„Arbeitsagenturen“ am 3. Januar 2005 lahmlegen!

Agenturschluß auch in Kiel!

Am 1. Januar 2005 tritt Hartz IV in Kraft: Die Arbeitslosenhilfe wird
abgeschafft und durch das sogenannte Arbeitslosengeld II ersetzt. Das
betrifft bundesweit ca. zwei Millionen Menschen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass 75% der Betroffenen dann weniger oder gar keine Leistungen mehr erhalten. Vielen droht der Verlust ihrer bisherigen Wohnung. Hartz IV betrifft jedoch nicht nur die Erwerbslosen.

Hartz IV bedeutet Druck auf
alle, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen: Die Drohung mit
Arbeitslosigkeit und mit der Unsicherheit, die eigene Existenz nicht mehr
finanzieren zu können, führen zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen,
dem Versuch der Unternehmen die Arbeitszeit zu erhöhen und Löhne zu senken.
Die neuen Arbeitsplätze, die „geschaffen“ werden, entstehen im
Niedriglohnsektor – sie erhöhen den Druck auf andere Beschäftigte, zu noch
schlechteren Bedingungen zu arbeiten. Diese Entwicklung ist nicht neu: viele
MigrantInnen, SozialhilfeempfängerInnen und vor allem Frauen haben schon vor
Hartz IV zu miserablen Bedingungen gearbeitet. Mit Hartz IV werden diese
miesen Bedingungen ausgeweitet: Arbeitslosen, tariflich und nicht-tariflich
Beschäftigten, RentnerInnen, SchülerInnen, Auszubildenden und StudentInnen
droht eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Gleichzeitig wird
versucht, Erwerbslose und diejenigen, die (noch) einen Arbeitsplatz haben,
gegeneinander auszuspielen, um die Lohnkosten und Sozialeistungen für alle
senken zu können.

Weg mit den 1-Euro-Jobs!

Die 1-Euro-Jobs zerstören reguläre Beschäftigungsverhältnisse und führen zur
generellen Absenkung der Löhne. Die neoliberale Politik der Agenda 2010
zielt auf Verbilligung der Ware Arbeitskraft. ErzieherInnen, die bei der
Schließung ihrer Kitas arbeitslos werden, sollen nach einem Jahr
Erwerbslosigkeit dieselbe Arbeit in einer anderen Einrichtung oder als
Tagesmutter erledigen – erzwungenermaßen und für 1 Euro die Stunde.
Erwerbslose MaschinenschlosserInnen oder LandschaftsgärtnerInnen leiten für
1 Euro in Beschäftigungsprojekten Jugendliche an – die dort ihrerseits auf
1-Euro-Basis arbeiten. In den 1-Euro-Jobs haben die Beschäftigten keine
ArbeitnehmerInnenrechte, wie das Streikrecht oder die Interessensvertretung
durch Betriebsräte. Jede qualifizierte Tätigkeit wird daraufhin untersucht
werden, welche Arbeitsbereiche in unqualifizierte 1-Euro-Jobs umgewandelt
werden können, während von den tariflichen und arbeitsrechtlich
abgesicherten Tätigkeiten nur noch Reste übrig bleiben. Ergebnis ist nicht
nur die Entwertung von Qualifikationen, sondern auch die weitere
Beschleunigung der Senkung der Löhne. Gleichzeitig sinkt die Qualität der
geleisteten Arbeit, was insbesondere im Pflege- und Betreuungsbereich
unmittelbar die Lebensqualität vieler Menschen betrifft.

Hartz IV, AGENDA 2010 und Gesundheitsreform: Klassenkampf von oben!

