Für Bewegung sorgen! Naziaufmarsch stoppen!

Am 29. Januar 2005 wollen militante Neonazis aus sogenannten freien Kameradschaften zusammen mit der NPD durch Kiel marschieren. Unter dem Motto „Gegen Multikulti und Hartz IV, das Volk sind wir“ wollen sich Herrenmenschen, RassistInnen und AntisemitInnen, faschistische SchlägerInnen, gesichtslose Familienoberhäupter, frauenverachtende Männerhorden, rechts- und ordnungsfanatische SpießbürgerInnen in der Stadt zusammenrotten.
Bereits vor 6 Jahren versuchten 800 Nazis zu Ehren der Wehrmacht/ Waffen-SS durch Kiel zu marschieren. Dieser Plan wurde durch den entschlossenen Widerstand von 3000 Menschen zunichte gemacht. Der Marsch endete damals mit einem Sitzstreik der Nazis in der Fleethörn und der Forderung an die Polizei, ihnen den Weg frei zu knüppeln. Da der Polizei dies nicht gelang, mussten sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren.
Dieser Tag war eine Niederlage für die Nazis, genau wie ihr Versuch im vergangenen Juni in Kiel-Gaarden einen Propagandastand durchzuführen. Über 200 Menschen zeigten ihnen sehr eindringlich den schnellsten Weg aus dem Stadtteil heraus.
Wir, das autonome und linksradikale Plenum zur Verhinderung des Naziaufmarsches, rufen alle Menschen dazu auf, den neuesten Auftritt der Neonazis in Kiel erneut zu einem Desaster werden zu lassen und die NPD und andere NSDAP-Fans am 29.1. schnellstens aus der Stadt zu jagen!


„ Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ ( Paul Celan)

Die Nazis beziehen sich mit ihrem Aufmarschdatum bewusst auf die Machtübergabe an die NSDAP vor 72 Jahren. Kern der nationalsozialistischen Ideologie ist der Glaube an die naturbedingte Überlegenheit einer herbei halluzinierten „arischen Rasse“. Hieraus leiten Nazis den historischen Auftrag ab, dem „Recht der Natur“ Geltung zu verschaffen. Durch „Rassenhygiene“ und Eugenik , durch die „Ausmerzung“ von „minderwertigen Rassen“ sowie „kranken Elementen“ soll ein „reiner arischer Volkskörper“ geschaffen werden. Im Nationalsozialismus wurde diese Ideologie erstmals zur Staatsdoktrin erklärt. Sterilisations-, „Euthanasie“- und Nürnberger „Rassegesetze“ bildeten eine Grundlage für die systematische und industrielle Massenvernichtung von JüdInnen, Sinti und Roma, Homosexuellen und sog. behinderten Menschen.
Dazu kam, dass Rassismen und Antisemitismus einhergehend mit Herrenmenschentum, Loyalität, Abgabe der Selbstverantwortung durch hierarchische Strukturen und Bürokratismus in den Denkstrukturen zutiefst verankert waren.
Das Kontroll- und Überwachungssystem des Nationalsozialismus funktionierte deshalb so gut, weil es ein perfekt organisiertes Netzwerk von Kontrolle und Selbstkontrolle war, aufgebaut auf widerlichstem Denunziantentum, das auch dem kleinsten Arschloch das Gefühl gab, ein wenig an der Macht teilhaben zu können.


Bilder von den Aktionen gegen den Naziaufmarsch 1999

„Ihre Welt aus Ordnung ist mir zu steril und ihre Freiheit ist wie Stacheldraht“ (Toxoplasma)

Die Gesellschaft, in der wir heute leben, ist eine durch und durch geordnete, von oben nach unten, in der das Recht des Stärkeren und die Verfügungsgewalt über vermeintlich Schwächere gelten. Eine durch und durch repressive Welt, die gegen alle mobil macht, die sich nicht im Rahmen der vorgegebenen Normen bewegen wollen oder können. Eine durch und durch kontrollierte Welt, die mit Überwachungssystemen, Denunziantentum und Polizeipräsenz all denen ein Gefühl von Sicherheit, Wichtigkeit und Überlegenheit geben will, die sich nichts mehr zu sagen haben und deren Gefühlshorizont sich irgendwo zwischen kaputten Fernsehshows, Bedrohungsphantasien durch alles Fremde und Hass auf alles, was in ihrer Welt keinen Platz hat, bewegt.

Wo die völkisch-rassistische Ideologie als bedeutende gesellschaftliche Strömung eine über 100jährige Kontinuität aufweist, wo autoritäre Mechanismen die Gesellschaft durchdringen, sind die Wurzeln geblieben und Anknüpfungspunkte faschistischer Ideologie an die Mitte der Gesellschaft hergestellt. Die Deutschen verdrängen und halten diese „Werte“ und „Preussischen Tugenden“ als deutsches Gut aufrecht. Deutsches Grossmachtstreben wird mit „historischer Verantwortung“ legitimiert. Was vor Jahren nur aus den Tiefen das alt- und neonazistischen Sumpfes zu hören war, ist heute oftmals Regierungspolitik und gesellschaftliche Normalität.

