein stetes Gewittergrollen fabriziert. Und für akustischen Sprengstoff sorgt zwischen originellen Harmonien und Lärmwänden Attack!Vipers!-Gitarrist Ben Pescod.
Masshysteri aus Schweden und die Amerikaner Autistic Youth pflegen dann – weniger spektakulär als der Opener – eher den traditionellen Punkrock der frühen Achtziger. Es sind Attack!Vipers!, die den Konzertabend nach Hause bringen. Klänge, die auf der Kieler Woche niemals zu hören sein werden, ein Husarenritt durchs Hardcore-Genre, der süchtig macht. D Rail Me, Holy Ghost, Bite Radius – großartige Songs. Mit rhythmischen Mustern in mantraesker Wiederholung und Endzeit-Refrains, die sich in den Gehörgang fräsen. Schön, dass es dieser Tage eine (sub)kulturelle Alternative gibt.
Von Carsten Purfürst