Wer nicht bereit oder in der Lage dazu ist, zu jeder Zeit, an jedem Ort zu
jeden Bedingungen zu arbeiten, wird auf dem Arbeitsmarkt ebenso überflüssig
wie diejenigen, die erst gar keinen Job bekommen. Und wer Überflüssig ist,
ist nur „zumutbar“, wenn er Staat und Wirtschaft nicht zur Last fällt. Das
bedeutet Entrechtung, Verunsicherung und Verarmung der „Überflüssigen“!
Diese Entwicklung muss vor allem als ein ‚Klassenkampf von oben‘ verstanden
werden, der darauf zielt, den Wert der Arbeitskraft zu drücken und die
Arbeitskräfte stärker zu disziplinieren. Das betrifft einerseits die
einfache Ebene der Entlohnung. Darüber hinaus ist der Kampf um Lohn aber
immer auch einer, der sich um Zumutbarkeiten und Lebensstandards (z.B. bei
Arbeitsbedingungen, Kündigungsschutz, Gesundheitsversorgung, Bildung, Rente
etc.) dreht. Der Umfang der Angriffe von Staat und Kapital auf die Arbeits-
und Lebensverhältnisse bedarf radikaler Antworten und Alternativen. Die
Zeiten der ‚Sozialpartnerschaft‘ sind endgültig vorbei. Das Kapital kündigt
sie auf, während die Gewerkschaften immer noch daran glauben, zusammen mit
dem Kapital zu einem Interessensausgleich kommen zu können. Mit Hartz IV
zeigt sich auch die Aufgabe des Staates im Kapitalismus sehr deutlich: ihm
kommt vor allem die Rolle zu, optimale Bedingungen für die Ausbeutung der
Arbeitskraft zu schaffen. Dazu gehört auch die Herstellung einer
entsprechenden ‚Arbeitsmoral‘ (das bedeutet heute: fit, flexibel, mobil und
anspruchslos). Appelle an den Staat oder die Verantwortung und Moral der
Unternehmen gehen ins Leere, denn die Gegenseite vertritt ihre Interessen
und ist deutlich besser organisiert als wir.

Agenturschluss!

So erklärt sich auch die Aufgabe der „Agenturen für Arbeit““ und der
„Personal-Service-Agenturen“: Sie sind Agenturen der Kontrolle und der
Ausübung von Zwang gegenüber ihre erwerbslosen „KundInnen“. Die Agenturen
haben schlicht nichts zu verteilen. Ihre Aufgabe verfestigt sich mit Hartz
IV auf Verfolgungsbetreuung und die Rolle einer Arbeitspolizei zur
Disziplinierung der zu Überflüssigen erklärten. Deswegen stellen wir ihre
Existenzberechtigung in Frage. Wenn die Agenturen am 3. Januar 2005 das
erste Mal unter den Bedingungen von Hartz IV geöffnet werden, sorgen wir
dafür, dass der Betrieb nicht ungestört aufgenommen werden kann. Wir rufen
dazu auf, in die Agentur hineinzugehen. Formulieren wir es so: Erwerblose
sollen Zeugen zu einem gemeinsamen Amtsbesuch mitnehmen, um sich in der
Agentur über die neuen gesetzlichen Grundlagen zu informieren. In diesem
Sinne verhalten wir uns protokollgerecht, gewissermaßen sogar richtig
proaktiv, wie es heute heißt. In der Agentur werden wir uns an einem
zentralen Ort in einer großen Versammlung über die Folgen der Agenda 2010
und von Hartz IV, über Perspektiven der Veränderung und auch über ein
besseres Leben unterhalten. Hierzu gehört auch eine Feier mit Kaffee, Kuchen
und Musik. Das Elend des Normalbetriebes steht dazu natürlich in einem
unerträglichen Widerspruch. Er gehört also unterbrochen und alle, auch die
Beschäftigten der Agenturen, sollen sich an diesem wichtigen Ereignis
beteiligen.

Das Ende der Bescheidenheit!

Anstatt in Abwehrkämpfen zu verharren, die Behebung des ein oder anderen
Missstandes zu fordern und auf die allzu oft proklamierte Aufopferungs- und
Leistungsideologie hereinzufallen, geht es uns um das „Ende der
Bescheidenheit“, das Ende der Unterwerfung menschlicher Lebens- und
Genussmöglichkeiten unter die Anforderungen der Kapitalverwertung. Unsere
Antwort auf den Klassenkampf von oben ist der gemeinsame Kampf derjenigen,
deren Arbeits- und Lebensbedingungen sich verschlechtern! Grundsätzlich ist
es daher nicht der Ruf nach mehr Arbeitsplätzen, dem wir uns anschließen,
sondern der Kampf um andere Formen der Vergesellschaftung jenseits von
Lohnarbeit und Kapitalismus. Wir machen die berechtigten Ansprüche und
Bedürfnisse nach einem schönen Leben zum Ausgangspunkt einer Kritik des
Bestehenden. Dabei vertrauen wir nicht auf die Appelle an die Politik. Es
geht nicht um alternative Sparvorschläge – unsere Perspektive ist
realistischer: Es geht um ein angenehmes Leben für alle zu dem die Teilhabe
an Kultur und gesellschaftlichem Reichtum genauso gehört wie selbstbestimmte
Zeit!

