Achtung: Prozess eingestellt! Der fünfte Prozesstag findet nicht mehr statt!
Bericht von den ersten beiden Verhandlungstagen auf Indymedia.
Der Prozess gegen zwei Kieler Atomkraftgegner, denen im
Zusammenhang mit dem Castortransport 2005 bei Harlingen das
Anzünden von Strohballen vorgeworfen wurde, ist auf Staatskosten eingestellt. Vor Gericht wurde eine nicht als Schuldeingeständnis zu wertende Einigung auf 100 Stunden soziale Arbeit erzielt. Die für Freitag angekündigte Fortsetzung des Prozesstermins fällt somit aus.^
Wir dokumentieren ein Flugblatt der Soligruppe „Harlingen 2005“.
Der Zug rollt wieder an. . .
Bis 2010 sind um den durch die Bundesregierung zugesicherten Zeitplan einzuhalten noch drei Castortransporte von LaHague nach Gorleben geplant. Durch die Pause 2007 besteht damit jetzt ein gewisser Zeitdruck. Der nächste Transport ist für 2008 angesetzt, und es gibt sogar einige Hinweise auf einen zweiten Transport 2008. Doch beginnt die nächste Runde nicht erst mit dem Transport. Diesmal eröffnet die Staatsanwaltschaft das Spiel. Mit einem Prozess.
Am 31.1.08 werden vorm Amtsgericht Dannenberg zwei Menschen vor Gericht stehen, die Anklage lautet Brandstiftung. Sie werden beschuldigt, im November 2005, am Tage des Castortransports ein Strohlager an der Strecke abgefackelt zu haben. Als Beweise gelten die dubiosen Aussagen zweier Zivibullen, sonst nix. Abgehandelt wird das ganze vorm Schöffengericht, sodass ein hohes Strafmaß zu erwarten ist.
Seit mehreren Jahren hat es keine schwerwiegenden Anklagen im Zusammenhang mit Castortransporten mehr gegeben. Doch rechtzeitig zur nächsten Transportserie geht’s wieder los. Vieles deutet darauf hin, dass es der Staatsanwaltschaft auch diesmal nicht nur um die Bestrafung dieser beiden Menschen geht, sondern vielmehr um die abschreckende und einschüchternde Wirkung eines harten Urteils auf den gesamten Widerstand. Aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen und noch ist das letzte Wort auch längst nicht gesprochen!
Die möglichen Folgen der Atomkraftnutzung sind unkontrollierbar und stellen damit eine permanente Gefahr für alle Lebewesen dar. Die Durchsetzung der Atomkraftnutzung und das Verschieben hochradioaktiver Substanzen quer durch Europa dürfen nicht als alleinstehendes Übel und der Castorwiderstand nicht als eine Art „Heimatschutz“ begriffen werden. Vielmehr ist das Verhalten des Staates in Sachen Atomkraft beispielhaft für die Lebensfeindlichkeit autoritärer Systeme.
Ernstgemeinte und inhaltlich fundierte Kritik kann folgerichtig nicht losgelöst von Staats-, System- und Kapitalismuskritik geäußert werden.
Die abstrusen Behauptungen der Atomindustrie und ihrer Lobbyisten, bei der Atomkraft handele es sich um eine besonders sichere und saubere Art der Energiegewinnung, widerlegen sich allein schon bei der Frage, was aus den atomaren Hinterlassenschaften werden soll. Es gibt für Atommüll keine verantwortbare Lösung, im Zwischenlager nicht, im Salzstock Gorleben nicht und auch nicht anderswo. Die Erfahrungen mit dem Atommüll im absaufenden Salzbergwerk Asse sollten dies endlich deutlich gemacht haben. Es ist klarzustellen, dass eine sichere Lagerung von strahlenden hochradioaktiven Substanzen sowieso keinesfalls möglich ist und dass bei gegenteiligen Behauptungen lediglich wirtschaftliche und machterhaltende Interessen im Vordergrund stehen. Das Gefährdungspotential von Atomreaktoren wurde durch eine Reihe von Störfällen 2007 wieder einmal deutlich. So gab es unter Anderem Störfälle im Reaktor Krümmel (D), Brunsbüttel (D), Leibstadt und Benzau (CH), sowie drei weitere in französischen Kernreaktoren. Im schwedischen Reaktor Forsmark kam es sogar zu einem schwerwiegenden Störfall, bei dem der Reaktor über 20 Minuten außer Kontrolle geriet. Alle Störfälle haben eines gemeinsam.
