Irie Révoltés propagierten in der Alten Meierei Freiheit und Unabhängigkeit
Geschneit hat es wieder nicht, dafür gestürmt. Besinnlichkeit im Übermaß, Familienstreitereien und Weihnachtsradio, da mag sich der eine oder andere erholen wollen und sucht im Kieler Nachtleben nach entsprechenden Programmpunkten. Und am ersten Weihnachtstag wird man schnell fündig, denn in der Alten Meierei in Kiel gastiert eine Band, deren guter Ruf als Live-Act in die Förderegion vorgedrungen ist.
Nutzen Musik als Sprachrohr, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen
und wachzurütteln: Irie Révoltés. Foto Bevis
Ein schwerer Angang, noch sitzt der Festtagsbraten quer, hat der Verteiler nicht gewirkt, aber kaum eingetroffen, da betritt eine Heidelberger Band namens Irie Révoltés die Bühne der Alten Meierei, um zum Sturmlauf der guten Laune anzusetzen.
Reggae Dancehall mit hochpolitischen Texten jenseits von stiller, heiliger Nacht ist das Motto. Und mit gemischten Gefühlen sehen pazifistischer eingestimmte Zuschauer zwei zunächst maskierten Frontmännern zu, die die „Guerilla“ beschwören, also jene Freiheitskämpfer, die aus dem Dickicht agieren, wo sich eine Übermacht die offene Feldschlacht leisten kann. Letztere besteht in diesem Fall einmal mehr aus der Gesellschaft mit ihren Zwängen, Normen, dem „Polizeistaat“, wie ihn Irie Révoltés nennen.
Ein angenehmer Gesamtsound besticht von Beginn an und macht das Eintauchen in den Rhythmus einfach. Die Irie Révoltés haben sich „independencia y libertad“ auf die Banner geschrieben, proklamieren in Französisch „on assassine en afrique“ auf ihrer aktuellen Tour, eine soundgenerierte Kampfansage, verpackt in schillernd poppige Akkordfolgen. Band und Publikum genießen den Abend, der Großteil tanzt in trauter Eintracht und goutiert die musikalische wie textliche Botschaft der Süddeutschen. Dabei geht es den fröhlichen (jamaikanisch: „irie“) Widerständlern (franz.: „révoltés“) darum, Alternativen zu bestehenden Strukturen aufzuzeigen, statt jene einfach zu zersprengen.
Was Saxophonist Valentin van Seggern im Vorfeld an den Plattentellern einläutete, findet in der Performance der Irie Révoltés seine Formvollendung. Allen voran die Brüder und Stimmungsmacher Pablo und Carlos Charlemoine, die lyrische Mobiles verweben und in zweistimmigen Harmonien glänzen. Der Tenor im Einheitstempo sind stakkatoartige HipHop-Passagen, während die Mitmusiker Grooves setzen, erfrischend minimalistisch, so dass der Gesamteindruck transparent bleibt.
Irie Révoltés sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn durch diesen Gegenpol herrscht wieder frischer Wind in einem Bewusstsein, das über die letzten Tage irgendwie vernebelt schien und nun den Blick wieder klar werden lässt für all jene Probleme, die es bis zum nächsten Weihnachten zu lösen gilt.