Die Bierflasche fliegt in hohem Bogen, gezielt geworfen mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung, dann – einen Sekundenbruchteil später – Scherbentanz und Plörre auf dem Asphalt. Ein junger Punker macht seinem Lebensfrust Luft. Höchste Zeit, wieder hineinzugehen in die Alte Meierei. Gut gefüllt ist sie an diesem Abend, kein Wunder, hat sich doch mit den The Turbo ACs|Turbo ACs eine der populärsten Bands des Genres Surfpunk angesagt.
Klassischer Punkrock mit reichlich Druck:
The Briefs. Foto Bevis
Doch zuvor und mehr als ein Support: The Briefs aus Seattle. Man sieht Sonnenbrillen und blondierte Haare, hört quengelnde Organe und Zerrgitarren, die Zeitmaschine beamt zurück ins Jahr 1977, als Bands wie The Buzzcocks oder The Undertones eben jene Töne anschlugen, die damals ein bisschen die Welt verändern sollten. Heute verändert sich in Sachen klassischer Punkrock nichts mehr, aber es macht Spaß. The Briefs gelingt es mit ihren Zwei-Minuten-Perlen von Songs, die Menge einzustimmen. Und wer da meint, ein zielgerichteter 4/4 Takt plus drei Akkorde sei nun wirklich keine Kunst, der irrt, denn auch die simpelste Note will mit Druck gespielt sein. Sonst rockt es nicht. The Briefs können das. Rocken. Und geben ohne Zugabe die Bühne frei für das New Yorker Trio The Turbo ACs|Turbo ACs, das seit Mitte der Neunziger und mit Platten wie Fuel for Life oder Punkzilla für wohlige Wärme im Herzen des Punkrockers sorgt.
Es ist weit mehr als die Kombination aus Black&Decker-Gitarren und rhythmischem Drive a la Motörhead/Misfits, die Kevin Cole (Gitarre), Mike Dolan (Bass) und Kevin Prunty (Schlagzeug) zu bieten haben. Songs können sie schreiben, und dies ist auch heute Abend wieder ein entscheidender Faktor, der den Kauf des Konzertstempels nicht bereuen lässt. Moderatere Tempi werden durch das rasende Rock’n’Roll Mafioso aufgebrochen, flugs fließen Energien in den Bereich vor der Bühne, der zu beben beginnt. Manisch gebärden sich die Musiker und beweisen mit jedem Zittern der Unterlippe, dass der Trip nach Europa für sie eine Herzensangelegenheit ist. Das Publikum in der Alten Meierei dankt es durch Zuspruch und das immerwährende Gefühl, Teil der großen Familie zu sein. Von Carsten Purfürst