Sie wurden von Atomwirtschaft und Staat verharmlost und zum Teil sogar vertuscht.
Es geht dem Staat bei der weiteren zivilen Nutzung der Atomkraft wohl auch um ganz andere Aspekte als um die einfache Energiegewinnung.
Schließlich fällt bei vielen Atomreaktoren als Abfallprodukt Plutonium an, aus welchem mit wenig Aufwand und dem entsprechenden knowhow atomwaffenfähiges Plutonium gewonnen werden kann. Es geht dem deutschen Staat bei der Nutzung der Atomkraft und deren Erhalt also auch um ein militärisches „Hintertürchen“! Welcher autoritäre Staat würde freiwillig auf diese Technologie und somit auf einen bedeutenden militärischen Drohfaktor zur eigenen Machtsicherung verzichten?
Mit den Transporten, dem völlig halbherzig betriebenen Ausstieg (also faktisch eher dem Festhalten an Atomenergie) setzt der Staat (mal wieder) wirtschaftliche und machtpolitische Interessen gegen einen breiten Widerstand durch. Die tausend prügelnden Robocops entlang der Strecke sind nur der sichtbare Teil dieser Machtdemonstration. Der größere Teil staatlicher Repression greift eben deutlich bevor es öffentlich sichtbar wird. Das Ziel repressiver Maßnahmen geht deutlich weiter, als nur die konkret betroffenen und ihr direktes politisches und persönliches Umfeld massiv einzuschränken. Die Kriminalisierung und Einschüchterung von Widerstand im Ganzen ist wohl das vorrangige Anliegen. Staatliche Repression ist vor Allem die staatliche Ausnutzung von Angst.
Wirklichen Widerstand gibt es aktuell nur sehr selten und dann wenig.
Vielmehr handelt es sich meist um Protest. Und dieser spielt sich eben innerhalb der vom Staat vorgegebenen Spielregeln ab (z.B. Einhaltung von Demoauflagen etc.). Die Gründe hierfür sind mit Sicherheit vielschichtig. Ein nicht unerheblicher Faktor ist aber bestimmt Repression. Immer wieder wird, für jeden unmissverständlich, deutlich gemacht, was mit denjenigen passiert, die sich regelwidrig verhalten.
Anklagen und Verurteilungen, Überwachung und Bespitzelung, Knüppel und Wasserwerfer, die letzte Schnüffeloffensive im Rahmen der §129a Verfahren, Menschen im Knast, bis hin zu Menschen wie Sebastien, der während des Castortransports 2004 in Frankreich überfahren wurde und dessen Tod von Bullen, Staat und Atomwirtschaft billigend in Kauf genommen wurde. Auch wenn diese Beispiele nur bedingt miteinander vergleichbar sind, haben sie doch alle eins gemeinsam: Sie zeigen, dass unser Leben für die Interessen von Staat und Wirtschaft keinerlei Rolle spielt.
Doch Staat und Wirtschaft sind keine handelnden Personen. Sie basieren auf einer Gesellschaft die die Prinzipien von Gewinnmaximierung, Machtverhältnissen, Ausbeutung und Unterdrückung verinnerlicht hat und diese in jedem Eckchen der Gesellschaft reproduziert. Nur die tägliche widerspruchslose Teilnahme, Ignoranz und Gleichgültigkeit, der Wunsch nach einem starken Staat und die Begeisterung der Menschen, durch Macht- und Gewaltdemonstration Innen- wie Außenpolitisch für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen, halten Konstrukte wie Staat und Wirtschaft handlungsfähig.
