Ein Freitagabend, der mit Schrottgrenze in der Schaubude und Phantom Limbs in der Meierei einige interessante Konzis zu bieten hatte. Hin und her gingen Anrufe und Mails, intensiv wurde die Frage debattiert, welcher Termin wohl der lohnenswertere sei. Zum Glück entschied ich mich für die Meierei, nicht zuletzt wegen eines Interviews auf realmusic.de mit Phantom Limbs, welches mir Mrs. Fiend dankenswerterweise zugeschickt hatte. Eine weitere Entscheidungshilfe war die Tatsache, dass Phantom Limbs aus Oakland kommen und somit für mich recht überzeugende „Nachbarn“ wie Poison Idea oder Strychnine haben. Ja, regionale Herkunft KANN manchmal stilprägend sein oder gar gewisse Qualitäten verheißen…
Der Besucherandrang hielt sich zunächst sehr in Grenzen, erst spät füllte sich die Meierei. Gegen 23.00 Uhr oder so war es ganz angenehm besucht und ein interessanter Abend nahm seinen Lauf.
Heute verzichtete man wieder auf die große Bühne, hatte eine kleine Bühne aus Paletten auf der rechten Seite eingerichtet, also genau entgegengesetzt der Stelle, an der vor kurzem noch Agrotóxico zockten. Immer mal was Neues.
Los ging’s mit Squartet aus Rom und wer Lust auf Leichtverdauliches hatte, der war definitiv am falschen Platz!
Diddeldidittdittditt.
Paff Paff Klatsch
Diiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiidtrittelti!
Jazzcore stand auf dem Flyer und das Trio machte dieser Bezeichnung alle Ehre. Irgendjemand hat mir mal einen Vortrag über Jazz gehalten: Nicht die Melodie, ja nicht mal der Song stände im Mittelpunkt, sondern das Spielen miteinander, das Improvisieren, das sessionhafte Gefühl des Augenblicks und wenn möglich das Erreichen gemeinsamer Ekstase. Diese Merkmale erfüllten Squartet ziemlich genau, auch wenn es natürlich schwierig zu beurteilen ist, wie viel eine Band improvisiert, wenn man sie nur einmal sieht. Der Gitarrist spielte im Sitzen, allerdings riss es ihn auch hin und wieder vom Stuhl und er landete mit verzerrtem Gesicht auf den Knien. Puh, zu Hause würde ich mir das Gefrickel wohl nicht anhören, aber so im Konz war das mal ganz geil. Eine gewisse Punk-Attitude kann der Band nicht abgesprochen werden, warum sollte sie sonst auch in diesem Rahmen touren?
Eines auffällig gekleideten Typen war ich schon während des Squartet-Gigs gewahr geworden – er hatte so eine Anzughose an, Hosenstall offen, ein schlabberiges Hemd und drüber Hosenträger, die Fresse mit Dreck oder Kohle beschmiert. Der war wider Erwarten kein Meierei-Besucher, sondern der Sänger Hopeless der Phantom Limbs. Die Band selbst agierte zurückhaltend, ihr Sänger dagegen SEHR extraordinär. Selten stand er auf der Bühne, meist streunerte er durchs Publikum, rollte auf dem Boden rum, in den Augen ein leicht verrücktes Glitzern. Zwischendurch aß er dann auch mal eine – angezündete! – Kerze… Zur Musik: Über allem schwebte ein cooler Orgelklang, so fagottmäßig im Klang, der den Begriff Gothpunk rechtfertigte. Ich hatte gerade ein paar Tage vorher das „Decline Of The Western Civilization“-Video mit Bands wie FEAR, X oder BLACK FLAG gesehen und Phantom Limbs hatten auch dieses Flair GANZ alter Punkbands. Old School to the bone. Vergleiche sind fast unmöglich, aber düster, lärmig und intensiv waren die Oaklander ohne Frage. Oder mit den Worten von Mr. Hopeless selbst: „Wir haben gradlinige und treibende Melodien, zwar mit dem ein oder anderen ungewohnten Break oder auch mal ein paar eher unkonventionelle Töne, aber nichts wirklich Exzentrisches. Was wir machen, ist nicht neu, es ist nur nicht wirklich bekannt in der Rockmusik“. Und wo ich schon zitiere: Was ich in erwähntem Interview noch interessant fand, war auch die Einstellung der Band zur Präsentation ihrer Musik: „Wir hoffen auf Spontaneität und Überraschung, irgendeine Form der Interaktion, auf einen Dialog, sei er physisch oder auch anders geartet. Manche Leute agieren auf der Bühne, als würden sie vor einem Spiegel proben. Ich will auf das reagieren, was um mich herum geschieht, will auf Individuen im Publikum reagieren, auf das, was sie tun und was sie fühlen“. Finde ich generell sehr gut, wenn eine Band keinen festgelegten Bewegungsabläufen folgt, sondern spontan agiert. Und das Gefühl hatte man bei Phantom Limbs schon. Irgendwann klebte Hopeless ein Kaugummi und irgendwelche Papierfetzen am Arsch, das Gesicht war noch verdreckter als zu Beginn und den meisten Leuten im Publikum stand eigentlich ein fettes Grinsen im Gesicht. Schön…
www.dremufuestias.de
==Links zum erwähnten Interview und zur Limbs-Site mit einigen Hörproben findet ihr auf der Bandseite Phantom Limbs==