KN vom 24.Oktober
Die Nutzer der Alten Meierei kämpfen für eine Kultur in selbstbestimmten Räumen
Von Jörg Meyer
„Alte Meierei bleibt – unkommerziell und selbstbestimmt!“ titelt das Flugblatt, mit dem die Nutzer der Alten Meierei heute auf einer „Konzertdemonstration“ gegen die drohende Kündigung des Nutzungsvertrags durch die Stadt Flagge zeigen wollen. Dabei geht es ihnen um weit mehr als die aktuelle Auseinandersetzung um Lärmbelästigung der Nachbarn durch Konzerte und das vom Ordnungsamt eingeleitete Prüfverfahren wegen der fehlenden Konzession einer vermeintlich „gaststättenähnlichen Lokalität“ (KN berichteten). Vor allem Fragen des Schallschutzes sollen ebenfalls heute an einem „Runden Tisch“ zwischen Stadtverwaltung, Nachbarn und Meierei-Nutzern verhandelt werden.
„Nicht das, worum es uns eigentlich geht“, sagen letztere; und Liegenschaftsamtsleiter Hans Mehrens, es sei „oft schwer mit denen zu diskutieren“. Und offenbar handelt es sich dabei um ein Problem gänzlich unterschiedlicher Ansätze. „Wir sind froh, wenn in unseren Liegenschaften kulturelle Arbeit gemacht wird“, so Mehrens, der „die Meierei erhalten“ will. „Aber wir sind gezwungen von ordnungsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, wenn Regeln nicht eingehalten werden, die sonst für alle gelten“, so legitimiert er eine neuerliche Kündigungsandrohung wegen weiterhin in der Meierei stattfindender Konzerte. Dass dazu als Beleg auch ein Konzert der Band Bonehouse dient, das nicht in der Meierei stattfand, sondern in der Pumpe, zeigt nicht zuletzt das Kommunikationsproblem zwischen Stadt und Meierei. Obwohl die Meierei-Nutzer bereits in Eigenregie mit dem Bau von Schallschutzmaßnahmen begonnen haben und damit zeigen, dass sie die Interessen der Nachbarn ernst nehmen, mutmaßen sie, dass hinter den ordnungsund baurechtlichen Maßnahmen mehr als „von allen einzuhaltende Regeln“ stecken: „Das ist keine juristische, sondern eine politische Frage.“
Steckt hinter der plötzlichen Abkehr der Stadt von der jahrelangen Duldung des Konzertbetriebs – Mehrens: „Wir haben Langmut bewiesen“ – die Absicht das Projekt Meierei zu beenden, das vor knapp 20 Jahren als Ersatz für die am Sophienblatt geräumten Häuser gestartet wurde? „Wir sind vorsichtig mit Zugeständnissen, wenn politisch womöglich etwas ganz anderes gewollt wird als bloß Schallisolierung“, begründen die Meierei-Nutzer ihre Skepsis gegenüber dem „Runden Tisch mit Ecken und Kanten“. Nach ihrer Meinung sei ein gesellschaftlicher Diskurs über unkonventionelle Formen der Kultur“ auf ganz anderer Ebene zu führen.
Sie wollen „die Autonomie des Ortes verteidigen“. Den „nur teilweise verrechtlichten Raum“ sehen sie als „offen für
Selbstorganisationsimpulse“, für eine unkonventionelle, „dissidente“ Kultur.Damit sind sie nicht allein. Inzwischen über 170 Unterzeichner, auch aus etablierten Bereichen von Kultur und Politik, unterstützen eine vom Kneipenkollektiv der Hansastraße 48 initiierte Solidaritätserklärung, in der die Rücknahme der Kündigungsdrohung und eine „politische Bestandsgarantie für die Alte Meierei“ gefordert werden. „Politisch“ ist dabei das Schlüsselwort, denn die Kulturmacher in der Meierei sehen ihre Tätigkeit nicht bloß als Kulturveranstaltung, sondern als Modell für selbstbestimmtes Leben abseits verwaltungsrechtlichen Zugriffs, das „gesellschaftlich verallgemeinerungswürdig“ sei. Vielleicht auch ein Modell, Subkultur nicht nur als Nische, sondern als die gesamte Gesellschaft befruchtende Politik zu bewahren.