Dritte Wahl, Pascow, Coffein / 08.03.08 – Kiel, Alte Meierei
So ein Package ist für ’ne Konzertgruppe mal ein angenehmer Selbstgänger – was soll schon groß schief gehen, wenn du Dritte Wahl und Pascow buchst? Du müsstest schon mit größter Anstrengung Ort und Zeitpunk des Geschehens verheimlichen, damit nicht Horden dreckiger Punker den Schuppen belagern. Das hatte offenbar niemand vor – obwohl auch nicht gerade üppig plakatiert war: Bereits gegen 21.00 Uhr stand eine Schlange an der Kasse, die glatt bis zur Straße reichte, irgendwann war’s denn auch ausverkauft und nicht wenige mussten enttäuscht nach Hause gehen.
Endlich war es mal wieder schön warm in der Meierei, bedingt allein durch die kollektive Körperwärme. […
Als erste waren Coffein am Start, 15-jährige Punks aus Schönberg. Und was soll man sagen – die heizten dem Mob doch wirklich gut ein. Schön wat Deutschpunk mit Elan, dazu hier und da was Gecovertes, was ich aber meist nicht erkannt hab. „Ich bin Punk und ich bin frei – du bist bei der Polizei“ – das kam mir auf jeden Fall bekannt vor. Und lustig war’s auch, als ’ne Gitarre ausfiel, der Sänger das Publikum skandieren ließ: „He hei ho – Punk im Po“. Das hätte man bei vielen Bands albern gefunden, aber da die ganze Hütte begeistert mitschmetterte und die Band sich so freute, war’s doch lustig.
Punk wird ja von irgendwelchen Profijournalisten oder Frickelmetallern oft als dilettantisches Gekloppe abgetan. Die ham aber offenbar noch nie ’ne richtig tight zockende Band wie PASCOW gesehen und sollen ruhig unwissend sterben. Sehr energisch gaben die Herren Gas, und was mir besonders gefiel – es kam zu 100% rüber, dass die mit Herzblut dabei waren. Was für Refrains! Sehr geil dieser Hit: „Trampen. Nach Norden! Dann ans Meer und dann weg!“, der weckte dat Fernweh in meinem schmierigen Hardcore-Herzen. Der Innenbereich der Meierei war jetzt von hin- und herwogenden Leibern erfüllt, Stagediver wurden nach hinten durchgereicht. Eklig nur ein Typ, der mit blutverschmierter Fresse auf mich zutaumelte und wie ein Zombie nach meinem Bier grabschte. Nee, Kollege, ich geb ja gern ma ’nen Schluck ab, aber erstma Fresse waschen und „Bidde“ sagen!
Gunnar von DRITTE WAHL erzählte mir vorher noch übers Tourleben. Seit vier, fünf Jahren leben DRITTE WAHL komplett von der Band. Das stell ich mir eisenhart vor – sobald mal einer krank ist und mehrere Shows ausfallen, sieht das Ganze existenziell bedenklich aus, da besteht schon ein gewisser Druck.
Den man den Jungs aber auf der Bühne weiterhin nicht anmerkt. Wie immer ging es voll ab – DRITTE WAHL griffen tief in die Tasche und spielten aus allen Phasen Songs. Soll man Highlights nennen? Für mich „Auf der Flucht“ (immer noch ergreifend), „Halt mich fest“, „Resolution der Kommunarden“, „Schaum auf der Ostsee“, „Rausch“, „Kleine feige Helden“, „Dritte Wahl“ und „Auge um Auge“. Har har, das reicht bei anderen Bands schon für ’ne gesamte Playlist. Ach, eigentlich hab ich jeden Ton abgefeiert. Geil eben diese Abwechslung bei DRITTE WAHL – da gibbet extrem tanzbare Gute-Laune-Stücke, schon fast metallische Abgehnummern und zwischendurch auch mal ruhigere Töne. Gunnar moderierte den Gig wie immer entspannt. Cool auch, wie sich völlig unterschiedliche Altersklassen im Pit vereinten, ist ja nicht selbstverständlich, dass eine Band 15-Jährige bis über 40-Jährige anspricht. Ist eben zeitloser Scheiß, und die Probleme, die in den Texten thematisiert werden, sprechen jede/n an, der Bock hat auf mehr als die üblichen „Punkrock & Saufen“-Klischees. Ein weiterer gelungener DW-Auftritt also, der auch wie gewohnt schön ausführlich war, sodass kaum jemand unbefriedigt nach Hause bzw. auffe nächste Party gekrochen sein dürfte.