Der Castorwiderstand im Wendland ist eins der wenigen, aus den 80ern mitgenommenen Beispiele, dass solidarisches Miteinander zwischen radikalen Systemkritikern und bürgerlichen Gruppierungen, sowie Militanten und Gewaltfreien durchaus möglich und effektiv sein kann.
Mitte der 90er Jahre gab es dort noch entschlossenen und in breiten Teilen militanten Widerstand, der von der Gesamtheit des Widerstands mitgetragen wurde. Der Akzeptanz und Unterstützung militanter Aktionen und Widerstandsformen ging sicherlich Verständnis und Zustimmung radikaler Systemkritik voraus. Doch wieso hat der Widerstand seitdem trotzdem nicht nur zahlenmäßig deutlich abgenommen?
Dies ist bestimmt nicht allein auf die wieder zunehmende
Staatsrepression mit Bulleneinsätzen von bis zu 30 000 Staatsrobotern pro Castortransport zurückzuführen. Die Gründe hierfür scheinen vielmehr innerhalb des Widerstands zu liegen. Zum Beispiel das „Aussterben“ kontinuierlich und inhaltlich arbeitender Gruppen seitens des radikalen Spektrums macht es bürgerlichen Gruppierungen schwerer, inhaltlich zu diskutieren und zu verstehen. Es scheint aktuell allerdings von beiden Seiten auch nur wenig Interesse zu bestehen, miteinander zu diskutieren oder zusammenzuarbeiten. Ohne ein Plädoyer für wahllose Bündnisse halten zu wollen, scheint es uns unumgänglich, sich zu vernetzen. Systemkritik in die Breite zu tragen, ohne dabei eigene Inhalte aufzugeben. Für die kommenden Transporte scheint es uns unverzichtbar, zu einer besseren Zusammenarbeit zurückzufinden. Um wirklich gefährlich und gemein zu sein brauchen wir eine möglichst breite Basis des Widerstands; inklusive aller damit verbundenen Reibereien und Diskussionen. Dogmatismus und Spalterei nützt nur dem Gegner, nicht dem Widerstand!
Wir sehen den 31.1.08 als eine neue Gelegenheit in diesem Zusammenhang, dem Staat und der Wirtschaft zu zeigen, dass ihre Interessen für unser Leben keinerlei Rolle spielen und dass wir nicht bereit sind, die Regeln ihres Spiels anzuerkennen oder womöglich mitzuspielen.
Lasst die Angeklagten auf den Prozesskosten nicht alleine sitzen und unterstützt sie auch finanziell z.B. durch Spenden auf folgendes Konto:
EA Gorleben; Kto: 12945300; BLZ: 25861990;
Stichwort: Harlingen2005
Kontakt zur Soligruppe gibt’s unter: Harlingen2005@web.de
Begleitet diesen Prozess solidarisch mit kreativen Aktionen inner- und außerhalb des Gerichtsaals!
Erscheint zahlreich und entschlossen!
^Fünfter Prozesstag: 13.6.08
ab 9.30 Uhr (Prozessbeginn 10.00 Uhr)
Amtsgericht Dannenberg oder sonst wo…^
^ Prozess gegen Kieler CastorgegnerInnen geht weiter!
Nachdem die letzten beiden Prozesstage in Dannenberg eher von Formalien als von „wichtigen“ Ereignissen geprägt waren, und auch der nächste Tag am 6.6.08 nur ein Durchlauftermin wird, stehen danach wieder reguläre Prozesstage an.
Der nächste Prozesstag, zu dem wir euch wieder herzlich einladen wollen mit uns ins Wendland zu fahren, findet am
Freitag, den 13.6.08, im Amtsgericht Dannenberg statt.
Soligruppe Harlingen2005