Commandante und Barnstormer in der Alten Meierei in Kiel
Kiel – „Wir leben in einer zerrütteten Welt, in der die Mächtigen das Leben von Millionen kontrollieren.“ So ist es im Promotext der Scheibe Brot und Freiheit zu lesen, die eine echte Old-School-Punkband namens Commandantes|Commandante im Vorprogramm des legendären Attila the Stockbroker’s Barnstormer|Attila the Stockbroker vorstellt.
Und die Alte Meierei in Kiel ist gut gefüllt, als die Gitarren beginnen, ihre Drei-Akkorde-Botschaft zu verkünden. Commandante, hervorgegangen aus der Bielefelder Punkrock-Legende Notdurft, stimmen ein mit sozialistischen Arbeiterliedern, verpackt in Lärm und fußballstadien-kompatible Refrains, die zum Mitgrölen und Stagediven animieren. Da hämmert’s gewaltig im Bass/Schlagzeug-Getriebe, allein der Frontmann wirkt in seiner leicht gebeugten Haltung manchmal etwas verloren. Vermehrt gehen hier Appelle an die „Arbeiter Kiels“, tragen Songs Titel wie Auf die Barrikaden oder Che Guevara, wird die Internationale im Publikum angestimmt.
Schon in der Umbaupause herrscht ein anderer Ton: Eine Geige wird gestimmt, die Verstärker werden noch einen Tick weiter aufgedreht. „No Blood for Oil!“ ist nur ein Schlagwort – wenn auch zurzeit sein präsentestes – mit dem sich Attila the Stockbroker ins Konzert stürzt. Die Band des Südengländers präsentiert sich fantastisch eingespielt und zeigt, dass Punkrock durchaus handwerkliche Qualität besitzen darf. Barnstormer ist der Name der 1995 gegründeten Formation, die Attila the Stockbroker kongenial durch seine künstlerische Schaffensphase der vergangenen Dekade begleitet.
Attilas Geige zerrt und zwiebelt sich durch den Raum, dann gibt es auch schon die Single Baghdad Ska, die überzeugt durch ihren unbedingten Groove und textlich die sozialpolitisch kritische Richtung vorgibt, in die ein Abend mit dem Enfant terrible der Folk-Punk-Szene läuft. Commandante Joe ist dem vor wenigen Jahren verstorbenen Joe Strummer gewidmet, der als Frontmann der legendären The Clash Punkgeschichte schrieb. Hier kommt guter, alter Uptempo-Folk Marke The Pogues zu neuen Ehren, doch es ist die etwas moderatere Gangart, die hier die Alte Meierei rockt. Attila the Stockbroker ist nun einmal bekannt für schweißtreibende Performances, und auch in diesem Fall wird er seinem Ruf gerecht: Ob mit Violine, Mandoline, singend oder Gedichte rezitierend – der Mann ist ein Entertainer, und die Authentizität, mit der hier zu Werke gegangen wird, ist seine stärkste Waffe. Ein klasse Konzert mit zwei außergewöhnlich guten Acts, die diese hohe Besucherzahl verdient haben. Von Carsten Purfürst