Das bißchen Totschlag…“ (Die Goldenen Zitronen)

Parteien wie SPD und Grüne setzen heute mit ihrer „inneren Sicherheit“ auf die umfassende Kontrolle des Individuums – von „Bürgerrechten“, „Datenschutz“und „Recht auf Privatsphäre“ will heute niemand mehr reden – stattdessen wechseln sich in den Medien Bedrohungsszenarien über „islamistische Terrorpläne“, „russische Mafia-Banden“ und „afrikanische Drogendealer“ beliebig ab. So entsteht ein irrationales Angstgefühl und das Bedürfnis, sich von der Umwelt abzuschotten. Und da in der Argumentation politischer StrategInnen alles Böse von außen kommt, wird das kapitalistische Projekt EU seit Jahren zu einer milliardenschweren Festung ausgebaut. An den EU-Außengrenzen aus Hochsicherheitszäunen und Hightech-Überwachungsanlagen sind schon mehr als 4000 Menschen bei dem Versuch, ins reiche Europa zu gelangen, gestorben.
Während die staatliche Abschiebemaschinerie sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt hat, müssen Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen verharren und sind dabei schutzlos dem Terror von SchließerInnen und Sicherheitsdiensten ausgesetzt.
Allein im Rendsburger Abschiebeknast, versuchten bereits mehrere gefangene MigrantInnen, sich das Leben zu nehmen, weil sie den dauerhaften Terror und die ständige Angst vor Abschiebung nicht länger ertragen konnten.
Diese widerlichen und menschenverachtenden Zustände werden von den Regierenden genauso bewusst hergestellt, wie die Existenz hunderttausender sogenannter illegalisierter Menschen, die sich unter härtesten Bedingungen im reichen Europa durchschlagen müssen, in Kauf genommen wird.
Völkisch-rassistische Hetze um „Leitkultur“, „Parallelgesellschaften“ und die Forderungen nach einer als Integration titulierten Assimilation der MigrantInnen zeigen, dass den Regierenden nichts ferner liegt, als die in der Bevölkerung weit verbreitete rassistische Gesinnung zu bekämpfen. Sie wird im Gegenteil als Grundlage für die Durchsetzung kapitalistischer Interessen für notwendig erachtet.

Niemand anderes als Rot-Grün hat in so rasendem Tempo die Remilitarisierung deutscher Politik durchgesetzt. Imperialistische Angriffskriege in aller Welt zur Aneignung von Rohstoffen und Absicherung deutscher Interessen sind als offizielle militärische Richtlinien Normalität geworden – eine Diskussion in Gesellschaft und Medien findet nicht statt. Im Gegensatz zu den us-amerikanischen Kriegen wird bei deutschen Militäreinsätzen unhinterfragt von „ehrenhaften“ Zielen ausgegangen.
Die für die Militarisierung der Außenpolitik erforderliche Militarisierung der Gesellschaft nach innen bedeutet seit Jahren das Zurückschlagen feministischer und antipatriarchaler Positionen. Kernstücke patriarchaler Ideologie wie Konkurrenzdenken, Chauvinismus, das Recht des Stärkeren, Machtstreben und Heldentum sowie Verfügungsgewalt über vermeintlich Unterlegene wie Frauen, Kinder, Alte, Kranke, Arme, Menschen anderer Herkunft, Religion oder Hautfarbe kehren mal schleichend, mal offensichtlich in alle gesellschaftlichen Bereiche zurück.

Niemand anderes als Sozialdemokratie und Grüne sind dabei, in Zusammenarbeit mit dem Kapital, ohne nennenswerten Widerstand der Gewerkschaften, die über 100 Jahre erkämpften Rechte der Lohnabhängigen zu zerschlagen. Sie verabschieden sich von jeglichen „sozialen“ Komponenten einer kapitalistischen Marktwirtschaft.

Die Rolle des Staates im Kapitalismus war schon immer, optimale Bedingungen für die Ausbeutung der Arbeitskraft zu schaffen. Deshalb ist der bürgerliche Staat ist keine neutrale Instanz, die nur anders geführt oder besetzt werden muss.

