Zur Konzertdemonstration mit Ecken und Kanten und dem Runden Tisch
NutzerInnenplenum am 26.10.2003
Ab 16 Uhr begann die Konzertdemonstration mit einer Auftaktkundgebung auf dem Holstenplatz. Disco Maxim war erkrankt, so dass statt ihrer die Neumünsteraner Band ‚Searching for issue‘ spielte. Zudem wurden die ersten Redebeiträge gehalten und ein Flugblatt mit einer Stellungnahme des NutzerInnenplenums und der Solidaritätserklärung verteilt.
So startete die Demonstration mit der dem Konflikt mit der Stadt angemessenen Koppelung von Demo und öffentlicher Manifestation von der in der Alten Meierei stattfindenden Kultur. Im weiteren war die Demonstration an genau diesem Punkt von einem Interessenskonflikt zwischen den Teilnehmenden einerseits und der Polizei bzw. dem Ordnungsamt andererseits geprägt. Denjenigen, denen die im politischen Sinn völlig entleerte Berliner Love-Parade zumindest aus dem Fernsehen bekannt ist, werden sich vielleicht wundert: So enthielt der Bescheid des Ordnungsamtes Auflagen, die den Charakter der Demonstration massiv einschränkten. Jede Benutzung des Lautsprecherwagens für Musik zwischen den Kundgebungsorten wurde untersagt und ebenfalls jedes weitere Konzert an einem anderen Ort als der Auftaktkundgebung wurde verboten. Vor Ort betrieb der Einsatzleiter diese Ordnungspolitik weiter und verbot das Mitführen des Lautsprecherwagens im Bereich der Innenstadt.
Auf dem Berliner Platz entschlossen sich die DemonstrantInnen, in aller Selbstverständlichkeit ein weiteres Konzert im Innenstadtbereich durchzuführen. Die bis dahin völlig unbekannte Band ‚Overluders‘ stieg auf die Bühne und der Sänger erklärte, dass sie gehört hätten, dass eine Band für die Demonstration erkrankt war. Deshalb hätten sie sich am Morgen der Demonstration gegründet, zwei Stunden geprobt und dies sei ihr Abschiedskonzert. Deshalb sei es auch für sie überhaupt nicht einsichtig, dem Willen der Polizei nachzukommen und nicht zu spielen. Alle waren begeistert: Zum einen spielte die Band ganz gut, zum anderen war diese Regelverletzung in einem politischen Sinn von Selbstermächtigung bedeutsam und gegen das schlichte polizeiliche Verständnis von Demonstrationskultur gerichtet. Der Anmelder der Demonstration lässt sich hierfür sicherlich nicht verantwortlich machen, auch wenn der aufgebrachte Einsatzleiter dies ihm gegenüber versuchte. Denn dieser war zu diesem Zeitpunkt gar nicht zugegen, da er erstmal eine öffentliche Toilette in der Innenstadt ausfindig machen musste, was als menschliches Bedürfnis unseres Wissens bisher weder eine Straftat, noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
Im weiteren Verlauf der Demonstration könnte sich bei ahnungslosen PassantInnen der Eindruck eingestellt haben, dass es sich bei der Konzertdemonstration um eine Aktion des Polizeiorchesters handelt: Die Einsatzleitung zog ihre Kräfte zusammen, in Kampfanzügen und zum Teil vermummt liefen die Ordnungskräfte lockeres Spalier und rächten sich für das erfolgreich durchgeführte Konzert durch absurd erscheinende Einsätze vermummter Greiftrupps. Zwei Personen mit Motorradführerschein wurden in Gewahrsam genommen, da sie Motorradhelme und Nierengurte dabei hatten, einer weiteren Person wurde vorgeworfen, eine Leuchtkugel senkrecht in die Luft geschossen zu haben. Alle drei wurden auf die Wache gebracht und erkennungsdienstlich behandelt (Fotos & Fingerabdruck), eine Schmauchspuranalyse wurde durchgeführt. Alle drei wurden im Laufe des Abends entlassen.
Die polizeiliche Inszenierung, die auch nicht aus der Mini-Lokalpolitik des Runden Tisches abzuleiten war – aber dazu gleich – endete erst spät. Noch bei der Meierei erwartet ein vermummter Zug der Bereitschaftspolizei die Demo. Es entwickelte sich aber kein dauerhafter Belagerungszustand, so dass die Schallschutzparty mit Kurhaus und Blickwinkel in netter Atmosphäre stattfinden konnte.
Parallel zur Demonstration fand der Runde Tisch statt, zu dem ein Mitglied der Grünen auf Initiative des Ortsbeirates Hassee-Viehburg eingeladen hatte. Neben VertreterInnen der Nachbarschaft, des Ortsbeirates Hassee-Viehburg, der CDU, der Grünen sowie des Ordnungs- und des Liegenschaftsamtes begaben sich auch Delegierte des NutzerInnenplenums der Alten Meierei ins Rathaus, um die Positionen der Alten Meierei klarzustellen und möglicherweise zu neuen Erkenntnissen bezüglich des starken Drucks (mehrere Abmahnungen sowie Kündigungsdrohungen) zu gelangen, den die Stadt Kiel seit einigen Monaten auf die Alte Meierei ausgeübt hatte. Der Verlauf der Gesprächsrunde war dann für die Meierei-Delegierten doch einigermaßen überraschend.