Und los!

Kommt zum gemeinsamen Amtsbesuch
am 3.1.2005 zur Arbeitsagentur in Kiel-Gaarden in der
Adolf-Westphal-Straße 2!
Ab 10 Uhr findet eine Kundgebung
vor der Arbeitsagentur statt.

Der 3.1. wird ein großartiger Tag und vielleicht ein kleiner Schritt in
Richtung von etwas ganz anderem. Das meinen wir mit den auf eine bessere
Zukunft zielenden Parolen:

– Arbeitsagenturen auflösen und her mit dem schönen Leben!
– Wir haben mehr vom Leben als von der Arbeit!

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Hartz IV in Kiel:

– Vielen KielerInnen wird das Geld fehlen, z.B. bei der Miete!
– Sozialabbau z.B. beim Sport einerseits,
– Ausbeutung in 1-Euro-Jobs andererseits.

Bei seinem 90-jährigen Jubiläum sieht der Mieterverein Kiel etliche
Parallelen zur Gründungszeit: Undichte Fenster, schlecht zu heizende Räume,
feuchte Dächer und steigende Wohnkosten. Das Wohnungsangebot wird knapper
z.B. durch Abriss, Modernisierung und Privatisierung der KWG. Und durch
Hartz IV steht den Haushalten immer weniger Geld zur Verfügung:
Die Mietrückstände in Kiel stiegen 2004 um eine halbe Million Euro gegen
2003! (1)
Für Sportangebote lässt die Stadt die Beiträge und Eintritte saftig
ansteigen. Zur Milderung sollen Teile der nötigen Arbeiten in 1-Euro-Jobs
erledigt werden: Lohnraub und abkassieren in einem! (2)
13 2414 Arbeitslose gab es in Schleswig-Holstein im Oktober, das sind 9,5 %.
Für 12 000 von ihnen sind für 2005 schon 1-Euro-Jobs in Vorbereitung. (3)
Der Chef der Kieler Agentur für Arbeit begründet die Hartz IV-Einschnitte
noch ausgerechnet damit, dass das Geld doch auch von vielen Armen käme! (4)

Wir fordern dagegen
existenzsicherndes Einkommen einerseits und
selbstbestimmte Arbeitsbedingungen andererseits!

Quellen:
(1) KN 13.7.04
(2) KN Nov. 04
(3) KN 4.11.04
(4) KN März 94

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An die Beschäftigten der Agenturen für Arbeit,
Arbeitsgemeinschaften/Job-Centern und der Sozialämter,
für die Erwerbslose nicht nur ein Kostenfaktor sind:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Trotz der Arbeitszeitverdichtung,
Hetze und Überstunden hoffen wir auf Ihre Geduld, diese Zeilen zu lesen.

Wir, die Protestierenden gegen die Hartz-Gesetze wenden uns an Sie, weil wir
davon überzeugt sind, dass wir ähnliche Interessen haben und gemeinsam gegen
die Umstrukturierung des Arbeitsmarktes, die Verschlechterung der
Arbeitsbedingungen und den Sozialabbau kämpfen sollten. Wir sollen zu
Niedriglohnarbeit gezwungen werden, die alle Löhne und Tarife angreift und
auch in den Agenturen muss länger gearbeitet werden, die Manteltarife sind
gekündigt und das Weihnachtsgeld ungewiss.

Unser Protest richtet sich auch gegen die Agenturen für Arbeit und die
Arbeitsgemeinschaften/Job-Center, weil diese Orte sind, an denen die
entwürdigenden Hartz-Gesetze vorrangig umgesetzt werden. Hier müssen vom
Kapital aussortierte Menschen ihre Existenzberechtigung nachweisen, hier
werden sie in nicht existenzsichernde Arbeit (Niedrigstlohn, Leiharbeit)
gezwungen, überwacht und auch noch mit Leistungskürzungen oder gar –sperren
bestraft.