„Die da oben machen ja doch, was wir wollen“ (Bernadette La Hengst)

Eine antifaschistische Perspektive kann demnach nur der Kampf gegen die gesellschaftliche Ordnung sein .Wir vertrauen nicht darauf, dass uns der Staat vor Nazi-Übergriffen schützt oder das weitere Ausbreiten faschistischer Ideologien verhindert, sondern versuchen, den Selbstschutz zu organisieren.
Dem Lechzen nach Macht über andere und dem Aufstieg in der durch Kapitalismus und Patriarchat vorgegebenen Hackordnung setzten wir Solidarität entgegen.
Ein zentrales Moment antifaschistischer Politik ist für uns die Solidarität mit denen, die unter dem institutionalisierten Rassismus und dem Terror faschistischer Banden am meisten leiden. Diese Solidarität können wir mit der Forderung nach uneingeschränkter Bewegungsfreiheit, offenen Grenzen und dem Bleiberecht für alle Flüchtlinge und MigrantInnen auf vielfältige Weise praktisch umsetzen.

Ein anderer Aspekt ist es, den Nazis weder die Straße noch sonstigen Raum zu überlassen.
Der einzige Grund dafür, dass Kiel keine „national befreite Zone“ wie einige ostdeutsche Regionen ist, in denen die Nazis die Herrschaft über die Straße übernommen haben, ist der, dass sie hier mit antifaschistschen Widerstand konfrontiert werden, sobald sie öffentlich auftreten. Das gilt es fortzuführen – nicht nur am 29.1., sondern auch im laufenden Landtagswahlkampf, wobei davon auszugehen ist, dass die NPD u.a. auch wieder mit samstäglichen Infotischen in der Holstenstraße präsent sein wird.

Wir werden am 29.1. auf der Straße sein um durch vielfältige Aktionen die Nazis am Marschieren zu hindern.

Wir rufen alle auf:

Kommt zur Demo!

Beteiligt euch an Aktionen!

Seid kreativ und macht was!

Wir appellieren weder an den Staat noch an irgendwelche Unternehmen, noch vertrauen wir auf irgendwelche Wahlen, um unsere Träume und Utopien einer solidarischen, gerechten und kollektiven Gesellschaft zu verwirklichen.
Wie wir schon im Zusammenhang mit den Aktionen gegen die Arbeitsagenturen sagten: Wir machen die Ansprüche und Bedürfnisse nach einem schönen Leben für alle Menschen weltweit zum Ausgangspunkt einer Kritik des Bestehenden.

Demo: 29. Januar 11.30

Treffen: 10.30 Uhr, Wilhelmplatz

Aktionen vor, während und nach der Demo!

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„Mouthful of shit“ (Chumbawamba)

Nazis gegen Sozialabbau und Kapitalismus?

Dass faschistische Gruppierungen versuchen, sich in die Proteste gegen Hartz IV und Agenda 2010 einzumischen, ist nichts neues. Schon auf den Montagsdemos traten sie zum Teil massiv auf, um ihre „antikapitalistischen“ Parolen und Pamphlete unter die Menschen zu bringen – was ihnen leider in mehreren Städten auch gelang. Schon immer war es eine Strategie der Nazis, linke Parolen zu klauen, was das Zeug hält. Inhaltlich berufen sie sich dabei aber weiterhin auf ihre ureigensten faschistischen Werte: Ihre „Kapitalismuskritik“ begrenzt sich auf antisemitische Weltverschwörungsphantasien, in denen böse globale (Geheim-)Zirkel der „internationalen Hochfinanz“ das Kapital an sich „raffen“, während das gute „schaffende“ deutsch-nationale Kapital nicht mehr für das Wohlergehen des Volkes sorgen kann. So hört dann auch ihr „Antikapitalismus“ bei der Volksgemeinschaft auf – sprich: sind erstmal alle AusländerInnen und sonstige „Undeutsche“ (Linke, Homosexuelle, Behinderte, JüdInnen…) vernichtet, gibt es eben nur noch Deutsche, nur noch das Volk, nur noch das nationale Kollektiv – und Kapitalismus, Ausbeutung und Klassenunterschiede sind auf mysteriöse Weise zu einem völkisch-nationalen Sozialismus mutiert. Arbeitslosigkeit soll dann durch Arbeitsdienst und Zwangsarbeit beseitigt werden, oder dadurch, dass Frauen kurzum aus der Statistik gestrichen werden, da sie nun andere Aufgaben haben.

Der Blick in die Geschichte zeigt, dass faschistische Systeme und Kapital immer Hand in Hand marschierten, seien es die rechten Putsche in Lateinamerika oder auch das Apartheid-System in Südafrika. Immer ging es auch darum, die kapitalistische Maschinerie am Laufen zu halten und ihre Macht auszubauen und abzusichern.
Die von den Nazis nicht nur mit ihrem Aufmarschdatum glorifizierte NSDAP hat weder den Kapitalismus abgeschafft noch sozialistische Alternativen verwirklicht. Im Gegenteil wurde unter massiver Beteiligung der deutschen Industrie ein System der Zwangsarbeit, grenzenloser Ausbeutung und Vernichtung installiert, aus dem am Ende die Krupps, Thyssens und Flicks als einige der Hauptprofiteure hervorgegangen sind.^

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