25 Jahre Hausbesetzung in Kiel – Die Festwoche
Anfang Dezember, Alte Meierei, Kiel
* mittlerweile ist klar, dass diese Festwoche nicht im Dezember stattfinden wird. Das Verbot der Stadt Kiel, Konzerte in der Meierei zu veranstalten besteht nachwievor und uns ist nichts tolles eingefallen, wie wir mit den anfallenden Zwangsgeldern umgehen sollen, für den Fall dass wir die Woche doch machen. Das Watcha Clan-Konzert wird wahrscheinlich in der Hansastraße 48 stattfinden, wo uns die Genossen von MestizoSound mit in ihrer Veranstaltung aufnehmen wollen. Das Konzert mit Alcohol Fino muss leider ausfallen, da wir keinen alternativen Auftrittsort mehr gefunden haben und die Party wird wahrscheinlich in kleinem Rahmen im Subrosa stattfinden. Das geplante Konzert mit den dänischen Bands ist erstmal verschoben, die Veranstaltungen und der Film ebenso. — Wir haben uns aber fest vorgenommen diese Woche sobald wie möglich in der Meierei stattfinden zu lassen – sobald es dazu eine realistische Möglichkeit gibt.
1977 Tod in Stammheim. Brokdorf, Kalkar, Malville, die Anti-AKW-Bewegung stößt an ihre Grenzen, die „bleierne Zeit“ bricht an. 2 Jahre lang politisch tote Hose. 1979 beginnen so genannte Spontis in Berlin, Freiburg, Göttingen, Häuser zu besetzen. Aus Gründen der Wohnungsnot und auch aus politischen Gründen. In Kiel wurde 1979 die „Initiative Schöner Wohnen“ gegründet, die sich theoretisch an die Analyse der Zeitschrift „Autonomie – Neue Folge“ anlehnte. Praktisch wurde in Göttingen das „Hausbesetzer-Handwerk“ erlernt. Gleichzeitig wurde in Kiel gegen die Innenstadtsanierung und gegen Leerstand von Häusern und Wohnungen in öffentlicher und privater Hand gearbeitet.
Im Laufe eines Jahres wuchs die Zahl der AktivistInnen auf 100 Leute an. Der Schwerpunkt lag zwar bei der anvisierten Hausbesetzung, aber es wurde auch zu Gorleben und Brokdorf (Anti-AKW), Hungerstreik der politischen Gefangenen (RAF, Bewegung 2.Juni) und vielen anderen Themen gearbeitet. Es gab zwei Zeitungen, die „Kieler Fresse“ für soziale und politische Themen, die „GAS“ (gegen Abriss und Stadtzerstörung) als Sprachrohr der Initiative und daneben noch ein sporadisch erscheinendes Blättchen namens „Gesocks“ für die eher illegalen Themen. All dies mit eigentlich nur ein paar Leuten.
Aus dem Arbeitsschwerpunkt der Initiative SAS 1 (Sanierungsgebiet Südliche Innenstadt) wurde ein Haus ausgeguckt. Kontakte wurden geschlossen und die Besetzung mindestens einer Wohnung wurde für den 3.12.1980 anvisiert. Das Haus trug die Adresse Sophienblatt 22-24 und war unter anderem früher jahrelang der Wohnort von Georg von Rauch (1971 von der Polizei erschossen, Mitglied der Stadtguerilla). Die „Neue Heimat“, gewerkschaftseigener Konzern, unter anderem auch für das Kieler Viertel Mettenhof verantwortlich, war Eigentümer dieses Hauses. Sie ließ die leerstehenden Wohnungen mehr als fünf Jahre verrotten. Am 3.12.1980 wurde das Haus (zuerst zwei Wohnungen) in einer Aktion, die von mehr als 700 Menschen getragen wurde, besetzt. Dies war der Beginn der Kieler Hausbesetzerbewegung. Bis 1983 waren im Sanierungsgebiet selbst 5 Häuser besetzt, dazu gab es noch die Hansastr. 48, die als kollektives Eigentum bis heute existiert.
Von vielen als „befreites Gebiet“ angesehen, hatten die 150 BewohnerInnen doch ihre Schwierigkeiten, mit der neugewonnenen Freiheit umzugehen. Andererseits war es für viele eine sehr schöne Zeit, in der mensch so viel lernte wie andere in 10 Jahren nicht. Es war sehr schnell möglich, politisch zu agieren, weil in kürzester Zeit viele Leute zusammengetrommelt werden konnten. Auf der anderen Seite war der Tag mit zig politischen Treffen ausgefüllt.
alles für alle…
Es gab nicht nur tägliche Hausversammlungen als oberstes Entscheidungsgremium, sondern auch Knastgruppe, Zeitungsgruppe, Theatergruppe, Kneipengruppe, Drogengruppe, Autonomes Zentrum, Fahrradwerkstatt, Lederwerkstatt, mehrere Bands, Umzugs- und Renovierungsgruppe, Mieterversammlungen in den Stadtteilen, die es wünschten, Linksradikales Maklerbüro, Veranstaltungsgruppe, Schulschwänzerkino und eine Cafe-Gruppe sowie diverses mehr. Außerdem lebten die meisten Leute in WG´s, die wiederum ihre eigenen Treffen hatten … und leben wollte mensch ja auch noch. Das Negative dabei war, dass wir irgendwann vergaßen, über den eigenen Tellerrand zu schauen, was nicht nur von den UnterstützerInnen „draußen“ schwer bemängelt wurde, sondern auch im Innern zu einer Krise führte, die dann auch bis zum Ende anhielt. Zum Schluss wurden Verhandlungen mit der Stadt um „Ersatzwohnraum“ geführt. Ergebnis davon waren lange Jahre die Häuser „Alte Sattlerei“ in Friedrichsort, das unvergessene „Merhaba“ in der Harmsstr. Und die „Alte Meierei“ am Fernsehturm. Der ganzen Bewegung kann mensch bei aller Kritik zugutehalten, dass sie zur Verbreitung linker Kultur und Politik in Kiel sehr viel beigetragen hat, wovon wir noch heute teilweise zehren. Auch wenn die „Alte Meierei“ das letzte uns verbliebene Stück vom Kuchen ist, dabei wollten wir doch die ganze Bäckerei…
Aber auch nach 25 Jahren gibt es uns noch. Wir leben und kämpfen nach wie vor, nur viel zerstreuter als früher und in vielerlei Bereichen. Der Meierei gilt unsere Solidarität, wir möchten gerne noch mal so was wie ein Klassentreffen und wir möchten informieren über die damalige Zeit. Kurz, all dies nehmen wir zum Anlass, Anfang Dezember mit allen, die es wünschen, Party zu machen. Der alte Häuserfilm wird gezeigt werden, am 2.12. findet ein Konzert mit Watcha Clan aus Marseille, am 3.12. ein Konzert mit Alcohol Fino und die zentrale Feier statt und wir wollen mindestens eine Veranstaltung machen. Es gibt noch mehr Planungen und über weitere Ideen zur Ergänzung der Woche freuen wir uns.