Unser Protest richtet sich gegen diejenigen in der Agentur Beschäftigten,
die glauben, nur irgendeinen Job zu verrichten – obwohl von Qualifizierung
für diejenigen, die sie wünschen, kaum noch die Rede ist und wenig
vernünftige Arbeitsplätze zu verteilen sind. Wenn wir dann noch hören, dass
einige SachbearbeiterInnen Erwerbslose anregen, aus der Gewerkschaft
auszutreten, um „besser vermittelbar“ zu sein, dann ist das eine Sauerei.

Unser Protest richtet sich NICHT gegen diejenigen Beschäftigten der
Agenturen und der Ämter, die sich ebenfalls dagegen wehren, dass Menschen
derart entwürdigend behandelt werden sollen – wir hoffen und bauen auf
gegenseitige Solidarität.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat sich gegen Proteste vor und in
Abeitsagenturen gewandt, weil „die Politik“ diese Gesetze verabschiedet
habe, nicht die Beschäftigten. Recht hat er: die Gesetze wurden von „der
Politik“ verabschiedet – auch mit teilweiser Zustimmung der
Gewerkschaftszentralen, auch von ver.di, wenn auch nicht zum ALG II.

Doch alle Gesetze bleiben bedeutungsloses Papier, solange sie nicht
umgesetzt werden. Sie haben bei allem Druck und bei aller auch gegen Sie
gerichteten Kontrolle und Statistik Spielräume – nutzen Sie sie zu Gunsten
der Betroffenen und unterstützen Sie unsere Proteste gegen diese Gesetze!

Es gibt SachbearbeiterInnen, die diese Spielräume durchaus im Sinne einer
„Verfolgungsbetreuung“ nutzen – Ihre „KundInnen“ kennen einige davon. Sie
bestimmt auch: Wir haben nicht vor, diese aus ihrer persönlichen
Verantwortung zu entlassen. Und auch kritische BA-Mitarbeiter müssen sich
mit solchen BA-Mitarbeitern mit vorauseilendem Gehorsam auseinandersetzen.

Auch Sie erleben Druck von oben, werden kontrolliert und haben fremd
gesetzte Ziele zu erfüllen. Wir sind uns bewusst, dass Sie
Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen oder gar Arbeitsplatzverlust zu
befürchten haben. Auch wir sind gegen die Privatisierung der Agenturen und
gegen die Privatisierung aller Lebensrisiken.

Es gibt viele Gründe, sich – gemeinsam – zu wehren!

P.S.: Unter der Internetadresse www.labournet.de/agenturschluss/ steht ein
Forum zum anonymen Austausch – untereinander und mit Erwerbslosen – zu Ihrer
Verfügung!

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Kontakt
Kieler Bündnis Agenturschluss
c/o Infoladen
Hansastraße 48
24118 Kiel
agenturschluss-kiel@gmx.net

Informationen
Informationen zu Agenturschluss in Kiel gibt es auf
www.agenturschluss-kiel.tk. Darüber hinaus sind
bundesweitere Informationen und Diskussionen auf
www.labournet.de/agenturschluss/ zu finden.

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Donnerstag, 9.12:
Kieler Fahrrad-Stadtrundfahrt gegen Billiglohn und Arbeitszwang

Wir treffen uns um 13.30 Uhr auf dem Vinetaplatz, um gemeinsam mit
Fahrrädern zu verschiedenen Orten der Ausbeutung zu fahren. Besucht werden
sowohl Firmen, als auch Institutionen, vor denen wir dann kurze Kundgebungen
oder Theaterstücke durchführen. Zum Abschluss wird es im Infoladen in der
Hansastr.48 Kaffee, Kuchen und Sekt geben. Bringt Wimpel, schön gestaltete
Fahrradanhänger, laute Klingeln und sonstiges Lärmgerät mit!

Freitag, 17.12.:
Avanti-Café zum Thema Agenturschluss
Ab 20 Uhr berichtet die Kieler Ortsgruppe von Avanti – Projekt undogmatische
Linke im Café der Alten Meierei im Hornheimerweg 2 vom Stand der
Vorbereitungen zu Agenturschluss. Der Abend soll mit tollen
Agenturschluss-Cocktails ausklingen.

v.i.S.d.P. Rolf Florida, Schweffelstraße 6, 24118 Kiel