Mistwetter! Also Rad im Keller stehen lassen und ausnahmsweise Bus fahren. Und natürlich hört es gerade dann auf zu regnen, als ich im Bus sitze. Immerhin wird mir eine ordentliche Show geboten: Besoffene Kids pöbeln und prollen rum, versuchen sich gegenseitig damit zu beeindrucken, wer am lautesten ist und wer am meisten saufen kann. War ich mit 15 auch so scheiße? Lieber nicht drüber nachdenken und auf das Konz in der Meierei freuen. Schließlich hab ich Pistol Grip bei ihrem letzten Gastspiel in Kiel nicht sehen können und dann sind ja noch The Disturbers und die vielversprechenden Sure Shot mit an Bord.
Die können dann auch vor gut gefülltem Haus loslegen. Wie mir Benni von der Konzertgruppe ANNE OAN später sagt, ist das heute das bisher zweitbest besuchte Konzi, was sie veranstaltet ham (den ersten Platz belegen AGENT ORANGE & Co.). Sure Shot sind geil! Derber Hardcore mit ’ner gehörigen Metalkante. Selten, dass in einer Band Shirts von BLACK FLAG und EMPEROR getragen werden. Gleich der erste Song startet dann auch mit Black Metal-Riffs und Blastbeats, bevor er in eine groovende HC-Rotze übergeht. Old School-Gebretter, modernere fette Riffs, Mosh-Parts a la SEPULTURA und einige Punk-Einflüsse geben sich die Klinke in die Hand. Endgültig den Rest gibt einem der aggressive Schrei-Gesang von Hannes. Ein ziemlich mitreißendes Gebräu. Und das alles ohne Bassist! O-Ton: „Der ist grad in Kanada, Bäume fällen“ Was hätte dat noch mit Bass geknallt? Aber cool, dass die Jungs trotzdem auftreten. Die einzigen Fragezeichen setzen die kryptischen Ansagen von Hannes: „Wir sind jetzt die Band, und ihr der Mob, okay?“, „Der nächste Song ist irgendwie komisch“ oder „Da war so’n Typ, schwarzgefärbte Haare, Augenbrauen-Piercing und dann nachts Weiber aufreißen. Ich sach mal: ‚Put your Fender in your ass'“. Alles klar, Hannes… Aber eins macht er deutlich: Wenn die Meierei geschlossen wird, verspricht Hannes vors Rathaus zu scheißen… Wenn es nicht noch so früh gewesen wäre, wäre bestimmt im Publikum mehr passiert, aber auch so recken sich einige Fäuste zum coolen Refrain vom punkigen „Bloodstate“. Nicht wenige sagen später, dass ihnen SURE SHOT heute am besten gefallen haben. Ich schließ mich an,…
…obwohl auch The Disturbers ordentlich Spaß machen. „Das war unser beschissenster Auftritt!“, klagt Lewe hinterher. Schnauze! Eine Band selber kann sowat gar nicht beurteilen. Was interessieren mich Spielfehler oder so? Ich finde vielmehr, dass die DISTURBERS heute den BESTEN Gig bieten, den ich bisher von ihnen gesehen habe. Das geht nämlich voll nach vorne los, und mit deutlich mehr Bewegung auf der Bühne als bei früheren Shows. Interessant, wie der zurückhaltende Strecker (g) auf der Bühne zur Rampensau mutiert und mit der Gitarre rumschwenkt, als rocke er gerade ein volles Stadion… Der Sound ist ganz schön müllig, aber das macht irgendwie gar nichts. Kommt geil chaotisch. Das Publikum ist warm geworden und was mir positiv auffällt: Die meisten sind runter vor die Bühne gekommen und feiern ordentlich. Ist ja auch nicht immer so. Sehr gut kommen natürlich die Coversongs von D.O.A. und TURBONEGRO an, aber auch die eigenen Stücke bieten PUNKROCK pur. Bald wird man ja auch die ersten Aufnahmen zu hören bekommen, bin schon gespannt.
Zwischendurch gibt’s immer mal wieder Geschichten von Leuten zu hören, die auf der Demo in Hamburg waren. Faschos hatten ja gegen die Wehrmachtsausstellung demonstriert, es waren wohl letztlich so 1000 Faschos da, aber 7000 Gegendemonstranten (wurde mir gesagt). Doch die Bullen ließen keinen an die Nazi-Demo ran und beballerten „unsere“ Leute mit Wasserwerfen. Hamburger Wetter…
Pistol Grip bieten einen professionellen Gig. Nichts Neues, halt Streetpunk mit eingängigen Melodien. Aber ich will nicht meckern, auch die Amis machen ordentlich Dampf und Altbewährtes kann ja auch gefallen. Ich würd mir nicht unbedingt eine Scheibe von denen zulegen, aber im Moment lass ich mir einfach das Bier schmecken und fühle mich gut. SURE SHOT und die DISTURBERS fand ich zwar besser und engagierter (und zwar ganz ehrlich und ohne „Lokalbonus“), jedoch muss man sagen, dass PISTOL GRIP auch schon eine längere Tour im Kreuz haben. Der Sänger erinnert mich von der Gestik her an Greg Graffin (Bad Religion). Er muss gar nicht viel Action machen, reißt die Leute allein durch seine Präsenz und dat Funkeln in seinen Äuglein mit. Nee, schon eine korrekte Band, kommen ganz ohne „Dicke Hose“-Sprüche aus und wirken ziemlich begeistert vom Publikum. Das geht nämlich gut ab, und wie mir der Tourfahrer erzählt (der übrigens offenbar auf JEDER M.A.D.-Tour fährt und das Kieler Publikum schon gut kennt. „I wonder: We’re in Kiel, but where is Karl-Heinz Stiezel?“), ist das heute wohl so ziemlich der beste Gig von der Tour. Na, das hört man ja auch gerne!