Das Lärmproblem
Nachdem die Nachbarn noch einmal beklagten, dass es immer mehr Konzerte gäbe, der Lärm nicht mehr auszuhalten sei und Gespräche mit der Alten Meierei nichts bewirkt hätten, wiesen die Meierei-Delegierten den Vorwurf der Zunahme von Konzerten zurück und betonten noch einmal, dass es auf einem NachbarInnen-Treffen im Juli zugesagt worden sei, dass ein effektiver Schallschutz installiert werde, bis dahin alle Konzerte um spätestens 22.oo Uhr enden würden und sich Leute aus dem NutzerInnen-Plenum als AnsprechpartnerInnen für eventuelle Probleme zur Verfügung stellen würden.
An diese Zusagen werde sich gehalten, der Schallschutz im Laufe des November fertiggestellt sein und das Problem der Lärmbelästigung sei somit aus Sicht der Alten Meierei gelöst. Im Verlauf des Runden Tisches wurde dann auch recht deutlich, dass die NachbarInnen mit der jüngsten Entwicklung tatsächlich auch zufrieden sind. So wurde bestätigt, dass in der letzten Zeit trotz stattgefundener Konzerte kein ruhestörender Lärm mehr in ihre Häuser gedrungen sei und sie sich in dieser Problematik von den MeiereinutzerInnen ernst genommen fühlen.
Nach Beendigung des Runden Tisches bestand der Eindruck, dass sich auch von seiten der NachbarInnen eine Vertrauensbasis wieder soweit aufgebaut hat, dass es möglich sein müsste, zukünftige Probleme wieder durch direkte Gespräche angehen zu können.
Die Stadt
Soweit verlief alles den vermuteten Gang. Die dann folgenden Auftritte von Liegenschaftamtsleiter Mehrens sowie Ordnungsamt-Chef Albig waren dann doch eine ziemliche Überraschung.
Mehrens sagte, dass er das Problem des Lärmes nach den Äußerungen der Meierei-Delegierten für gelöst halte, Lärmmessungen auf den letzten zwei Konzerten diese Einschätzung bestätigt hätten und eigentlich alles ok sei, nur müsste er sich die Schallschutzkonstruktion noch einmal angucken, wenn sie fertig ist.
Albig teilte dann im nächsten Statement diese Meinung, sprach allerdings eine fehlende und angeblich erforderliche Gaststätten-Konzession in der Alten Meierei an, über die noch einmal geredet werden müsse, allerdings sei dieser Runde Tisch nicht der geeignete Ort dafür.
Hetzerische Versuche eines Ortsbeiratvertreters und des ordnungspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, einen angeblichen „illegalen Kneipenbetrieb“ oder auch „kriminelle Brandschutzvorkehrungen“ in der Alten Meierei zu thematisieren, wurden sowohl von Albig als auch von Mehrens zurückgewiesen und abgeblockt.
Was will die Stadt?
Auf dem Runden Tisch hat die Stadt Kiel also erstmal kräftig zurückgerudert, von unerfüllbaren Forderungen wie, dass jedes Konzert beim Ordnungsamt anzumelden und zu genehmigen sei, war keine Rede mehr, angeblich noch bestehende Probleme könnten nach Aussagen der Behördenvertreter ohne weiteres („das kann man regeln“) aus der Welt geschaffen werden.
Es stellt sich natürlich die Frage, wie dieses Verhalten einzuschätzen ist. Der Runde Tisch war eine öffentliche Runde, und aus dieser Öffentlichkeit will die Stadt den Konflikt um die Alte Meierei heraushaben, das wurde in jedem Fall deutlich.
Insofern kann die verstärkte Thematisierung des Konfliktes in der Öffentlichkeit durch zahlreiche Mobilisierungen und Aktionen von seiten der Alten Meierei als Teilerfolg verbucht werden. Ob der Stadt Kiel allerdings tatsächlich daran gelegen ist die Alte Meierei zu erhalten, werden vermutlich die nächsten Wochen zeigen. Unsere Aufgabe wird es sein, den öffentlichen Druck weiter aufrecht zu halten.
Die Meierei-Delegierten haben deutlich gemacht, dass sie kompromissbereit sind, solange es tatsächlich um die Klärung von Problemen geht. So wurde dem Liegenschaftsamt erklärt, dass einer Besichtigung des Schallschutzes nichts im Wege stehen sollte. Gesprächen mit dem Ordnungsamt wurde weder zu- noch abgesagt.
Die Kompromissbereitschaft hat aber ihre Grenzen, und zwar an dem Punkt, wo die Stadt Kiel den Fortbestand der Alten Meierei als politisches, kulturelles, unabhängiges, selbstorganisiertes und unkommerzielles Zentrum bedroht, sei es dadurch, die Meierei in einen kommerziellen Rahmen pressen zu wollen, sei es durch nicht erfüllbare Forderungen oder durch verschiedenste Versuche, Kontrolle über dieses Projekt erlangen zu wollen.